Die Welt in Neapel
Das zweite Buch der jungen neapolitanischen Schriftstellerin Valeria Parrella versammelt vier Erzählungen. Sie schildert die sozialen und familiären Probleme junger Leute, die als Verkäuferin, Kosmetikerin, Galeristin oder Drucker allesamt in Neapel leben. Die Kraft der Figuren harmoniert mit der Ausdrucksstärke dieser kurzen, aber prägnanten Texte.
Vier Erzählungen finden wir im zweiten Buch der jungen neapolitanischen Schriftstellerin Valeria Parrella und damit vier Hauptfiguren: Eine erfolgreiche Galeristin, deren Tochter sich mit ihrem titelgebenden "unsichtbaren Freund" unterhält; eine junge Kosmetikerin, die der Tod ihres Freundes zur Dealerin macht; einen Drucker, der Raubdrucke produziert; eine Verkäuferin, die zuvor ein Literaturstudium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. Sie leben jeder in ihrer eigenen Welt, aber alle in Neapel, und so kommen die Probleme dieser Stadt auf den verschiedenen sozialen Ebenen nicht etwa lehrbuchmäßig, sondern als wesentlicher Bestandteil der Lebensrealität dieser Figuren zum Ausdruck.
Gekonnt spielt Parrella mit den zahlreichen Klischees, die an ihrer Heimatstadt haften. Natürlich gibt es die Mafia, genauer: ihre neapolitanische Variante, die Camorra, es wird mit Drogen gehandelt, ein Kurier wird erschossen, seine Freundin muss dann auch dealen, um das gemeinsame Kind zu ernähren. Soweit das bekannte Muster, doch die junge Autorin unterläuft geschickt die Erwartungen, wenn sie ihre Figur eben gerade nicht untergehen lässt. Stattdessen gesteht sie ihr einen Stolz und eine Kraft zu, die sie mit dem nötigen Quäntchen Glück wieder in einer bürgerlichen oder zumindest kleinbürgerlichen Existenz Fuß fassen lassen.
Wie schwierig es im Süden Italiens häufig ist, überhaupt eine Arbeit zu finden, zeigt sich an zwei anderen Erzählungen, in denen dieses Thema geschickt als ein Faden in das Gewebe aus persönlichen und familiären Bindungen der Personen eingeflochten ist. Uns werden hoch qualifizierte junge Menschen gezeigt, die aber keiner angemessenen Berufstätigkeit nachgehen können, zumindest nicht auf legale Weise, doch damit arrangieren sie sich wie mit vielen anderen widrigen Lebensumständen.
Zu denen gehört auch die Familie. Natürlich kommt ihr eine wichtige Rolle zu, aber Valeria Parrella variiert wunderbar das Bild der italienischen Mamma, die an ihren Kindern hängt, doch als moderne Frau durchaus schauen muss, wie Geld ins Haus kommt. Sie lebt durchaus nicht spannungsfrei mit ihren halb oder ganz erwachsenen Töchtern, was mitunter fast groteske Züge annimmt, wenn beispielsweise Mutter und Tochter voreinander zu verstecken versuchen, dass sie rauchen.
Trotz aller familiärer und sozialen Probleme verfasst Valeria Parrella keine gesellschaftskritischen Schriften, sondern Literatur, die nicht nur durch die Handlung und die meist jungen Figuren sehr gegenwärtig ist. Sie schafft es nämlich, in einer mitunter rauen, aber sehr präzisen Sprache die Figuren plastisch zu schildern, so dass wir sie in den Dialogen leibhaftig zu hören glauben. Die Kraft der Figuren harmoniert mit der Ausdrucksstärke dieser kurzen, aber prägnanten Texte, die von Suse Vetterlein flüssig ins Deutsche übertragen wurden.
Rezensiert von Carolin Fischer
Valeria Parrella: Der erfundene Freund
Aus dem Italienischen von Suse Vetterlein
Wagenbach 2006
128 S. € 15,50.
Gekonnt spielt Parrella mit den zahlreichen Klischees, die an ihrer Heimatstadt haften. Natürlich gibt es die Mafia, genauer: ihre neapolitanische Variante, die Camorra, es wird mit Drogen gehandelt, ein Kurier wird erschossen, seine Freundin muss dann auch dealen, um das gemeinsame Kind zu ernähren. Soweit das bekannte Muster, doch die junge Autorin unterläuft geschickt die Erwartungen, wenn sie ihre Figur eben gerade nicht untergehen lässt. Stattdessen gesteht sie ihr einen Stolz und eine Kraft zu, die sie mit dem nötigen Quäntchen Glück wieder in einer bürgerlichen oder zumindest kleinbürgerlichen Existenz Fuß fassen lassen.
Wie schwierig es im Süden Italiens häufig ist, überhaupt eine Arbeit zu finden, zeigt sich an zwei anderen Erzählungen, in denen dieses Thema geschickt als ein Faden in das Gewebe aus persönlichen und familiären Bindungen der Personen eingeflochten ist. Uns werden hoch qualifizierte junge Menschen gezeigt, die aber keiner angemessenen Berufstätigkeit nachgehen können, zumindest nicht auf legale Weise, doch damit arrangieren sie sich wie mit vielen anderen widrigen Lebensumständen.
Zu denen gehört auch die Familie. Natürlich kommt ihr eine wichtige Rolle zu, aber Valeria Parrella variiert wunderbar das Bild der italienischen Mamma, die an ihren Kindern hängt, doch als moderne Frau durchaus schauen muss, wie Geld ins Haus kommt. Sie lebt durchaus nicht spannungsfrei mit ihren halb oder ganz erwachsenen Töchtern, was mitunter fast groteske Züge annimmt, wenn beispielsweise Mutter und Tochter voreinander zu verstecken versuchen, dass sie rauchen.
Trotz aller familiärer und sozialen Probleme verfasst Valeria Parrella keine gesellschaftskritischen Schriften, sondern Literatur, die nicht nur durch die Handlung und die meist jungen Figuren sehr gegenwärtig ist. Sie schafft es nämlich, in einer mitunter rauen, aber sehr präzisen Sprache die Figuren plastisch zu schildern, so dass wir sie in den Dialogen leibhaftig zu hören glauben. Die Kraft der Figuren harmoniert mit der Ausdrucksstärke dieser kurzen, aber prägnanten Texte, die von Suse Vetterlein flüssig ins Deutsche übertragen wurden.
Rezensiert von Carolin Fischer
Valeria Parrella: Der erfundene Freund
Aus dem Italienischen von Suse Vetterlein
Wagenbach 2006
128 S. € 15,50.