Die vergessene Kunst des Otto Dix
Sie waren lange Zeit in Vergessenheit geraten: Fastnachtfresken, mit denen der Maler Otto Dix den Keller seines Hauses verzierte. Nun sind sie wiederentdeckt worden und zeigen eine ganz neue Facette seines künsterlischen Schaffens - und eine nahezu unbekannte Seite seiner Persönlichkeit.
Die Schwägerin:
"Es ist eigentlich so ganz durcheinander. Es ist so aus der Hand gemalt, was dem Otto Dix eben einfiel: Tiere, Menschen und Masken – und was halt so ein bisschen zu Fastnacht passt."
Die Schwiegertochter:
"Zu diesen Neuen gehören einfach ein Viech, dass so ganz phantastisch ist, also wie so ein Oktopus ganz viele Arme hat. Und an jedem Arm spielt es ein anderes Instrument."
Ilse Körner und Andrea Dix standen Otto Dix zu dessen Lebzeiten sehr nahe, die eine als Schwägerin, die andere als Schwiegertochter. Und beide beschreiben das, was bei Renovierungsarbeiten im ehemaligen Wohnhaus von Otto Dix zum Vorschein kam: Längst in Vergessenheit geratene Fresken aus der Hand des Meisters mit fastnächtlichen Motiven, gemalt auf den Wänden eines Kellerraumes.
"Hinter den Regalen von den Akten waren diese Fresken. Aber die Regale waren fest eingebaut, also mit Rückwand fest verschraubt. Da kam man nie an die Rückseite", sagt Andrea Dix.
Sie hat als Vorsitzende des Fördervereins Otto-Dix-Haus in Hemmenhofen den Umbau des einstigen Wohnhauses zum Museum begleitet. Nach ihrer Erinnerung hatte Dix mit den bunten Fresken den einstigen Partykeller seines Hauses dekoriert. Neben dem Monster mit den Musikinstrumenten, den so genannten Hänsele, einer süddeutschen Narrenfigur, befinden sich auch Karikaturen, fastnächtlich verfremdet. Als besonders gelungen findet Andrea Dix die Darstellung des einstigen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard, dem Vater des Wirtschaftswunders:
"Der ist hier praktisch satirisch dargestellt. Er ist eigentlich ein Centaur. Also das ist eine Kuh oder so. Und er ist nur der Oberkörper, der Erhard. Und er hatte eine Zigarre im Mund. Das raucht er – und hat ein Arschgeschicht…"
Otto Dix, der in Biografien oft als zurückgezogen, als schrullig beschrieben wird, saß damals der närrische Schalk im Nacken – eine Seite seines Lebens, über die in den Dix-Biografien kaum etwas geschrieben steht. Umso intensiver erinnern sich diejenigen daran, die ihn persönlich gekannt – und mit ihm gefeiert haben.
"Jazz, Jazz, haben wir getanzt. Und das war schon ganz hochmoderne Musik", erinnert sich Ilse Körner an jene Fastnachtsparties im Hause Dix, bei denen sie in den 50er und 60er Jahren selbst mit dabei war. Fastnächtliche Verkleidung war obligatorisch – da machte auch Otto Dix keine Ausnahme.
"Er war, glaube ich, so ein bisschen Seeräuber, was weiß ich. Er hat einen Sommerhut auf gehabt. Er hat schon mitgemacht. Und er war ja auch ein… naja, man kann nicht sagen, ein ausgelassen fröhlicher Mensch. Aber ein geselliger Mensch war er schon."
Der Wechsel zwischen einem ruhigen, in sich gekehrten, dann aber zu Fastnachtszeiten auch wieder festfreudigen Otto Dix – dafür stehen die über Jahrzehnte vergessenen und nun wieder gefundenen Fasnachtsfresken, ein Ausdruck des Lebensgefühls des Malers in den Jahren nach dem Krieg.
Andrea Dix: "Ich glaube, er hatte schon Spaß an der Fastnacht, weil ihm das auch mal wichtig war, die Menschen in einem entfesselten Zustand zu sehen. Das war ihm immer wichtig. Und deswegen waren für ihn ja auch die Kriegserlebnisse so bedeutsam. Und die Fastnacht ist ja auch eine gewisse Entfesselung. Und den Menschen so zu erleben, wie er auch wirklich ist, wenn er nicht gehemmt ist, das fand er interessant. Das hat ihn einfach interessiert."
Auf den ersten Blick sind die Dix’schen Fastnachtsfresken nicht viel mehr als ein Dekorationselement für einen Partykeller. Doch das wird diesen Arbeiten nach Ansicht von Andrea Dix nicht gerecht.
"Auf jeden Fall vertieft das diese Facette mit der Fastnacht. Also er hat sich ja mit der Fastnacht viel beschäftigt. Immer wieder taucht das auf: Gerade nach dem Krieg gab es dann auch so Fastnacht in Trümmern. Dann hat er ja auch in seinen ‚Sieben Todsünden‘ so einen Fastnachtsauftritt geschaffen. Die sieben Todsünden sind ja alle verkleidet. Das ist wie so ein Fastnachtsumzug."
Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, geht noch einen Schritt weiter. Das Kunstmuseum betreut das Otto-Dix-Haus konzeptionell, deshalb hat sich die Direktorin intensiv mit den Fresken beschäftigt:
"Es sind sehr viele Fantasiefiguren, die er dort zeigt. Es sind Motive aus der alemannischen Fastnacht: Es ist dieses Urtier, dieses Phantasietier, dieser Drache, der am Ende von seinen schlangenförmigen Trompeten verschiedene Jazzinstrumente trägt, quasi eine ganze Band bildet. Und das ist eben auch das Schöne an diesen Malereien, dass man sehr viel über die Familie Dix erfährt: Der Vater Otto Dix und auch der Sohn Jan Dix waren sehr begeisterte Jazz-Anhänger. Und das hat in solch einer Malerei Ausdruck gefunden."
Doch nicht nur die Liebe von Vater und Sohn Dix zum Jazz spiegelt sich in den Fastnachtsfresken wieder. In einer anderen Freske hat Ulrike Groos sogar ein Zitat aus einem Film entdeckt:
"Es gibt ja eine sehr schöne Wand, wo verschiedene Füße zu sehen sind mit rot eingefärbten Zehen und Sohlen. Und da hat sich Jan Dix, der Sohn, eben erinnert, dass es ein Film gibt von 1958, ‚Des Pudels Kern‘, im dem Alec Guiness einen Maler spielt, der nur Füße malt. Und das ist natürlich für uns jetzt auch kunsthistorisch sehr interessant, also dieser Ikonografie, diesen Inhalten der Bilder nachzugehen und zu sehen, warum ist das entstanden zu welchem Zweck und was waren die Anregungen dafür."
Will heißen: In den Fastnachtsfresken von Otto Dix sind aller Wahrscheinlichkeit nach viel mehr Anspielungen und Zitate enthalten, als dies der erste Anschein vermuten lässt. Neben der Renovierung des Otto-Dix-Hauses, das im Juni als Museum wiedereröffnet werden soll, konzentrieren sich die Experten des Stuttgarter Kunstmuseums deshalb verstärkt auf Erforschung und Konservierung der Fresken.
"Also wir erforschen die jetzt erst einmal. Es werden jetzt Restauratoren vor Ort sein, um natürlich auch die Technik zu analysieren. Wir müssen natürlich auch sehen, wie die Haltbarkeit jetzt auch weiterhin gewährleistet ist. Das gute war, dass wir aber auch im Keller jetzt schon klimatisch vorgesorgt haben, damit jetzt auch wirklich optimale Bedingungen für diese Bilder herrschen. Und wir möchten natürlich, dass diese Bilder auch zugänglich sind. Das wird wahrscheinlich im Rahmen von gesonderten Führungen, Ausstellungen, Begleitungen möglich sein. Denn es ist ja eine ganz tolle Überraschung und wirklich eine Bereicherung für dieses Haus."
Mehr bei dradio.de:
Sonnenaufgang in Dresden
Wie die Städtische Galerie "ihren" Otto Dix zurückgewann
Zum Kotzen schön
Otto-Dix-Haus am Bodensee kann saniert werden
Der Menschensammler
Otto-Dix-Ausstellung in Stuttgart
"Es ist eigentlich so ganz durcheinander. Es ist so aus der Hand gemalt, was dem Otto Dix eben einfiel: Tiere, Menschen und Masken – und was halt so ein bisschen zu Fastnacht passt."
Die Schwiegertochter:
"Zu diesen Neuen gehören einfach ein Viech, dass so ganz phantastisch ist, also wie so ein Oktopus ganz viele Arme hat. Und an jedem Arm spielt es ein anderes Instrument."
Ilse Körner und Andrea Dix standen Otto Dix zu dessen Lebzeiten sehr nahe, die eine als Schwägerin, die andere als Schwiegertochter. Und beide beschreiben das, was bei Renovierungsarbeiten im ehemaligen Wohnhaus von Otto Dix zum Vorschein kam: Längst in Vergessenheit geratene Fresken aus der Hand des Meisters mit fastnächtlichen Motiven, gemalt auf den Wänden eines Kellerraumes.
"Hinter den Regalen von den Akten waren diese Fresken. Aber die Regale waren fest eingebaut, also mit Rückwand fest verschraubt. Da kam man nie an die Rückseite", sagt Andrea Dix.
Sie hat als Vorsitzende des Fördervereins Otto-Dix-Haus in Hemmenhofen den Umbau des einstigen Wohnhauses zum Museum begleitet. Nach ihrer Erinnerung hatte Dix mit den bunten Fresken den einstigen Partykeller seines Hauses dekoriert. Neben dem Monster mit den Musikinstrumenten, den so genannten Hänsele, einer süddeutschen Narrenfigur, befinden sich auch Karikaturen, fastnächtlich verfremdet. Als besonders gelungen findet Andrea Dix die Darstellung des einstigen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard, dem Vater des Wirtschaftswunders:
"Der ist hier praktisch satirisch dargestellt. Er ist eigentlich ein Centaur. Also das ist eine Kuh oder so. Und er ist nur der Oberkörper, der Erhard. Und er hatte eine Zigarre im Mund. Das raucht er – und hat ein Arschgeschicht…"
Otto Dix, der in Biografien oft als zurückgezogen, als schrullig beschrieben wird, saß damals der närrische Schalk im Nacken – eine Seite seines Lebens, über die in den Dix-Biografien kaum etwas geschrieben steht. Umso intensiver erinnern sich diejenigen daran, die ihn persönlich gekannt – und mit ihm gefeiert haben.
"Jazz, Jazz, haben wir getanzt. Und das war schon ganz hochmoderne Musik", erinnert sich Ilse Körner an jene Fastnachtsparties im Hause Dix, bei denen sie in den 50er und 60er Jahren selbst mit dabei war. Fastnächtliche Verkleidung war obligatorisch – da machte auch Otto Dix keine Ausnahme.
"Er war, glaube ich, so ein bisschen Seeräuber, was weiß ich. Er hat einen Sommerhut auf gehabt. Er hat schon mitgemacht. Und er war ja auch ein… naja, man kann nicht sagen, ein ausgelassen fröhlicher Mensch. Aber ein geselliger Mensch war er schon."
Der Wechsel zwischen einem ruhigen, in sich gekehrten, dann aber zu Fastnachtszeiten auch wieder festfreudigen Otto Dix – dafür stehen die über Jahrzehnte vergessenen und nun wieder gefundenen Fasnachtsfresken, ein Ausdruck des Lebensgefühls des Malers in den Jahren nach dem Krieg.
Andrea Dix: "Ich glaube, er hatte schon Spaß an der Fastnacht, weil ihm das auch mal wichtig war, die Menschen in einem entfesselten Zustand zu sehen. Das war ihm immer wichtig. Und deswegen waren für ihn ja auch die Kriegserlebnisse so bedeutsam. Und die Fastnacht ist ja auch eine gewisse Entfesselung. Und den Menschen so zu erleben, wie er auch wirklich ist, wenn er nicht gehemmt ist, das fand er interessant. Das hat ihn einfach interessiert."
Auf den ersten Blick sind die Dix’schen Fastnachtsfresken nicht viel mehr als ein Dekorationselement für einen Partykeller. Doch das wird diesen Arbeiten nach Ansicht von Andrea Dix nicht gerecht.
"Auf jeden Fall vertieft das diese Facette mit der Fastnacht. Also er hat sich ja mit der Fastnacht viel beschäftigt. Immer wieder taucht das auf: Gerade nach dem Krieg gab es dann auch so Fastnacht in Trümmern. Dann hat er ja auch in seinen ‚Sieben Todsünden‘ so einen Fastnachtsauftritt geschaffen. Die sieben Todsünden sind ja alle verkleidet. Das ist wie so ein Fastnachtsumzug."
Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, geht noch einen Schritt weiter. Das Kunstmuseum betreut das Otto-Dix-Haus konzeptionell, deshalb hat sich die Direktorin intensiv mit den Fresken beschäftigt:
"Es sind sehr viele Fantasiefiguren, die er dort zeigt. Es sind Motive aus der alemannischen Fastnacht: Es ist dieses Urtier, dieses Phantasietier, dieser Drache, der am Ende von seinen schlangenförmigen Trompeten verschiedene Jazzinstrumente trägt, quasi eine ganze Band bildet. Und das ist eben auch das Schöne an diesen Malereien, dass man sehr viel über die Familie Dix erfährt: Der Vater Otto Dix und auch der Sohn Jan Dix waren sehr begeisterte Jazz-Anhänger. Und das hat in solch einer Malerei Ausdruck gefunden."
Doch nicht nur die Liebe von Vater und Sohn Dix zum Jazz spiegelt sich in den Fastnachtsfresken wieder. In einer anderen Freske hat Ulrike Groos sogar ein Zitat aus einem Film entdeckt:
"Es gibt ja eine sehr schöne Wand, wo verschiedene Füße zu sehen sind mit rot eingefärbten Zehen und Sohlen. Und da hat sich Jan Dix, der Sohn, eben erinnert, dass es ein Film gibt von 1958, ‚Des Pudels Kern‘, im dem Alec Guiness einen Maler spielt, der nur Füße malt. Und das ist natürlich für uns jetzt auch kunsthistorisch sehr interessant, also dieser Ikonografie, diesen Inhalten der Bilder nachzugehen und zu sehen, warum ist das entstanden zu welchem Zweck und was waren die Anregungen dafür."
Will heißen: In den Fastnachtsfresken von Otto Dix sind aller Wahrscheinlichkeit nach viel mehr Anspielungen und Zitate enthalten, als dies der erste Anschein vermuten lässt. Neben der Renovierung des Otto-Dix-Hauses, das im Juni als Museum wiedereröffnet werden soll, konzentrieren sich die Experten des Stuttgarter Kunstmuseums deshalb verstärkt auf Erforschung und Konservierung der Fresken.
"Also wir erforschen die jetzt erst einmal. Es werden jetzt Restauratoren vor Ort sein, um natürlich auch die Technik zu analysieren. Wir müssen natürlich auch sehen, wie die Haltbarkeit jetzt auch weiterhin gewährleistet ist. Das gute war, dass wir aber auch im Keller jetzt schon klimatisch vorgesorgt haben, damit jetzt auch wirklich optimale Bedingungen für diese Bilder herrschen. Und wir möchten natürlich, dass diese Bilder auch zugänglich sind. Das wird wahrscheinlich im Rahmen von gesonderten Führungen, Ausstellungen, Begleitungen möglich sein. Denn es ist ja eine ganz tolle Überraschung und wirklich eine Bereicherung für dieses Haus."
Mehr bei dradio.de:
Sonnenaufgang in Dresden
Wie die Städtische Galerie "ihren" Otto Dix zurückgewann
Zum Kotzen schön
Otto-Dix-Haus am Bodensee kann saniert werden
Der Menschensammler
Otto-Dix-Ausstellung in Stuttgart