Die vergessene Ressource
Durch Erosion und Versiegelung entsteht jedes Jahr ein Verlust von Milliarden Tonnen Boden, sagt der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Dadurch bleibe immer weniger landwirtschaftliche Anbaufläche. Zudem seien Böden zentrale Kohlenstoffspeicher und damit wichtig im Kampf gegen den Klimawandel.
Joachim Scholl: 90 Prozent der Nahrungsmittel kommen aus der Erde. Eine unverzichtbare Ressource, die wie Wasser und Luft ebenfalls stark gefährdet ist. Davon hört man allerdings viel zu wenig. Genau zu diesem Thema tagen seit gestern 300 Experten auf der Global Soil Week, unter ihnen auch Klaus Töpfer vom Institute for Advanced Sustainability in Potsdam. Mit ihm sind wir jetzt auf der Konferenz verbunden, ich grüße Sie, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Tag!
Scholl: 24 Milliarden Tonnen Boden gehen jährlich verloren. Es ist eine unvorstellbare Zahl. Was passiert da, wodurch wird so viel wertvoller Mutterboden unbrauchbar?
Töpfer: Es sind vor allen Dingen sogenannte Erosionsvorgänge, die dafür verantwortlich sind. Das heißt, wenn die Flächen, die Böden nicht vernünftig geschützt sind etwa durch darauf wachsendes Gras oder andere Produkte, dann werden sie durch starke Regenfälle abgeschwemmt oder sie werden durch starken Wind weggeweht. Das ist diese große, große Problematik der Erosion, die wir weltweit haben, in besonderer Weise natürlich in afrikanischen Gebieten, aber auch in China, in Indien. Wenn Sie so wollen, eines der wirklich zentralen Probleme für diesen großen Bodenverlust.
Hinzu kommt natürlich, dass die Bevölkerung weiter wächst, dass unsere Städte vor allen Dingen deutlich weiter wachsen. Selbst in Deutschland versegeln wir pro Tag noch fast 70 Hektar Fläche, die eben als produktiver Boden nicht mehr zur Verfügung steht, für Infrastruktur, für Straßen, für Wohn- und für Industrieregionen. Also, das ist der zweite große Ansatz. Und drittens, wir kriegen immer sehr viele Kontamination, also Belastung von Böden, die sie nicht mehr für die landwirtschaftliche Produktion befähigen. Alles dies in einer Welt, in der wir auf bald neun Milliarden Menschen ansteigen werden, die alle satt werden wollen, und wir gleichzeitig verfolgen müssen, dass sich die Essweise, die Diät der einzelnen Menschen in der Welt immer mehr unseren annähern, also sehr viel mehr Fleisch, sehr viel mehr Milchprodukte, und damit sehr viel mehr Flächen, die dafür erforderlich sind, um das alles zu produzieren. Also, es ist schon überraschend, dass man dieses Thema so lange so stiefmütterlich behandelt.
Scholl: Ja, danach wollte ich Sie gerade fragen, Herr Töpfer: Ich meine, haben wir uns zu lange auf die Luft, auf das Wasser konzentriert und ja den Boden buchstäblich unter unseren Füßen verloren? Sie haben mal gesagt, die Böden sind das vergessene Medium der Umweltpolitik. Wie kann das denn eigentlich sein, wo jeder Mensch doch weiß, wenn er sozusagen eine Kartoffel auf dem Teller hat, woher die kommt?
Töpfer: Ja, wissen Sie, bei Wasser zum Beispiel sieht man das sehr viel unmittelbarer. Man weiß, wenn da die Zahl der Menschen, die Wasser brauchen, ansteigt, wenn mehr landwirtschaftliche Produkte erzeugt werden müssen, da braucht man Wasser. Und da gibt es die Besorgnis, dass die nächsten Kriege um Wasser stattfinden. Boden ist eine schleichende Veränderung. Das sieht man nicht im ersten und zweiten Jahr, man sieht es nur dann, wenn es eigentlich zu spät ist. Denn im Gegensatz zu Wasser, wenn das belastet ist, kontaminiert ist, kann man das wieder reinigen. Das kostet zwar Geld, aber man kann es machen.
Böden, die einmal weg sind, kann man nicht wieder rausholen und wieder dann reinigen der irgendwie so aufbereiten, dass sie wieder produktiv werden. Also, es ist tatsächlich das Thema Boden hinter den anderen in die Umweltpolitik sehr stark eingebundenen Fragen, auch der Artenvielfalt oder der Ozeane, ein gut Stück vergessen worden und es wird allerallerhöchste Zeit, dass wir daran arbeiten, das wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Denn nur, wenn es dort ist, wird es am Ende auf den Tischen der Politiker landen.müsse
Scholl: Was sind denn die Folgen dieses Verlusts, Herr Töpfer? Man könnte ja naiv sagen, ja, es wird doch noch immer genug Nahrung produziert?
Töpfer: Ja, da muss man ja auch schon fast ein kleines Fragezeichen dahinter setzen! Sehen Sie, ich bin auch Vizepräsident der Welthungerhilfe und ich weiß, welche großen Schwierigkeiten es zunehmend gibt, eine wachsende Zahl hinreichend und so zu ernähren, dass die Gesundheit der Menschen erhalten bleibt. Also, dass auch die Nährstoffe so sind, wie sie sein müssen für ein gesundes Leben. Wir sehen, dass auf landwirtschaftliche Produkte spekuliert wird, dass die Preise sich deutlich verändern und dass wir dadurch bis hin zu Revolten in einzelnen Ländern der südlichen Halbkugel gekommen sind. Das war in diesem Jahr nicht so, aber es war nicht lange vorher der Fall. Also, die Tatsache, dass wir noch alle satt werden, dass wir sogar in einer Situation sind wie hier in Deutschland, dass wir jährlich fast 20 Millionen Tonnen Lebensmittel wegschmeißen, sollte uns nicht übersehen lassen, dass die Böden geringer werden, die Quadratmeterzahl an Böden pro Kopf der Bevölkerung ist drastisch zurückgegangen. Und man kann ja nicht immer erst handeln, wenn Hunger und wirklich konkrete Not bei vielen Menschen anfängt. Wobei – noch mal darauf hingewiesen – wir fast über eine Milliarde Menschen haben, die hungrig zu Bett gehen. Also, da gibt es schon noch dringliche Produktionsnotwendigkeiten. Das ist nicht eine hergeredete Problematik, sondern das ist eine ganz, ganz ernst zu nehmende Schwierigkeit, wie können wir unsere Böden so retten, dass sie auch für die Zukunft verfügbar und produktiv bleiben!
Scholl: Für die Rettung des Mutterbodens und seine nachhaltige Bewirtschaftung, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem früheren Umweltminister Klaus Töpfer. Die Böden, Herr Töpfer, sind ja auch wichtige Speicher für Kohlenstoff. Das heißt, hier gibt es auch eine gefährliche Verbindung zum Klimawandel. Wie wirkt sich das aus, wenn immer mehr Boden verloren geht?
Töpfer: Also, Sie haben völlig recht, wir können nicht nur auf die Seite der Nahrungsmittel sehen. In den Böden der Welt ist mehr Kohlenstoff gespeichert als in der Atmosphäre und den Wäldern zusammengenommen. Das ist der zentrale Kohlenstoffspeicher. Und es müssen solche Böden sein, die lebendig sind. Wir haben ja außerordentlich viel Lebewesen in den Böden, die ja auch dadurch wiederum eine Aufnahme von CO2 garantieren. Dort, wo Böden nicht mehr produktiv sein können, wo sie ausgelaugt sind, wo sie belastet sind oder wo sie ganz verschwunden sind, fehlt ein wichtiger Speicher für Kohlenstoff und damit eine wichtige zusätzliche Problematik für den Klimawandel.
Scholl: Sie sagten vorhin schon, dass diese Bodenerosion vor allem in Afrika sich ereignet, man hört aber auch von Brasilien. Was tun die Länder dagegen oder was können sie dagegen tun? Gibt es denn auch schon das entsprechende Bewusstsein für diese Problematik, dass also hier dagegen gesteuert wird?
Töpfer: Sie sagten ja am Anfang schon, dass dieses Bewusstsein hinter anderen Problemen wirklich verkümmert ist. Langsam, langsam kommt man jetzt zu der Überzeugung, dass eine Politik, die die Stabilität der Böden nicht beachtet, eine sehr, sehr schlechte Politik ist. Das Bewusstsein bei den Menschen wird stärker und es ist deswegen sehr gut, dass wir das jetzt hiermit unterstützen können. Es ist ja das erste Mal, dass wir von diesem neuen Institut, das sich gründen konnte, so eine Global Soil Week, also eine weltweite Woche für Böden machen können. Wir haben, wie gesagt, Teilnehmer aus über 60 Nationen hier, ist wirklich eine globale Konferenz mit über 400 Teilnehmern. Hätten wir nie geglaubt, dass es so viel werden würden. Das zeigt wiederum, jawohl, das Bewusstsein steigt deutlich an und die Leute werden unruhig, sie fragen sich, was können wir tun, um diese Entwicklung zu stoppen!
Scholl: Sind denn die reichen, die westlichen Länder bereit, hier den ärmeren zu helfen? Gibt es hier Möglichkeiten? Auf der Konferenz jetzt der Global Soil Week soll ein Aktionsplan erstellt werden, wie könnte, wie sollte der aussehen?
Töpfer: Wir wollen wieder nicht zu anspruchsvoll sein. Wir wollen damit anfangen, einen wirklich vernünftigen Aktionsplan auch zu entwickeln, das kann man nicht nach zweieinhalb Tagen abschließend vorlegen. Aber die Baustellen darin, die sind schon sehr klar. Sehen Sie, wir können und wir müssen natürlich zusammenarbeiten etwa in den Bereichen, wie kann man landwirtschaftliche Produktion wirklich in guter Weise und auch quantitativ hinreichend erstellen, ohne die Böden auszulaugen? Was können wir tun, um die Lebendigkeit der Böden zu erhalten, sodass sie als Kohlenstoffspeicher der Klimapolitik wirklich zur Verfügung stehen? Was ist zu vermeiden, dass nicht durch Änderung der Landnutzung die Erosion geradezu einen gewaltigen Vorschub bekommen hat?
Also, solche Dinge stehen alle in der Agenda und werden hier in kleinen Arbeitsgruppen aufgearbeitet. Wir sind da sehr davon überzeugt, dass wir hier nicht eine Konferenz machen sollen, indem man permanent im Plenum sitzt und da bedeutsame Reden hört, sondern dass wir in kleinen Gruppen zusammensitzen müssen, einzelne Themen, die ich gerade genannt habe, zu bearbeiten, und am Ende sagen können, dort fehlt jenes und dort viel hier ... wissenschaftliche Kapazität, dort fehlt die Ausbildung von Menschen, was ganz, ganz wichtig ist. Und auf der anderen Seite wissen wir, dass wir weiterkommen müssen. Also ja, es geht aufs Handeln, es geht auf die Frage, was können wir gemeinsam machen. Das ist sicherlich in gar keiner Weise in allererster Linie eine finanzielle Zusammenarbeit, so wichtig die auch sein mag, sondern das ist eine Zusammenarbeit der Herausarbeitung von Lösungen und der Ausbildung von Menschen.
Scholl: Zum Schluss, Herr Töpfer, möchten wir noch mal auf das zurückkommen, was Sie eingangs erwähnten: Auch unser Konsumverhalten trägt dazu bei. Also, weniger Fleisch essen heißt Boden retten?
Töpfer: Ja, das ist völlig richtig. Wir werden morgen Abend alle Teilnehmer zu einem Abendessen bringen, das von der ja wirklich sehr bekannten Sterneköchin Sarah Wiener gemacht wird. Ich werde auch mit kochen, also, ich will ja auch abschrecken, dass nicht zu viele hinkommen! Und Sarah Wiener hat die Aufgabe zu sagen, wie können wir bodensparend unseren Speiseplan gestalten. Wir werden das zeigen, wie viel Böden braucht man, um ein Steak zu produzieren, und wie viel, dass sämtliche Getreide angebaut werden. Um mal klarzumachen, dass in der Essweise sehr viel Konsequenzen auch für die Böden dabei sind. Unsere Essweise ist sehr energieintensiv, sehr wasserintensiv und leider zusätzlich auch noch stärker bodenintensiv.
Scholl: Auf der Global Soil Week wird über die Rettung des Bodens diskutiert. Die Konferenz geht noch bis zum Wochenende. Und das war Klaus Töpfer, früherer Umweltminister, und heute ist er Direktor beim Institut für Nachhaltigkeitsstudien in Potsdam. Ich danke Ihnen, Herr Töpfer, und viel Erfolg für die Konferenz!
Töpfer: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, alles Gute für Sie!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Tag!
Scholl: 24 Milliarden Tonnen Boden gehen jährlich verloren. Es ist eine unvorstellbare Zahl. Was passiert da, wodurch wird so viel wertvoller Mutterboden unbrauchbar?
Töpfer: Es sind vor allen Dingen sogenannte Erosionsvorgänge, die dafür verantwortlich sind. Das heißt, wenn die Flächen, die Böden nicht vernünftig geschützt sind etwa durch darauf wachsendes Gras oder andere Produkte, dann werden sie durch starke Regenfälle abgeschwemmt oder sie werden durch starken Wind weggeweht. Das ist diese große, große Problematik der Erosion, die wir weltweit haben, in besonderer Weise natürlich in afrikanischen Gebieten, aber auch in China, in Indien. Wenn Sie so wollen, eines der wirklich zentralen Probleme für diesen großen Bodenverlust.
Hinzu kommt natürlich, dass die Bevölkerung weiter wächst, dass unsere Städte vor allen Dingen deutlich weiter wachsen. Selbst in Deutschland versegeln wir pro Tag noch fast 70 Hektar Fläche, die eben als produktiver Boden nicht mehr zur Verfügung steht, für Infrastruktur, für Straßen, für Wohn- und für Industrieregionen. Also, das ist der zweite große Ansatz. Und drittens, wir kriegen immer sehr viele Kontamination, also Belastung von Böden, die sie nicht mehr für die landwirtschaftliche Produktion befähigen. Alles dies in einer Welt, in der wir auf bald neun Milliarden Menschen ansteigen werden, die alle satt werden wollen, und wir gleichzeitig verfolgen müssen, dass sich die Essweise, die Diät der einzelnen Menschen in der Welt immer mehr unseren annähern, also sehr viel mehr Fleisch, sehr viel mehr Milchprodukte, und damit sehr viel mehr Flächen, die dafür erforderlich sind, um das alles zu produzieren. Also, es ist schon überraschend, dass man dieses Thema so lange so stiefmütterlich behandelt.
Scholl: Ja, danach wollte ich Sie gerade fragen, Herr Töpfer: Ich meine, haben wir uns zu lange auf die Luft, auf das Wasser konzentriert und ja den Boden buchstäblich unter unseren Füßen verloren? Sie haben mal gesagt, die Böden sind das vergessene Medium der Umweltpolitik. Wie kann das denn eigentlich sein, wo jeder Mensch doch weiß, wenn er sozusagen eine Kartoffel auf dem Teller hat, woher die kommt?
Töpfer: Ja, wissen Sie, bei Wasser zum Beispiel sieht man das sehr viel unmittelbarer. Man weiß, wenn da die Zahl der Menschen, die Wasser brauchen, ansteigt, wenn mehr landwirtschaftliche Produkte erzeugt werden müssen, da braucht man Wasser. Und da gibt es die Besorgnis, dass die nächsten Kriege um Wasser stattfinden. Boden ist eine schleichende Veränderung. Das sieht man nicht im ersten und zweiten Jahr, man sieht es nur dann, wenn es eigentlich zu spät ist. Denn im Gegensatz zu Wasser, wenn das belastet ist, kontaminiert ist, kann man das wieder reinigen. Das kostet zwar Geld, aber man kann es machen.
Böden, die einmal weg sind, kann man nicht wieder rausholen und wieder dann reinigen der irgendwie so aufbereiten, dass sie wieder produktiv werden. Also, es ist tatsächlich das Thema Boden hinter den anderen in die Umweltpolitik sehr stark eingebundenen Fragen, auch der Artenvielfalt oder der Ozeane, ein gut Stück vergessen worden und es wird allerallerhöchste Zeit, dass wir daran arbeiten, das wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Denn nur, wenn es dort ist, wird es am Ende auf den Tischen der Politiker landen.müsse
Scholl: Was sind denn die Folgen dieses Verlusts, Herr Töpfer? Man könnte ja naiv sagen, ja, es wird doch noch immer genug Nahrung produziert?
Töpfer: Ja, da muss man ja auch schon fast ein kleines Fragezeichen dahinter setzen! Sehen Sie, ich bin auch Vizepräsident der Welthungerhilfe und ich weiß, welche großen Schwierigkeiten es zunehmend gibt, eine wachsende Zahl hinreichend und so zu ernähren, dass die Gesundheit der Menschen erhalten bleibt. Also, dass auch die Nährstoffe so sind, wie sie sein müssen für ein gesundes Leben. Wir sehen, dass auf landwirtschaftliche Produkte spekuliert wird, dass die Preise sich deutlich verändern und dass wir dadurch bis hin zu Revolten in einzelnen Ländern der südlichen Halbkugel gekommen sind. Das war in diesem Jahr nicht so, aber es war nicht lange vorher der Fall. Also, die Tatsache, dass wir noch alle satt werden, dass wir sogar in einer Situation sind wie hier in Deutschland, dass wir jährlich fast 20 Millionen Tonnen Lebensmittel wegschmeißen, sollte uns nicht übersehen lassen, dass die Böden geringer werden, die Quadratmeterzahl an Böden pro Kopf der Bevölkerung ist drastisch zurückgegangen. Und man kann ja nicht immer erst handeln, wenn Hunger und wirklich konkrete Not bei vielen Menschen anfängt. Wobei – noch mal darauf hingewiesen – wir fast über eine Milliarde Menschen haben, die hungrig zu Bett gehen. Also, da gibt es schon noch dringliche Produktionsnotwendigkeiten. Das ist nicht eine hergeredete Problematik, sondern das ist eine ganz, ganz ernst zu nehmende Schwierigkeit, wie können wir unsere Böden so retten, dass sie auch für die Zukunft verfügbar und produktiv bleiben!
Scholl: Für die Rettung des Mutterbodens und seine nachhaltige Bewirtschaftung, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem früheren Umweltminister Klaus Töpfer. Die Böden, Herr Töpfer, sind ja auch wichtige Speicher für Kohlenstoff. Das heißt, hier gibt es auch eine gefährliche Verbindung zum Klimawandel. Wie wirkt sich das aus, wenn immer mehr Boden verloren geht?
Töpfer: Also, Sie haben völlig recht, wir können nicht nur auf die Seite der Nahrungsmittel sehen. In den Böden der Welt ist mehr Kohlenstoff gespeichert als in der Atmosphäre und den Wäldern zusammengenommen. Das ist der zentrale Kohlenstoffspeicher. Und es müssen solche Böden sein, die lebendig sind. Wir haben ja außerordentlich viel Lebewesen in den Böden, die ja auch dadurch wiederum eine Aufnahme von CO2 garantieren. Dort, wo Böden nicht mehr produktiv sein können, wo sie ausgelaugt sind, wo sie belastet sind oder wo sie ganz verschwunden sind, fehlt ein wichtiger Speicher für Kohlenstoff und damit eine wichtige zusätzliche Problematik für den Klimawandel.
Scholl: Sie sagten vorhin schon, dass diese Bodenerosion vor allem in Afrika sich ereignet, man hört aber auch von Brasilien. Was tun die Länder dagegen oder was können sie dagegen tun? Gibt es denn auch schon das entsprechende Bewusstsein für diese Problematik, dass also hier dagegen gesteuert wird?
Töpfer: Sie sagten ja am Anfang schon, dass dieses Bewusstsein hinter anderen Problemen wirklich verkümmert ist. Langsam, langsam kommt man jetzt zu der Überzeugung, dass eine Politik, die die Stabilität der Böden nicht beachtet, eine sehr, sehr schlechte Politik ist. Das Bewusstsein bei den Menschen wird stärker und es ist deswegen sehr gut, dass wir das jetzt hiermit unterstützen können. Es ist ja das erste Mal, dass wir von diesem neuen Institut, das sich gründen konnte, so eine Global Soil Week, also eine weltweite Woche für Böden machen können. Wir haben, wie gesagt, Teilnehmer aus über 60 Nationen hier, ist wirklich eine globale Konferenz mit über 400 Teilnehmern. Hätten wir nie geglaubt, dass es so viel werden würden. Das zeigt wiederum, jawohl, das Bewusstsein steigt deutlich an und die Leute werden unruhig, sie fragen sich, was können wir tun, um diese Entwicklung zu stoppen!
Scholl: Sind denn die reichen, die westlichen Länder bereit, hier den ärmeren zu helfen? Gibt es hier Möglichkeiten? Auf der Konferenz jetzt der Global Soil Week soll ein Aktionsplan erstellt werden, wie könnte, wie sollte der aussehen?
Töpfer: Wir wollen wieder nicht zu anspruchsvoll sein. Wir wollen damit anfangen, einen wirklich vernünftigen Aktionsplan auch zu entwickeln, das kann man nicht nach zweieinhalb Tagen abschließend vorlegen. Aber die Baustellen darin, die sind schon sehr klar. Sehen Sie, wir können und wir müssen natürlich zusammenarbeiten etwa in den Bereichen, wie kann man landwirtschaftliche Produktion wirklich in guter Weise und auch quantitativ hinreichend erstellen, ohne die Böden auszulaugen? Was können wir tun, um die Lebendigkeit der Böden zu erhalten, sodass sie als Kohlenstoffspeicher der Klimapolitik wirklich zur Verfügung stehen? Was ist zu vermeiden, dass nicht durch Änderung der Landnutzung die Erosion geradezu einen gewaltigen Vorschub bekommen hat?
Also, solche Dinge stehen alle in der Agenda und werden hier in kleinen Arbeitsgruppen aufgearbeitet. Wir sind da sehr davon überzeugt, dass wir hier nicht eine Konferenz machen sollen, indem man permanent im Plenum sitzt und da bedeutsame Reden hört, sondern dass wir in kleinen Gruppen zusammensitzen müssen, einzelne Themen, die ich gerade genannt habe, zu bearbeiten, und am Ende sagen können, dort fehlt jenes und dort viel hier ... wissenschaftliche Kapazität, dort fehlt die Ausbildung von Menschen, was ganz, ganz wichtig ist. Und auf der anderen Seite wissen wir, dass wir weiterkommen müssen. Also ja, es geht aufs Handeln, es geht auf die Frage, was können wir gemeinsam machen. Das ist sicherlich in gar keiner Weise in allererster Linie eine finanzielle Zusammenarbeit, so wichtig die auch sein mag, sondern das ist eine Zusammenarbeit der Herausarbeitung von Lösungen und der Ausbildung von Menschen.
Scholl: Zum Schluss, Herr Töpfer, möchten wir noch mal auf das zurückkommen, was Sie eingangs erwähnten: Auch unser Konsumverhalten trägt dazu bei. Also, weniger Fleisch essen heißt Boden retten?
Töpfer: Ja, das ist völlig richtig. Wir werden morgen Abend alle Teilnehmer zu einem Abendessen bringen, das von der ja wirklich sehr bekannten Sterneköchin Sarah Wiener gemacht wird. Ich werde auch mit kochen, also, ich will ja auch abschrecken, dass nicht zu viele hinkommen! Und Sarah Wiener hat die Aufgabe zu sagen, wie können wir bodensparend unseren Speiseplan gestalten. Wir werden das zeigen, wie viel Böden braucht man, um ein Steak zu produzieren, und wie viel, dass sämtliche Getreide angebaut werden. Um mal klarzumachen, dass in der Essweise sehr viel Konsequenzen auch für die Böden dabei sind. Unsere Essweise ist sehr energieintensiv, sehr wasserintensiv und leider zusätzlich auch noch stärker bodenintensiv.
Scholl: Auf der Global Soil Week wird über die Rettung des Bodens diskutiert. Die Konferenz geht noch bis zum Wochenende. Und das war Klaus Töpfer, früherer Umweltminister, und heute ist er Direktor beim Institut für Nachhaltigkeitsstudien in Potsdam. Ich danke Ihnen, Herr Töpfer, und viel Erfolg für die Konferenz!
Töpfer: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, alles Gute für Sie!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.