Die Verschmutzung der Köpfe unserer Kinder
Sexualität kommt aus der Mode. So lauten alle einschlägigen Untersuchungen, das berichten Paar- und Psychotherapeuten. Viele 25-Jährige haben noch niemals Sex gehabt. In Amerika gibt es die neue, christlich untermauerte Bewegung, jungfräulich in die Ehe zu gehen. Bei uns liegt es eher an der Unlust, an der Angst nicht ausreichend sexy auszusehen. Denn der Kampf der Eitelkeiten macht ja vor dem Bett keineswegs Halt.
Einer der historischen Meilensteine für diese Entwicklung: Seit 1959 gibt es die Barbiepuppen, 700 Millionen wurden bislang verkauft. Vorher spielten kleine Mädchen mit runden, dicken Babypuppen, nun wurde es eine Lolita, ein sexualisiertes mageres Mädchen in Stöckelschuhen und Badeanzug. Manche Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang mit der damals beginnenden weltweiten Epidemie der Magersucht und der Sexualisierung von Kindern, die durch das Internet und den immer grausameren Kinder- und Frauenhandel sich täglich erweitert, mit sexuellem Missbrauch, der Folterung und Tötung von ihnen.
Die amerikanische Autorin Naomi Wolf beschrieb die Generation der heute 30- bis 40-Jährigen bereits als die "Pornografie-Generation", die nicht durch scheue Blicke, zaghaftes Händchenhalten, tastende Küssversuche sich die Sexualität eroberten, sondern die geprägt war von pornografischen Bildern nicht endender sexueller Potenz, überdimensionaler Sexualorgane, permanenter Verfügbarkeit von Frauen und allen sexuellen Perversionen, die in Filmen, heute im Internet zu haben sind.
Nein, natürlich behauptet niemand, dass alle Jugendlichen, die Gewaltmedien und Pornografie exzessiv nutzen, zu Tätern oder Vergewaltigern würden. Aber es kann doch andererseits niemand mit gesundem Menschenverstand in Abrede stellen, dass es keinen Unterschied macht, ob sich ein Heranwachsender täglich mit seinem Klavier und seinem Schwimmtraining beschäftigt oder sich täglich vier Stunden Gewalt und Sex hereinzieht. Und auch Sex gestaltet, indem er vielleicht gerade seine Mathelehrerin virtuell vergewaltigt hat, bevor er sich zum Abendessen an den Tisch zu seiner Mutter und seinen Schwestern setzt.
Der neuste Trend: Explosionsartig nehmen die weiblichen Opferzahlen zu, wenn private Nacktfotos - meist von verflossenen Liebhabern - ins Netz gestellt werden. Oder, noch perfider: Wenn ein schlichtes Porträtfoto auf den Rumpf einer Pornodarstellerin montiert wird, um dann mit voller Adresse und Telefonnummer in der Pornotauschbörse weltweit vervielfältigt zu werden.
Naive Eltern wissen meist nicht, was Jugendliche im Netz so treiben. Oder die Schamgrenzen sind bereits in den Familien derart gesunken, dass Kindertherapeuten oftmals nicht unterscheiden können, ob die Sexualisierung von Kindern durch realen Missbrauch, durch live erlebte Sexualität bei den Erwachsenen oder durch das Betrachten von Pornos kommt. Mit den Folgen, dass nicht nur die Schamgrenzen in den Familien rapide sinken, sondern auch das Schutzdenken den Kindern gegenüber sinkt. Wo wird die Frage noch gestellt, ob es ein einziges sinnvolles pädagogisches Argument für einen Fernseher oder einen Computer im Kinderzimmer gibt?
Auch sollte man über Gehirn-Diäten nachdenken. Denn die Neurobiologen benennen den Cocktail von Botenstoffen im Gehirn genau, welcher durch Gewaltdarstellungen und sexualisierte Gewalt provoziert wird: Adrenalin, Dopamin, Cortisol und Morphin hinterlassen Spuren. Sie sind auch für den Suchtcharakter verantwortlich: Für die grassierende Internetsucht und die Pornosucht, die immer extremere, perversere Bilder braucht. Internetsüchtig sollen bereits zehn Prozent der jugendlichen Nutzer sein, mit den Merkmalen von emotionaler Verflachung und Verrohung, zunehmender Einsamkeit, Depressionen und z.T. völliger Bindungslosigkeit.
Da eine Demokratie mündige Bürger braucht, ist sie auf die sozialen Fähigkeiten ihrer Bürger angewiesen. Der Bedarf an Erziehung wächst mit dem Maß unserer Freiheit. Doch nimmt dieser zur Zeit rapide ab mit dem Anwachsen von Bindungslosigkeit und der Flucht in virtuelle Welten, voll von Ungeheuern, grausamer Pornografie und dem "Second Life" des grassierenden Narzissmus. Achtung: Wir brauchen eine neue Umwelt-Bewegung gegen die Verschmutzung der Köpfe unserer Kinder!
Astrid v. Friesen, Jahrgang 1953, ist Erziehungswissenschaftlerin, Journalistin und Autorin sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden und Freiberg. Sie unterrichtet an der TU Bergakademie Freiberg und macht Lehrerfortbildung. Zwei ihrer letzten Bücher: "Der lange Abschied. Psychische Spätfolgen für die 2. Generation deutscher Vertriebener" (Psychosozialverlag 2000) sowie "Von Aggression bis Zärtlichkeit. Das Erziehungslexikon" (Kösel-Verlag 2003. Zuletzt erschien "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer", Verlag Ellert & Richter.
Die amerikanische Autorin Naomi Wolf beschrieb die Generation der heute 30- bis 40-Jährigen bereits als die "Pornografie-Generation", die nicht durch scheue Blicke, zaghaftes Händchenhalten, tastende Küssversuche sich die Sexualität eroberten, sondern die geprägt war von pornografischen Bildern nicht endender sexueller Potenz, überdimensionaler Sexualorgane, permanenter Verfügbarkeit von Frauen und allen sexuellen Perversionen, die in Filmen, heute im Internet zu haben sind.
Nein, natürlich behauptet niemand, dass alle Jugendlichen, die Gewaltmedien und Pornografie exzessiv nutzen, zu Tätern oder Vergewaltigern würden. Aber es kann doch andererseits niemand mit gesundem Menschenverstand in Abrede stellen, dass es keinen Unterschied macht, ob sich ein Heranwachsender täglich mit seinem Klavier und seinem Schwimmtraining beschäftigt oder sich täglich vier Stunden Gewalt und Sex hereinzieht. Und auch Sex gestaltet, indem er vielleicht gerade seine Mathelehrerin virtuell vergewaltigt hat, bevor er sich zum Abendessen an den Tisch zu seiner Mutter und seinen Schwestern setzt.
Der neuste Trend: Explosionsartig nehmen die weiblichen Opferzahlen zu, wenn private Nacktfotos - meist von verflossenen Liebhabern - ins Netz gestellt werden. Oder, noch perfider: Wenn ein schlichtes Porträtfoto auf den Rumpf einer Pornodarstellerin montiert wird, um dann mit voller Adresse und Telefonnummer in der Pornotauschbörse weltweit vervielfältigt zu werden.
Naive Eltern wissen meist nicht, was Jugendliche im Netz so treiben. Oder die Schamgrenzen sind bereits in den Familien derart gesunken, dass Kindertherapeuten oftmals nicht unterscheiden können, ob die Sexualisierung von Kindern durch realen Missbrauch, durch live erlebte Sexualität bei den Erwachsenen oder durch das Betrachten von Pornos kommt. Mit den Folgen, dass nicht nur die Schamgrenzen in den Familien rapide sinken, sondern auch das Schutzdenken den Kindern gegenüber sinkt. Wo wird die Frage noch gestellt, ob es ein einziges sinnvolles pädagogisches Argument für einen Fernseher oder einen Computer im Kinderzimmer gibt?
Auch sollte man über Gehirn-Diäten nachdenken. Denn die Neurobiologen benennen den Cocktail von Botenstoffen im Gehirn genau, welcher durch Gewaltdarstellungen und sexualisierte Gewalt provoziert wird: Adrenalin, Dopamin, Cortisol und Morphin hinterlassen Spuren. Sie sind auch für den Suchtcharakter verantwortlich: Für die grassierende Internetsucht und die Pornosucht, die immer extremere, perversere Bilder braucht. Internetsüchtig sollen bereits zehn Prozent der jugendlichen Nutzer sein, mit den Merkmalen von emotionaler Verflachung und Verrohung, zunehmender Einsamkeit, Depressionen und z.T. völliger Bindungslosigkeit.
Da eine Demokratie mündige Bürger braucht, ist sie auf die sozialen Fähigkeiten ihrer Bürger angewiesen. Der Bedarf an Erziehung wächst mit dem Maß unserer Freiheit. Doch nimmt dieser zur Zeit rapide ab mit dem Anwachsen von Bindungslosigkeit und der Flucht in virtuelle Welten, voll von Ungeheuern, grausamer Pornografie und dem "Second Life" des grassierenden Narzissmus. Achtung: Wir brauchen eine neue Umwelt-Bewegung gegen die Verschmutzung der Köpfe unserer Kinder!
Astrid v. Friesen, Jahrgang 1953, ist Erziehungswissenschaftlerin, Journalistin und Autorin sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden und Freiberg. Sie unterrichtet an der TU Bergakademie Freiberg und macht Lehrerfortbildung. Zwei ihrer letzten Bücher: "Der lange Abschied. Psychische Spätfolgen für die 2. Generation deutscher Vertriebener" (Psychosozialverlag 2000) sowie "Von Aggression bis Zärtlichkeit. Das Erziehungslexikon" (Kösel-Verlag 2003. Zuletzt erschien "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer", Verlag Ellert & Richter.