Die Vermessung der Welt
"3D" – das ist derzeit der ganz große Trend, so etwas wie das Zauberwort der Zukunft. In Karlsruhe treffen sich 3D-Experten aus aller Welt beim Festival "Beyond". Forscher, Filmemacher und Künstler sind dazu aus der ganzen Welt angereist.
Computerspielen kann zum Wahnsinn führen, wir haben es geahnt. Der Warnhinweis steht ganz ohne Witz auf einer Vitrine. Darin liegt ein goldfarbener Helm, der mit einem dicken Datenschlauch versehen ist und aussieht wie ein nachgebasteltes Requisit aus einem Science-Fiction-Film. Doch nein, versichert Jens Stober, der daneben an seinen Laptops hantiert, das Schaustück ist kein Scherz.
"Wir haben hier den Prototyp eines Helmes, der die Gehirnwellen analysiert und in Kombination mit einem Spiel dann den Spieler dazu verleitet, gegen sein Unterbewusstsein anzutreten. Also man spielt bewusst ein Spiel gegen sein Unterbewusstsein."
Im Spiel, in virtuellen Welten, gegen jemanden anzutreten, der man selbst ist, den man aber gar nicht kennt – was dabei im Gehirn passiert, weiß der junge Forscher, der in Australien lebt und damit seine Doktorarbeit macht, auch noch nicht. Doch wie sich die digitale Technik in Bereiche vortastet, die vor kurzem noch undenkbar schienen, ist schon Wahnsinn.
Das Festival ist voll von solch verstörenden und faszinierenden Erfindungen und Inszenierungen. Der größte Schöpfer ist mal wieder ZKM-Chef Peter Weibel selbst, der sich – ungeniert wie immer – auf seinem eigenen Festival prominent in Szene setzt, indem er, unterstützt von vielen Helfern, am Eröffnungsabend als Regisseur mit einer 3D-Oper eine Art Schöpfungsgeschichte des Universums zur Uraufführung brachte: "The Origin of Noise – The Noise of Origin".
Eine gute Stunde rauschender Lärm und synthetische Sphärenklänge, optisch untermalt von computergenerierten Formen, die dem 3D-bebrillten Publikum aggressiv direkt vor der Nase herumtanzen – eine durchaus beeindruckende Strapaze für die Sinne. Aber Kunst, sagt Weibel über seine ästhetische Attacke, sei schließlich dazu da, die Sinne zu überfordern.
"Das Rauschen ist das Gegenteil von Melodie und von Rhythmus. Es ist ein sehr starkes sinnliches Erlebnis. Aber es erzeugt tatsächlich einen Rausch, wenn jemand das über sich ergehen lässt, diese Attacken, akustische, visuelle Attacken, dass er in eine Ekstase gerät, in einen Rausch."
Wenn wir schon beim Universum sind: Demnächst wird man in der Lage sein, so hört man hier, unseren gesamten Planeten dreidimensional zu scannen. Eine irgendwie beunruhigende Nachricht: schon jetzt, heißt es, kann man ganze Großstädte mit einem einzigen Scan plastisch erfassen – interessante Perspektiven für das Militär. "Google Streetview" ist Pippikram gegen die Vermessung der Welt. Und wem die Daten des Planeten gehören, muss dann wohl auch militärisch geklärt werden.
Was dagegen im Kino passiert, ist relativ beschaulich. Rund fünfzig 3D-Kurzfilme konkurrierten heute Nachmittag nonstop um den Filmpreis des Festivals, der morgen Abend vergeben wird. Die Effekte werden immer raffinierter, die Stories aber hinken der Technik oft noch hinterher.
"Wir haben hier den Prototyp eines Helmes, der die Gehirnwellen analysiert und in Kombination mit einem Spiel dann den Spieler dazu verleitet, gegen sein Unterbewusstsein anzutreten. Also man spielt bewusst ein Spiel gegen sein Unterbewusstsein."
Im Spiel, in virtuellen Welten, gegen jemanden anzutreten, der man selbst ist, den man aber gar nicht kennt – was dabei im Gehirn passiert, weiß der junge Forscher, der in Australien lebt und damit seine Doktorarbeit macht, auch noch nicht. Doch wie sich die digitale Technik in Bereiche vortastet, die vor kurzem noch undenkbar schienen, ist schon Wahnsinn.
Das Festival ist voll von solch verstörenden und faszinierenden Erfindungen und Inszenierungen. Der größte Schöpfer ist mal wieder ZKM-Chef Peter Weibel selbst, der sich – ungeniert wie immer – auf seinem eigenen Festival prominent in Szene setzt, indem er, unterstützt von vielen Helfern, am Eröffnungsabend als Regisseur mit einer 3D-Oper eine Art Schöpfungsgeschichte des Universums zur Uraufführung brachte: "The Origin of Noise – The Noise of Origin".
Eine gute Stunde rauschender Lärm und synthetische Sphärenklänge, optisch untermalt von computergenerierten Formen, die dem 3D-bebrillten Publikum aggressiv direkt vor der Nase herumtanzen – eine durchaus beeindruckende Strapaze für die Sinne. Aber Kunst, sagt Weibel über seine ästhetische Attacke, sei schließlich dazu da, die Sinne zu überfordern.
"Das Rauschen ist das Gegenteil von Melodie und von Rhythmus. Es ist ein sehr starkes sinnliches Erlebnis. Aber es erzeugt tatsächlich einen Rausch, wenn jemand das über sich ergehen lässt, diese Attacken, akustische, visuelle Attacken, dass er in eine Ekstase gerät, in einen Rausch."
Wenn wir schon beim Universum sind: Demnächst wird man in der Lage sein, so hört man hier, unseren gesamten Planeten dreidimensional zu scannen. Eine irgendwie beunruhigende Nachricht: schon jetzt, heißt es, kann man ganze Großstädte mit einem einzigen Scan plastisch erfassen – interessante Perspektiven für das Militär. "Google Streetview" ist Pippikram gegen die Vermessung der Welt. Und wem die Daten des Planeten gehören, muss dann wohl auch militärisch geklärt werden.
Was dagegen im Kino passiert, ist relativ beschaulich. Rund fünfzig 3D-Kurzfilme konkurrierten heute Nachmittag nonstop um den Filmpreis des Festivals, der morgen Abend vergeben wird. Die Effekte werden immer raffinierter, die Stories aber hinken der Technik oft noch hinterher.
3D-Brillen bald obsolet
Noch läuft das Publikum mit den ebenso lästigen wie lächerlichen 3D-Brillen herum, doch die sind demnächst obsolet. Spezialfirmen stellen neueste Trends und Produkte vor: autostereoskopische Bildschirme, 3D-Drucker, 3D-Scanner, Spezialkameras und Projektoren, aber auch Geschäftsfelder für teils beängstigende Visionen.
Und wer noch nie gesehen hat, wie die sogenannten 3D-Drucker arbeiten, die ja eigentlich nicht drucken, sondern plastische Gebilde Schicht für Schicht aufbauen, der kann ganz angstfrei zuschauen, was Juan Pedraza von der Hochschule für Gestaltung und seine Kommilitonen damit machen.
"Es gibt hier zu sehen gewisse Schaustücke, wie diese Banjo-Ukulele, die ich in meinen Händen trage. Die ist zwar verstimmt, aber funktioniert einwandfrei. Oder wie Sie hier vorne sehen, diese Vasen und die Zitronenpresse. Es gibt etliche unterschiedliche Sachen, die wir mit den 3D-Druckern machen können. Ja, so gut wie jeder könnte das lernen."
Die jungen Gestalter wollen noch während des Festivals einen 3D-Drucker drucken, also ein Gerät, das sich selbst repliziert hat. Es geht auch größer: Im nächsten Jahr wird der niederländische Architekt Janjaap Ru-ijssenaars ein komplettes Haus aus dem Drucker lassen.
Derweil erörtern hier auf zahlreichen Symposien Spezialisten die Anwendungen und Auswirkungen der neuesten 3D-Technologie, etwa im medizinischen Bereich zur Tumorbehandlung. Und bald wird man defekte Organe scannen und durch ausgedruckte Biomasse aus körpereigenen Stammzellen reparieren können. Steroskopische Filme werden demnächst auch den Tastsinn simulieren können, die virtuelle Wirklichkeit wird damit greifbar. Es sind Technologien, die in den nächsten Jahren unser ganzes Bewusstsein von der Welt umkrempeln werden.
Noch ist es nicht so weit, noch scheint die Welt so, wie sie ist. Doch sie wird radikal anders werden, und zwar ziemlich bald. Ob sie auch besser wird, ist die Frage. Aber die Debatte darüber, wie wir damit umgehen, hat noch gar nicht begonnen.
Das 3D-Festival Beyond läuft in Karlsruhe vom 3. bis zum 6. Oktober 2013.
Und wer noch nie gesehen hat, wie die sogenannten 3D-Drucker arbeiten, die ja eigentlich nicht drucken, sondern plastische Gebilde Schicht für Schicht aufbauen, der kann ganz angstfrei zuschauen, was Juan Pedraza von der Hochschule für Gestaltung und seine Kommilitonen damit machen.
"Es gibt hier zu sehen gewisse Schaustücke, wie diese Banjo-Ukulele, die ich in meinen Händen trage. Die ist zwar verstimmt, aber funktioniert einwandfrei. Oder wie Sie hier vorne sehen, diese Vasen und die Zitronenpresse. Es gibt etliche unterschiedliche Sachen, die wir mit den 3D-Druckern machen können. Ja, so gut wie jeder könnte das lernen."
Die jungen Gestalter wollen noch während des Festivals einen 3D-Drucker drucken, also ein Gerät, das sich selbst repliziert hat. Es geht auch größer: Im nächsten Jahr wird der niederländische Architekt Janjaap Ru-ijssenaars ein komplettes Haus aus dem Drucker lassen.
Derweil erörtern hier auf zahlreichen Symposien Spezialisten die Anwendungen und Auswirkungen der neuesten 3D-Technologie, etwa im medizinischen Bereich zur Tumorbehandlung. Und bald wird man defekte Organe scannen und durch ausgedruckte Biomasse aus körpereigenen Stammzellen reparieren können. Steroskopische Filme werden demnächst auch den Tastsinn simulieren können, die virtuelle Wirklichkeit wird damit greifbar. Es sind Technologien, die in den nächsten Jahren unser ganzes Bewusstsein von der Welt umkrempeln werden.
Noch ist es nicht so weit, noch scheint die Welt so, wie sie ist. Doch sie wird radikal anders werden, und zwar ziemlich bald. Ob sie auch besser wird, ist die Frage. Aber die Debatte darüber, wie wir damit umgehen, hat noch gar nicht begonnen.
Das 3D-Festival Beyond läuft in Karlsruhe vom 3. bis zum 6. Oktober 2013.