Die Welt von morgen

Der grüne Pionier

Gunter Pauli, Gründer der so genannten Blue Economy
Gunter Pauli, Gründer der so genannten Blue Economy © picture alliance / dpa / Foto: David Chang
Von Leonie March |
Es klingt wie eine Utopie: Eine Wirtschaft, die die Umwelt nicht nur schont, sondern gar nicht mehr belastet. Eine Welt, in der es keine Abfälle und keine Armut mehr gibt. Der Ökonom Gunter Pauli arbeitet daran.
Gunter Pauli sitzt auf der Terrasse eines Cafés in Kapstadt und nippt an einer Tasse Kaffee. Ein gutes Beispiel für das Konzept der "Blue Economy", meint er schmunzelnd. Denn normalerweise werden nur 0,2 Prozent der Biomasse von Kaffee genutzt; der Rest ist Müll.
"Und wenn das so immer weiter geht, dann verstehen wir auch, was für eine doofe Konsumgesellschaft wir ja haben. Das ist doch unmöglich, dass wir das 500-fache herstellen könnten mit etwas. Aber heutzutage haben wir schon fast mehr als 1250 Unternehmen, die aus Kaffeesatz Pilze züchten. Nach der Ernte der Pilze hat man noch eine Biomasse übrig, die sehr reich ist an Eiweiß, das nachgenützt wird als eine Ernährung für Tiere."
Ein Kreislaufmodell, inspiriert von der Natur, das weit über den gängigen Recycling-Ansatz hinausgeht. Abfälle dienen als Ausgangsstoff für das nächste Produkt. Das macht die Herstellung preiswert. Im Idealfall entstehen lukrative Nischen für neue Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen.
"Mein Problem ist, dass wir schon mehr als Tausend von diesen Geschäften aufgebaut haben, weltweit und man sagt: ´Das ist doch ein Riesenerfolg!`Und dann sage ich: ´Aber nein, es sollte ja eine Million von Unternehmen sein!`“
Vom Waschmittelhersteller zum Umweltschützer
Der 58-jährige belgische Ökonom denkt in großen Maßstäben. Anfang der 90er-Jahre machte er sich einen Namen als grüner Pionier. Damals übernahm er die Leitung des "Ecover"-Konzerns, der biologisch abbaubare Waschmittel herstellt und lenkte das Unternehmen auf Erfolgskurs. Doch die Produkte basieren auf Palmöl, einem Rohstoff, für dessen Anbau in Ländern wie Indonesien Regenwälder gerodet werden. Für Pauli war diese Erkenntnis ein Wendepunkt: Er verließ "Ecover" und vertiefte sich im Vorfeld der Klimakonferenz von Kyoto ganz in die Entwicklung eines neuen Wirtschaftsmodells.
"Es ist ja dank der Regierung Japans und der Vereinten Nationen, dass ich die Zeit bekommen habe, so mal zwei, drei Jahre lang darüber nachzudenken, mit Forschern, mit Wissenschaftlern, was wäre denn ein richtiges, nachhaltiges Geschäftsmodell ohne Emissionen, ohne Abfälle."
Heute setzen Gunter Pauli und sein weltweites Netzwerk dieses Modell in die Tat um. Unternehmen, die nicht gegen sondern mit der Natur arbeiten und damit auch noch profitabel sind. Paulis Lieblingsbeispiel ist Steinpapier aus China: Es besteht aus Kalksteinpulver und Kunststoffabfällen und kommt damit ganz ohne forstwirtschaftliche Mono-Kulturen und umweltschädliche Bleichmittel aus.
"Was bedeutet z.B. wenn China für einhundert Millionen Tonnen Papier nicht mehr Zellulose braucht und kein Wasser mehr braucht. Wenn wir den Energieverbrauch mit Faktor 1200 runterbringen können. Es ist nicht nur umweltfreundlicher, es ist ja auch billiger. Und die Qualität ist so gut, dass wir das ja für die nächsten paar hundert Jahre nachnutzen können."
Festgefahrene Strukturen verhindern Umdenken
Ideen wie diese stoßen besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern auf großes Interesse, erzählt Gunter Pauli. In großen Teilen Europas und den USA verhinderten dagegen festgefahrene Strukturen und Denkmuster ein Umschwenken auf die "Blaue Ökonomie".
"Was fehlt uns? Ethik. Wir sind ja so fokussiert auf die Finanzanalyse. Nicht nur Gewinn, aber Cashflow und Macht auf dem Markt. Wie schaffen wir, mehr Marktanteil zu gewinnen mit niedrigen Kosten? Der Markt, so wie wir den Markt entwickelt haben, ist ein Markt, wo wir eigentlich Mangel und Armut brauchen, um einen Preis setzen zu können. Gibt es keinen Mangel, gibt es keinen Markt. Ich glaube, die größte Herausforderung bleibt die Ignoranz. Wir sind uns gar nicht bewusst von unseren Möglichkeiten."
Diese Bewusstseinsprozesse brauchen Zeit. Veränderungen beginnen in der Peripherie der Gesellschaft. Aber sie setzen sich langfristig durch, davon ist Gunter Pauli überzeugt.
"Wir haben heute 188 Projekte. Und wir haben insgesamt für diese 188 Projekte schon mehr als vier Milliarden Euro mobilisiert. Das heißt, Geld ist da. Projekte sind da. Und wenn man sagt: ´Professor Pauli, es scheint ein Traum zu sein.` Dann kann ich heutzutage sagen: "Bitte kommen Sie mit mir mit, gehen wir zusammen da hin. Gucken es uns mal an.'"
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