Die Versteherin
Als ebenso talentierte wie schöne Frau beeindruckte Lou Andreas-Salomé Friedrich Nietzsche und schrieb eine grundlegende Studie über dessen Person und Werk. Auch in ihrer Beziehung zu Rainer Maria Rilke, mit dem sie ihr Heimatland Russland bereiste, wirkte die hochgebildete Frau als Geburtshelferin großer Gedanken. Sie selbst verfasste eine Vielzahl von Romanen, Erzählungen und Abhandlungen.
"Wenn im Jahre 1882 in der Blütezeit bürgerlich-viktorianischer Lebensauffassung und ihrer Prüderie, ein einundzwanzigjähriges, höchst attraktives Mädchen aus bester, ja vornehmer Herkunft, den Plan fasst, mit zwei unverheirateten jungen Männern einen gemeinsamen Hausstand zwecks geistiger Zusammenarbeit zu installieren, und dies jedenfalls mit einem von ihnen fünf Jahre lang in die Tat umsetzt, kann man sich von einer solchen Person einiges erwarten."
So Käte Hamburger in einem Radioessay über die am 12. Februar 1861 in St. Petersburg geborene Lou Andreas-Salomé. In der Tat in vieler Hinsicht außergewöhnlich, setzte die junge Frau nach Privatstunden bei einem reformierten Geistlichen ein geisteswissenschaftliches Studium in Zürich durch und war philosophisch bereits bestens gerüstet, als sie 1882 während eines Italienaufenthaltes Friedrich Nietzsche kennenlernte. Beide einte ein intensives religiöses Erleben, aber auch die moderne Erfahrung der Gottesferne. Über Nietzsche schrieb Lou Salomé:
"Wir erleben es noch, dass er als Verkünder einer neuen Religion auftritt und dann wird es eine solche sein, welche Helden zu ihren Jüngern wirbt. Wie sehr gleich denken und empfinden wir darüber, und wie nehmen wir uns die Worte und Gedanken förmlich von den Lippen."
Ihre kühne Idee einer philosophischen Wohngemeinschaft zusammen mit Nietzsche und dem gemeinsamen Freund Paul Rée scheiterte jedoch, weil es zwischen dem Verfasser des "Zarathustra" und der energischen Russin zum Zerwürfnis kam. 1885 erscheint ihr erster Roman "Im Kampf um Gott", dem eine Vielzahl weiterer Romane, Erzählungen und Essays folgen sollten. In ihrem Werk befasste sich Lou Salomé oft mit der Situation von Frauen, die fernab tradierter Rollenbilder ihren eigenen Weg gehen wollen. 1886 ging sie eine Ehe mit dem Orientalisten Friedrich Carl Andreas ein, echte Erfüllung in der Liebe fand die Autorin eines theoretischen Werks über "Die Erotik" jedoch erst mit Rainer Maria Rilke. Mit ihm unternahm sie zwei ausgedehnte Fahrten in ihre russische Heimat. Lou Andreas-Salomé beschrieb diese glückliche Zeit in ihrem postum erschienen "Lebensrückblick":
"Sind wir nur einige Male dem Wolgadampfer entstiegen? Waren wir nicht zu Gast bei solchen Bauern, und war nicht sogar der Bauerndichter Droschin in seiner Hütte unser Gastherr? Gäbe es nicht ganze Bücher zu füllen mit dem, worin wir ganz aufgingen in gespanntestem Interesse? Waren es nicht viele Jahre, so hingebracht? Waren es wirklich nur Tage, Wochen, kaum Monate?"
Für Rilke wurde die Begegnung mit der 14 Jahre älteren Frau, die ihn immer wieder zur Schärfung seines Stils anhielt, zum klärenden Erlebnis. Lou beharrte jedoch auf ihrer Freiheit und trennte sich bald von dem aufstrebenden Dichter. Ihre Biografin Ursula Welsch betont das Selbstbewusstsein der Schriftstellerin, die viel mehr als nur die Freundin berühmter Männer gewesen ist:
"Was mir gefällt, ist natürlich ihre innere Unabhängigkeit. Das hätte man selber auch gerne so. Sie hat sich von keinem was sagen lassen, sie hat, auch wenn sie finanzielle Einbußen hinnehmen musste, sie ist ihren Weg gegangen."
Die Kehrseite dieser Autarkie mag eine emotionale Kälte gewesen sein, welche die Tochter ihrer Haushälterin in Göttingen beobachtet hatte:
"Eine sehr eigenwillige Frau, die sich um nichts kümmerte, was andere von ihr dachten oder hielten, eine treulose Frau, die, wenn ihr jemand nicht mehr passte, kurz abschob - also da sind viele Leute gewesen, die sehr schnell abgeschoben wurden."
Ihr Lebensgefühl einer prinzipiellen Verbundenheit mit allem Seienden, ihr Interesse an grundlegenden Fragen der Kindheit und Erotik fand schließlich neue Nahrung in der jungen Wissenschaft der Psychoanalyse. Sigmund Freud, den sie 1911 kennenlernte, wurde ihr wichtigster Wegbegleiter. Sie besuchte seine Vorlesungen und Diskussionsrunden, schrieb wissenschaftliche Aufsätze und praktizierte bis ins hohe Alter als Analytikerin. Sigmund Freud war beeindruckt von seiner Mitstreiterin und bezeichnete sie als "Dichterin der Psychoanalyse":
"Sie sind eine Versteherin par excellence, es macht mir immer besonderen Eindruck, wenn ich Ihre Äußerungen über eine meiner Arbeiten les."
Die letzten Jahre nach dem Tod ihres Mannes verbrachte Lou Andreas-Salomé zurückgezogen in Göttingen, wo sie am 5. Februar 1937 starb.
Mehr auf dradio.de:
Essay und Diskurs: Lou Andreas-Salomé oder: "Die Analogie des Liebens mit dem Geistesschaffen" von Christa Bürger
So Käte Hamburger in einem Radioessay über die am 12. Februar 1861 in St. Petersburg geborene Lou Andreas-Salomé. In der Tat in vieler Hinsicht außergewöhnlich, setzte die junge Frau nach Privatstunden bei einem reformierten Geistlichen ein geisteswissenschaftliches Studium in Zürich durch und war philosophisch bereits bestens gerüstet, als sie 1882 während eines Italienaufenthaltes Friedrich Nietzsche kennenlernte. Beide einte ein intensives religiöses Erleben, aber auch die moderne Erfahrung der Gottesferne. Über Nietzsche schrieb Lou Salomé:
"Wir erleben es noch, dass er als Verkünder einer neuen Religion auftritt und dann wird es eine solche sein, welche Helden zu ihren Jüngern wirbt. Wie sehr gleich denken und empfinden wir darüber, und wie nehmen wir uns die Worte und Gedanken förmlich von den Lippen."
Ihre kühne Idee einer philosophischen Wohngemeinschaft zusammen mit Nietzsche und dem gemeinsamen Freund Paul Rée scheiterte jedoch, weil es zwischen dem Verfasser des "Zarathustra" und der energischen Russin zum Zerwürfnis kam. 1885 erscheint ihr erster Roman "Im Kampf um Gott", dem eine Vielzahl weiterer Romane, Erzählungen und Essays folgen sollten. In ihrem Werk befasste sich Lou Salomé oft mit der Situation von Frauen, die fernab tradierter Rollenbilder ihren eigenen Weg gehen wollen. 1886 ging sie eine Ehe mit dem Orientalisten Friedrich Carl Andreas ein, echte Erfüllung in der Liebe fand die Autorin eines theoretischen Werks über "Die Erotik" jedoch erst mit Rainer Maria Rilke. Mit ihm unternahm sie zwei ausgedehnte Fahrten in ihre russische Heimat. Lou Andreas-Salomé beschrieb diese glückliche Zeit in ihrem postum erschienen "Lebensrückblick":
"Sind wir nur einige Male dem Wolgadampfer entstiegen? Waren wir nicht zu Gast bei solchen Bauern, und war nicht sogar der Bauerndichter Droschin in seiner Hütte unser Gastherr? Gäbe es nicht ganze Bücher zu füllen mit dem, worin wir ganz aufgingen in gespanntestem Interesse? Waren es nicht viele Jahre, so hingebracht? Waren es wirklich nur Tage, Wochen, kaum Monate?"
Für Rilke wurde die Begegnung mit der 14 Jahre älteren Frau, die ihn immer wieder zur Schärfung seines Stils anhielt, zum klärenden Erlebnis. Lou beharrte jedoch auf ihrer Freiheit und trennte sich bald von dem aufstrebenden Dichter. Ihre Biografin Ursula Welsch betont das Selbstbewusstsein der Schriftstellerin, die viel mehr als nur die Freundin berühmter Männer gewesen ist:
"Was mir gefällt, ist natürlich ihre innere Unabhängigkeit. Das hätte man selber auch gerne so. Sie hat sich von keinem was sagen lassen, sie hat, auch wenn sie finanzielle Einbußen hinnehmen musste, sie ist ihren Weg gegangen."
Die Kehrseite dieser Autarkie mag eine emotionale Kälte gewesen sein, welche die Tochter ihrer Haushälterin in Göttingen beobachtet hatte:
"Eine sehr eigenwillige Frau, die sich um nichts kümmerte, was andere von ihr dachten oder hielten, eine treulose Frau, die, wenn ihr jemand nicht mehr passte, kurz abschob - also da sind viele Leute gewesen, die sehr schnell abgeschoben wurden."
Ihr Lebensgefühl einer prinzipiellen Verbundenheit mit allem Seienden, ihr Interesse an grundlegenden Fragen der Kindheit und Erotik fand schließlich neue Nahrung in der jungen Wissenschaft der Psychoanalyse. Sigmund Freud, den sie 1911 kennenlernte, wurde ihr wichtigster Wegbegleiter. Sie besuchte seine Vorlesungen und Diskussionsrunden, schrieb wissenschaftliche Aufsätze und praktizierte bis ins hohe Alter als Analytikerin. Sigmund Freud war beeindruckt von seiner Mitstreiterin und bezeichnete sie als "Dichterin der Psychoanalyse":
"Sie sind eine Versteherin par excellence, es macht mir immer besonderen Eindruck, wenn ich Ihre Äußerungen über eine meiner Arbeiten les."
Die letzten Jahre nach dem Tod ihres Mannes verbrachte Lou Andreas-Salomé zurückgezogen in Göttingen, wo sie am 5. Februar 1937 starb.
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