Die Wohltäter von Braunschweig

Von Susanne Schrammar |
Der Braunschweiger Unternehmer Richard Borek hat ein Vermögen mit dem Handel von Briefmarken und Münzen angehäuft. Seinen Erfolg möchte er mit seiner Heimatstadt teilen - und fördert gemeinsam mit seiner Frau kulturelle und soziale Projekte.
Aus der Wohnküche dringt ein köstlicher Duft, am Tisch basteln zwei Kinder Strohsterne und die gemütliche braune Ledercouch lädt zum Verweilen ein. Dieser Ort sieht nicht danach aus, als wäre er zum Sterben gemacht. Das Hospiz "Am Hohen Tore" in Braunschweig bietet zwölf Gästen für die letzte Lebensphase ein Zuhause, erzählt Erika Borek:

"Das Hospiz ist ja konzipiert wie ein Wohnhaus. Es möchte hier Familie auch gelebt werden und die Familie kann mitkommen in dieses Haus. Also wir hatten hier eine Taufe in dem Haus, wir hatten eine Familie, die hier in der wunderbaren Küche an dem großen Esstisch gekocht hat, es werden Klavierabende veranstaltet. Ich glaube, jeder, der reinkommt, fühlt sich wohl."

Gemeinsam mit ihrem Mann führt die 59-Jährige die Richard-Borek-Stiftung in Braunschweig. Die Einrichtung des Hospizes war der ehemaligen Krankenschwester ein Herzensanliegen. Damit Menschen in Würde sterben können, hat die mädchenhaft wirkende Frau mehr als sieben Jahre nach einem geeigneten Grundstück gesucht, Nachbarn überzeugt, Spenden gesammelt und dafür gesorgt, dass ein Großteil der Finanzierung aus dem Topf der familieneigenen Stiftung floss.

Nur einen Scheck auszustellen, das reicht auch Ehemann Richard nicht. In dritter Generation führt der 68-Jährige das inzwischen europaweit größte Versandhaus für Briefmarken und Münzen. Aus dem Unternehmensvermögen hat er 1981 die Stiftung gegründet und sagt, er verstehe sich als Bürger Braunschweigs, nicht als Mäzen:

"Ein Mäzen ist einer, der Geld gibt und sich nicht drum kümmert. Das sind wir nicht. Also wir sind welche, die sich erst drum kümmern und dann Geld geben. (lacht)"

Angefangen hat alles mit einer Ruine. Und mit Richard Boreks Vater, der tieftraurig darüber war, dass im Zweiten Weltkrieg so viel von seinem geliebten Braunschweig zerstört wurde. Die Bombenruine des herzoglichen Residenzschlosses hätte er gerne wieder in alter Schönheit bewundert, erinnert sich sein Sohn, doch der Braunschweiger Stadtrat beschloss 1960, die Reste abzureißen.

"Und er stand hier vorne, vor ihm so ungefähr 2000, 3000 Menschen, das war die Bürgerinitiative, die er ins Leben gerufen hat, aber es ist ihm nicht gelungen, den Abriss zu verhindern. Mein ganzes erlebtes Leben lang spielte diese für meinen Vater und auch Braunschweig große Tragödie eine Riesenrolle."

Heute stehen prunkvolle Sandsteinarkaden, geschmückt mit Säulen und Skulpturen, gekrönt von einer Quadriga, am alten Ort. Ohne die Richard-Borek-Stiftung, die der Sohn zu Ehren des Vaters gegründet hatte, wäre das nicht möglich gewesen - darüber sind sich alle in Braunschweig einig. Als ein Investor 2002 ein Shoppingcenter in der Innenstadt bauen wollte, setzte der Stiftungsvorstand durch, dass das Projekt nur in Verbindung mit einer weitgehenden Wiedererrichtung des Schlosses akzeptiert wurde. Hinter der prachtvollen Fassade verbergen sich mehr als 600 Geschäfte - für Richard Borek dennoch ein großer Triumph:

"Man darf nur nicht zu schnell aufgeben. Der Braunschweiger sagt: 'Nicht nachladen'."

Wie hoch das Stiftungsvermögen ist, wie viel Geld bereits zum Wohle der Region floss, darüber bewahren die Eheleute Borek Stillschweigen. Doch inzwischen haben sie bereits mehr als 400 Projekte unterstützt: Dank ihrer Hilfe wurden zum Beispiel historische Gartenanlagen wiederhergestellt, Denkmäler restauriert. Die Boreks haben Starthilfe für das Braunschweiger Filmfest gegeben, Orchester und Ausstellungen unterstützt, das Schlossmuseum vorangebracht, Kirchen gerettet.

Erika Borek: "Wir haben eigentlich ein Prinzip: Wir fördern gern mit anderen zusammen. Also ich habe versucht, diese Stadtteilfriedhöfe dann mit der Kirche zu fördern oder mit dem Denkmalschutz manchmal irgendwelche Mauern, Tore restaurieren zu lassen oder dass man auch eine andere Stiftung anspricht und sagt: Können wir nicht was Gemeinsames machen?"

Vor 15 Jahren kam auf Initiative von Erika Borek zum kulturellen auch ein sozialer Stiftungsschwerpunkt hinzu. Förderung von Schulsozialarbeit, eine Initiative für Scheidungskinder oder die Einrichtung von Jugendtreffs - oftmals kommt der Impuls direkt von ihr selbst:

"Für mich ist Kultur, dass unsere Kinder eine gute Ausbildung haben - also nicht nur meine, sondern die Kinder dieser Stadt. Und ein Kind, dass irgendwie in der Schule den Weg nicht so gut mitgehen kann, hat es erst mal sehr viel schwerer im Leben, und das müssen wir versuchen aufzufangen, egal, aus welchem Bereich es kommt."

Wir wollen bewahren und bewegen, sagt Erika Borek. Und ihr Mann, der für sein Engagement den selten verliehenen niedersächsischen Verdienstorden erhalten hat, fügt hinzu: Dieses Land benötige eine viel stärkere Bereitschaft, sich für das öffentliche Gemeinwohl einzusetzen. Ihm persönlich mache das Ganze sogar richtig Spaß:

"Also der liebe Gott war mir hold gewesen, der hat mich - so denke ich - in die Welt gesetzt, damit ich etwas bewege, etwas schaffe. Aber nicht nur für mich. Ich war 20 Jahre in zwei Kirchenvorständen. Ich habe, denke schon, aus meinem Glauben heraus die Verpflichtung gesehen, doch mehr zu tun, als nur materielle Güter anzuhäufen."

Doch Gutes tun kann auch ganz schön anstrengend sein. In den nächsten fünf Jahren will sich der 68-Jährige ein wenig aus der Stiftung zurückziehen. Ehefrau Erika wird dann vermutlich von den Kindern unterstützt. Die Arbeit der Richard-Borek-Stiftung soll weitergehen.