Die Welt der kleinen Angestellten
Mit seiner sozialkritischen Fallstudie wurde Hans Fallada, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß, 1932 weltberühmt. In der Hörspielfassung wird nun auch hörbar, warum die kleinen Angestellten in dem Roman Spannfuß, Heilbutt oder Kleinholz heißen.
"Meine Damen und Herren! Große Wirtschaftskrisen, wie sie die Welt gegenwärtig in besonders schwerer Weise durchlebt, hat es schon in früheren Zeiten gegeben."
"In der spiegelnden Scheibe sieht sich Pinneberg. Ein blasser Schemen ohne Kragen, mit schäbigem Ulster, mit teerbeschmierten Hosen. 'Soll ick dir beene machen?' Und plötzlich begreift Pinneberg alles. 'Hau ab, Mensch.' Er begreift, dass er draußen ist, dass er hier nicht mehr hergehört, dass man ihn zu Recht wegjagt."
Doch halt - da sind wir schon beim Epilog der Geschichte angelangt, die von dem Angestellten Johannes Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt "Lämmchen", handelt. Dabei beginnt Hans Falladas Roman, mit dem er 1932 weltberühmt wurde, mit der sorglosen Verspieltheit frisch Verliebter. Lämmchen wird schwanger, sie heiraten und planen ihr kleines Glück im Berliner Alltag zur Zeit der Weltwirtschaftskrise.
"Oh Gott, Junge, was wollen wir glücklich sein. Ja. Und wenn ich etwas falsch mache, dann sollst du's mir sagen. Und ich will dich nie belügen. Und wir wollen uns nie nie streiten."
Der Norddeutsche Rundfunk hat aus Falladas sozialkritischer Fallstudie ein Hörspiel ersten Ranges gemacht. Hier stimmt von der Sprecherauswahl bis zur Musik alles. Falladas fein geschliffene Charaktere, seine präzisen Zeitbilder aus der Metropole Berlin werden zu eindringlichen Szenarien.
Dem Prinzip der Neuen Sachlichkeit verpflichtet, sorgt ein dialogreiches Erzählen mit viel dialektalem Kolorit für die Authentizität eines Geschehens, das den Hörer in den Bann zieht.
Ein sich sachlich gebender Erzähler - mit Wolfgang Pregler ideal besetzt - führt durch die Welt der kleinen Angestellten, die Siegfried Kracauer 1930 in einem Essay als geistig obdachlos bezeichnet hatte. Wo alles Ware ist, wird er zum Prototyp der Zeit.
"Nur aus Langeweile, weil er mit Mädchen nichts im Sinn hat und das Kino erst abends um acht anfängt, ist der Angestellte Lauterbach zu den Nazis gegangen."
Das Damoklesschwert, das drohend über der Zeit schwebt, hat einen Namen: Arbeitslosigkeit! Doch wie überlistet man diese unheilvolle Gesetzmäßigkeit? Dem Leisetreter Pinneberg, von Nico Holonics mit nervös eingeknicktem Zwerchfell brillant gesprochen, gelingt es jedenfalls nicht.
"Wen würden Sie denn an meiner Stelle entlassen? Das, ich kann doch nicht gegen meine Kollegen. – Sich würden sie also nicht entlassen? Mich selbst? - Na, ich bin überzeugt, sie überlegen sich die Sache. Sie haben ja wohl monatliche Kündigung. Nächsten Montag ist der erste Oktober. Nicht wahr. Kündigungstag."
So wird aus dem Buchhalter Pinneberg ein Verkäufer im Warenhaus Mandel und schließlich doch ein Arbeitsloser. Lämmchen kämpft sich indessen tapfer durch die Mühen des Inflationsalltags. Laura Maire versteht es, diese faszinierende Figur zum Kraftquell und Herzstück der Handlung zu machen. Mal grübelnd, mal empört, doch stets selbstbewusst, findet sie tröstende Worte für einen immer mutloser werdenden Pinneberg.
"Junge, es wird schon werden. Fleißig sind wir, sparsam sind wir. Den Murkel wollen wir. Schlechte Menschen sind wir auch nicht. Warum soll es uns da eigentlich schlecht gehen. Das hat doch gar keinen Sinn."
Den politisch Heimatlosen verblüfft sie mit klaren Argumenten.
"So ziehen sie lauter Raubtiere hoch. Und da werden sie was erleben, sag ich dir. – Natürlich. Die meisten bei uns sind ja auch schon Nazis. – Danke. Ich weiß, was wir wählen. – Die Kommunisten? – Natürlich. - Hm. Vorläufig haben wir noch eine Stellung, da ist es noch nicht nötig. – Ach, bis zur nächsten Wahl sprechen wir uns noch."
Köstlich, welche Namen Fallada für seine Angestellten fand. Doch warum einer Spannfuß, Heilbutt oder Kleinholz heißt, wird nun auch hörbar. Wolf-Dietrich Sprenger schnalzt den zackigen Befehlston von Chef Kleinholz süffisant von der Zunge - jede Kündigung wird zum Todesurteil.
"Die Herren haben nichts zu tun. Werd ich einen abbaun. Rationalisieren. Wo drei faul sind, können zwei fleißig sein. Na und wen?"
Besprochen von Carola Wiemers
Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun?
Der Audio Verlag, Berlin 2010, Produktion Norddeutscher Rundfunk 2010
1 CD mit Booklet, ca. 74 Minuten, 14,99 Euro
"In der spiegelnden Scheibe sieht sich Pinneberg. Ein blasser Schemen ohne Kragen, mit schäbigem Ulster, mit teerbeschmierten Hosen. 'Soll ick dir beene machen?' Und plötzlich begreift Pinneberg alles. 'Hau ab, Mensch.' Er begreift, dass er draußen ist, dass er hier nicht mehr hergehört, dass man ihn zu Recht wegjagt."
Doch halt - da sind wir schon beim Epilog der Geschichte angelangt, die von dem Angestellten Johannes Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt "Lämmchen", handelt. Dabei beginnt Hans Falladas Roman, mit dem er 1932 weltberühmt wurde, mit der sorglosen Verspieltheit frisch Verliebter. Lämmchen wird schwanger, sie heiraten und planen ihr kleines Glück im Berliner Alltag zur Zeit der Weltwirtschaftskrise.
"Oh Gott, Junge, was wollen wir glücklich sein. Ja. Und wenn ich etwas falsch mache, dann sollst du's mir sagen. Und ich will dich nie belügen. Und wir wollen uns nie nie streiten."
Der Norddeutsche Rundfunk hat aus Falladas sozialkritischer Fallstudie ein Hörspiel ersten Ranges gemacht. Hier stimmt von der Sprecherauswahl bis zur Musik alles. Falladas fein geschliffene Charaktere, seine präzisen Zeitbilder aus der Metropole Berlin werden zu eindringlichen Szenarien.
Dem Prinzip der Neuen Sachlichkeit verpflichtet, sorgt ein dialogreiches Erzählen mit viel dialektalem Kolorit für die Authentizität eines Geschehens, das den Hörer in den Bann zieht.
Ein sich sachlich gebender Erzähler - mit Wolfgang Pregler ideal besetzt - führt durch die Welt der kleinen Angestellten, die Siegfried Kracauer 1930 in einem Essay als geistig obdachlos bezeichnet hatte. Wo alles Ware ist, wird er zum Prototyp der Zeit.
"Nur aus Langeweile, weil er mit Mädchen nichts im Sinn hat und das Kino erst abends um acht anfängt, ist der Angestellte Lauterbach zu den Nazis gegangen."
Das Damoklesschwert, das drohend über der Zeit schwebt, hat einen Namen: Arbeitslosigkeit! Doch wie überlistet man diese unheilvolle Gesetzmäßigkeit? Dem Leisetreter Pinneberg, von Nico Holonics mit nervös eingeknicktem Zwerchfell brillant gesprochen, gelingt es jedenfalls nicht.
"Wen würden Sie denn an meiner Stelle entlassen? Das, ich kann doch nicht gegen meine Kollegen. – Sich würden sie also nicht entlassen? Mich selbst? - Na, ich bin überzeugt, sie überlegen sich die Sache. Sie haben ja wohl monatliche Kündigung. Nächsten Montag ist der erste Oktober. Nicht wahr. Kündigungstag."
So wird aus dem Buchhalter Pinneberg ein Verkäufer im Warenhaus Mandel und schließlich doch ein Arbeitsloser. Lämmchen kämpft sich indessen tapfer durch die Mühen des Inflationsalltags. Laura Maire versteht es, diese faszinierende Figur zum Kraftquell und Herzstück der Handlung zu machen. Mal grübelnd, mal empört, doch stets selbstbewusst, findet sie tröstende Worte für einen immer mutloser werdenden Pinneberg.
"Junge, es wird schon werden. Fleißig sind wir, sparsam sind wir. Den Murkel wollen wir. Schlechte Menschen sind wir auch nicht. Warum soll es uns da eigentlich schlecht gehen. Das hat doch gar keinen Sinn."
Den politisch Heimatlosen verblüfft sie mit klaren Argumenten.
"So ziehen sie lauter Raubtiere hoch. Und da werden sie was erleben, sag ich dir. – Natürlich. Die meisten bei uns sind ja auch schon Nazis. – Danke. Ich weiß, was wir wählen. – Die Kommunisten? – Natürlich. - Hm. Vorläufig haben wir noch eine Stellung, da ist es noch nicht nötig. – Ach, bis zur nächsten Wahl sprechen wir uns noch."
Köstlich, welche Namen Fallada für seine Angestellten fand. Doch warum einer Spannfuß, Heilbutt oder Kleinholz heißt, wird nun auch hörbar. Wolf-Dietrich Sprenger schnalzt den zackigen Befehlston von Chef Kleinholz süffisant von der Zunge - jede Kündigung wird zum Todesurteil.
"Die Herren haben nichts zu tun. Werd ich einen abbaun. Rationalisieren. Wo drei faul sind, können zwei fleißig sein. Na und wen?"
Besprochen von Carola Wiemers
Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun?
Der Audio Verlag, Berlin 2010, Produktion Norddeutscher Rundfunk 2010
1 CD mit Booklet, ca. 74 Minuten, 14,99 Euro