Die "Wahlverwandtschaften" als Live-Hörbuch
Pünktlich zum Geburtstag des berühmtesten Sohnes der Stadt am 28. August sind in Frankfurt am Main die Goethe-Festwochen gestartet. Diese sollen nun im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden. Zu Beginn gab es eine Bühnenfassung von Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften", die aber eher wie ein Hörspiel mit Hintergrundmusik daherkam.
"Wie lieben?" - Diese Frage hätte selbst Goethe kaum beantworten können. Dennoch stellte man sie sich zu Beginn der ersten Frankfurter Goethe-Festwoche "goethe ffm", die mit der Enthüllung des ältesten deutschen, nun restaurierten Goethedenkmals an seinem alten Platz eröffnet wurde und ab 2008 in Goethes Geburtsstadt in zweijährigem Rhythmus stattfinden soll. Im Mittelpunkt zunächst Goethes "Roman" "Die Wahlverwandtschaften" - zuerst in einem Symposium, bei dem man zu Goethes Vorstellungen über die Naturgesetzlichkeiten der Liebe auch die moderne Hirnforschung und deren Ablehnung des freien Willens einbeziehen konnte.
Eingeladen war der Neurologe Wolf Singer. Die Schriftstellerin Thea Dorn meinte beim Symposium allerdings etwas salopp und provokativ, Goethes Roman sei in seiner Problematik veraltet und die ihrer Meinung nach allzu unterwürfigen Frauengestalten wären unerträglich blutleer, doch die Bühnenadaption des Romans - gleichzeitig Spielzeiteröffnung des Frankfurter Schauspiels - konnte die Aktualität der 200 Jahre alten, von Goethe beschriebenen Ehe-Krise schnell erweisen, nicht nur weil die Personen auf der Bühne in ein modernes Outfit gesteckt wurden.
Regisseur Martin Nimz hat keine Dramatisierung des Romans versucht, sondern eher eine Art Hörspielfassung mit Hintergrundmusik erstellt. Die große Bühne ist bis auf zwei drehbare Podeste bis zur Brandmauer leer, doch die Intimität der Beziehungen wird durch die Mikroports, die alle Darsteller tragen, hergestellt. Manchmal spricht nicht das agierende Paar, sondern das ausgeschlossene kommentiert. In den "Wahlverwandtschaften" (schon der Titel ein Widerspruch: freie Wahl und Zwang) werden nämlich in Analogie zu chemischen Prozessen durch chemische "Scheidung" und chemische "Anziehung" aus den Paaren A+B sowie C+D die Paare AC und BD.
Die meisten Passagen werden in der Frankfurter Aufführung von Erzählern vorgetragen, zuerst vom Gärtner und von dem "Therapeuten" Mittler, nach der Pause ist Goethes Roman fast ausschließlich aus dem Off zu hören, während die Figuren in Pantomimen und Gängen quer über die große Bühne das Innenleben der Figuren ausstellen. Das gibt dem Roman freilich einen sehr melodramatischen, vor allem gegen Ende auch sehr in die Länge gezogenen pathetischen Anstrich! Der Anteil nehmende Zynismus, der die Erzählhaltung Goethes prägt, geht so verloren.
Von den Schauspielern gefällt vor allem das Ehepaar Sabine Waibel (im Gegensatz zu Thea Dorns Goethe-Einschätzung eine durchaus auch im Verzicht selbstbewusste moderne Frau) und Matthias Redlhammer. Wenn Redlhammer in einer Pantomime vor Ottilie ein Geburtstags-Feuerwerk abbrennen lässt, gönnt ihm Regisseur Nimz auch einen schönen mit Applaus belohnten Soloauftritt.
Wenn auch der Abend manchmal nicht über ein Live-Hörbuch hinauskommt, ist die Modernität des Romans doch ein guter Einsteig für ein neues Goethe-Festival. Und die Bankenmetropole Frankfurt passt, das zeigen die Wahlverwandtschaften, zu Goethe mindestens so gut wie die Kleinstadt Weimar.
Sie können die Live-Rezension der Aufführung von Bernhard Doppler mindestens bis zum 28.1.08 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
MP3-Audio
Eingeladen war der Neurologe Wolf Singer. Die Schriftstellerin Thea Dorn meinte beim Symposium allerdings etwas salopp und provokativ, Goethes Roman sei in seiner Problematik veraltet und die ihrer Meinung nach allzu unterwürfigen Frauengestalten wären unerträglich blutleer, doch die Bühnenadaption des Romans - gleichzeitig Spielzeiteröffnung des Frankfurter Schauspiels - konnte die Aktualität der 200 Jahre alten, von Goethe beschriebenen Ehe-Krise schnell erweisen, nicht nur weil die Personen auf der Bühne in ein modernes Outfit gesteckt wurden.
Regisseur Martin Nimz hat keine Dramatisierung des Romans versucht, sondern eher eine Art Hörspielfassung mit Hintergrundmusik erstellt. Die große Bühne ist bis auf zwei drehbare Podeste bis zur Brandmauer leer, doch die Intimität der Beziehungen wird durch die Mikroports, die alle Darsteller tragen, hergestellt. Manchmal spricht nicht das agierende Paar, sondern das ausgeschlossene kommentiert. In den "Wahlverwandtschaften" (schon der Titel ein Widerspruch: freie Wahl und Zwang) werden nämlich in Analogie zu chemischen Prozessen durch chemische "Scheidung" und chemische "Anziehung" aus den Paaren A+B sowie C+D die Paare AC und BD.
Die meisten Passagen werden in der Frankfurter Aufführung von Erzählern vorgetragen, zuerst vom Gärtner und von dem "Therapeuten" Mittler, nach der Pause ist Goethes Roman fast ausschließlich aus dem Off zu hören, während die Figuren in Pantomimen und Gängen quer über die große Bühne das Innenleben der Figuren ausstellen. Das gibt dem Roman freilich einen sehr melodramatischen, vor allem gegen Ende auch sehr in die Länge gezogenen pathetischen Anstrich! Der Anteil nehmende Zynismus, der die Erzählhaltung Goethes prägt, geht so verloren.
Von den Schauspielern gefällt vor allem das Ehepaar Sabine Waibel (im Gegensatz zu Thea Dorns Goethe-Einschätzung eine durchaus auch im Verzicht selbstbewusste moderne Frau) und Matthias Redlhammer. Wenn Redlhammer in einer Pantomime vor Ottilie ein Geburtstags-Feuerwerk abbrennen lässt, gönnt ihm Regisseur Nimz auch einen schönen mit Applaus belohnten Soloauftritt.
Wenn auch der Abend manchmal nicht über ein Live-Hörbuch hinauskommt, ist die Modernität des Romans doch ein guter Einsteig für ein neues Goethe-Festival. Und die Bankenmetropole Frankfurt passt, das zeigen die Wahlverwandtschaften, zu Goethe mindestens so gut wie die Kleinstadt Weimar.
Sie können die Live-Rezension der Aufführung von Bernhard Doppler mindestens bis zum 28.1.08 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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