Die Zerstörung der grünen Lunge
Der brasilianische Regenwald, ein gigantischer CO2-Speicher und das größte Naturgebiet der Welt, wird seit Jahrzehnten von Holzfällern und Bauern gerodet und verbrannt. Die Zerstörung hat deutlich zugenommen: Allein im März und April waren es sechs Mal mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Die Kettensage frisst sich durch den Stamm eines Amazonas-Baumes. Ein Geräusch, das jahrzehntelang für die Vernichtung des größten zusammenhängenden tropischen Regenwaldes stand. Der Regenwald im Amazonasbecken umfasst eine gigantische Fläche, 110 Millionen Hektar.
Eine Fläche, deren Baumbestand immer weiter zurückgegangen ist. Kommerzielle Interessen trieben die Abholzung voran. Der US-amerikanische Klimawissenschaftler Philip Fearnside forscht seit mehr als 30 Jahren am INPA-Institut in Manaus über die Bedeutung des Regenwaldes im Amazonasbecken und über die Veränderungen in der Region:
"Es gibt eine ganze Menge offensichtlicher Wechsel. Und die sind verantwortlich für den riesigen Umfang an Abholzung. Seit ich hier bin, sind mehr als 630.000 Quadratkilometer abgeholzt worden. Das ist die Fläche Frankreichs und noch Halb-Spanien dazu. Zur Erinnerung: Der Regenwald in Brasilien hat etwa eine Fläche so groß wie West-Europa.
Man sieht, die Abholzung hat ganze Arbeit geleistet. Es wurden Straßen gebaut, die dafür gesorgt haben, dass noch mehr abgeholzt werden konnte. Das sind die größten Landschaftsveränderungen die ich kenne. Kein Vergleich zu dem, was man in Nordamerika oder Europa in diesem Zeitraum sehen kann."
Doch die jahrelangen Proteste gegen die großflächige Abholzung, der Widerstand der Umwelt- und Naturschützer, die internationale Ächtung von Tropenholz – all das schien zu einem Wandel geführt zu haben. Das Tempo der Abholzung verringerte sich. 20.000 Quadratkilometer Regenwald wurden noch vor einem Jahrzehnt abgeholzt – pro Jahr.
Zum Jahreswechsel veröffentlichte die Regierung Zahlen, wonach der Holzeinschlag um zwei Drittel zurückgegangen sei. Doch die neuesten Meldungen sind besorgniserregend. Die Abholzung im Amazonas-Regenwald ist wieder sprunghaft angestiegen. Das zumindest belegen Satellitenbilder, die die brasilianische Regierung jüngst veröffentlicht hat.
Umweltministerin Izabella Teixeira reiste zusammen mit dem Justizminister zu einer Farm, wo die illegalen Rodungen entdeckt worden waren. Ein Landwirt hatte mit Traktoren und einer riesigen Stahlkette 100 Hektar Wald niedergerissen. Die Umweltministerin zeigte sich empört:
"Die Rodungen mit Hilfe von langen Stahlketten sind illegal. Da gibt es weitaus schonendere Methoden. Und das hier wurde nur in einer Nacht abgeholzt, an einem Sonntag. Alles was strikt verboten ist, hat der Landwirt gemacht. Er wusste, was er macht und deshalb wird er bestraft."
600.000 Reais, umgerechnet 250.000 Euro, Strafe brummte die Umweltbehörde dem Landwirt auf. Justizminister José Eduardo Cardozo hofft auf die Signalwirkung solch drakonischer Strafen:
"Eine solche Situation ist nicht zu tolerieren. Wir werden dagegen hart vorgehen. Diejenigen, die weiterhin illegal abholzen, dürfen sich auf etwas gefasst machen. Sie werden die passenden gesetzlichen Konsequenzen mit harter Hand spüren."
Doch nicht nur der Regenwald im Amazonas, auch andere Waldregionen Brasiliens sind gefährdet. Die Pampa, der Cerrado, eine Savanne in Zentral-Brasilien, vor allem aber die Mata Atlantica. Ein Küstenurwald, von dem nur noch 7 Prozent seiner ursprünglichen Fläche übrig geblieben sind. Einst erstreckte sich dieser atlantische Regenwald fast über die gesamte Ostküste Brasiliens, Ausläufer zogen sich in das Landesinnere.
Heute ist er einer der am meisten bedrohten tropischen Wälder. Und obwohl nur noch einige nicht zusammenhängende Flächen existieren, ist dort die biologische Vielfalt eine der höchsten der Welt. Doch dieses sensible Ökosystem ist bedroht.
Das neue Waldgesetz, über das derzeit in der brasilianischen Politik erbittert gestritten wird, hat zum Inhalt, dass die Schutzflächen weiter verringert werden. Die Küstenstreifen sind begehrtes Bauland, die Baulobby hat die Mata Atlantica im Visier. Sarney Filho von der grünen Partei PV kämpft gegen das Gesetz:
"Ich halte es für sehr gefährlich, dass permanent darüber gesprochen wird, die Schutzgebiete entlang der Flussufer und entlang der Küste zu verringern. In der Mata Atlantica dient die Uferbewaldung nicht alleine dazu, dass das Ökosystem Fluss erhalten bleibt.
Sie ist auch ein biologischer Korridor, der isolierte Reste der Mata Atlantica miteinander verbindet, damit auch der genetische Austausch der Fauna und Flora zwischen diesen Flächen möglich ist. Und das wird immer wichtiger."
Doch die Diskussion ist kompliziert. Die Landwirtschaft in Brasilien ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Ein Ergebnis der neuen Mittelschicht, die sich in dem Land gebildet hat, die auch mehr konsumiert. Dazu kommt, dass der Export floriert. Es werden immer mehr Flächen für Soja und Zuckerrohr benötigt.
Das neue Waldgesetz, das der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Brasiliens Rechnung tragen möchte, wird immer mehr zum Zankapfel zwischen der Agrarlobby und den Umweltschützern. Es sieht vor, dass die Umweltauflagen für Grundbesitzer gelockert werden und dass es eine Amnestie für zurückliegende illegale Rodungen geben soll.
Das Abgeordnetenhaus hat inzwischen dem Gesetzesentwurf zugestimmt – gegen den ausdrücklichen Willen von Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Die ehemalige brasilianische Umweltministerin Marina Silva vom Partido Verde, der grünen Partei in Brasilien, hofft, dass Präsidentin Rousseff gegen das Gesetz – sollte es im Senat ebenfalls verabschiedet werden – ihr Veto einlegt:
"Die Präsidentin hat noch einmal betont, dass es in der Umweltgesetzgebung zu keinen Rückschritten kommen wird. Das hatte sie so ja auch im Wahlkampf versprochen. Damals hatte sie erklärt, dass sie kein Gesetz billigen werde, das die Abholzungen erhöht."
Die aktuelle Diskussion kommt für die Regierung zur Unzeit. Denn Brasilien rühmt sich, dass das ökologische Bewusstsein im Land eigentlich gewachsen sei. Die großen Supermarktketten setzen verstärkt auf Bioprodukte. Es gibt inzwischen viele besonders geschützte Gebiete, für Pflanzen aber auch für die Naturvölker, die bisher fernab jeglicher Zivilisation leben konnten.
Und auch für die Politik in Brasilien hat das Thema Umwelt eigentlich eine ganz neue Aktualität. Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr erreichte Marina Silva, die mit dem Thema Umwelt Wahlkampf gemacht hatte, 20 Prozent der Stimmen.
Und doch gibt es Rückschläge, wie die aktuelle Diskussion beweist. Es könnte sein, dass die jüngst entdeckten Rodungen im Regenwald unmittelbar mit der Debatte um das Waldgesetz zusammenhängen. Die im Gesetzentwurf verankerte Amnestie könnte nämlich die Holzfäller-Mafia dazu gebracht haben, vor der Verabschiedung des Gesetzes schnell noch vollendete Tatsachen zu schaffen.
Eine Fläche, deren Baumbestand immer weiter zurückgegangen ist. Kommerzielle Interessen trieben die Abholzung voran. Der US-amerikanische Klimawissenschaftler Philip Fearnside forscht seit mehr als 30 Jahren am INPA-Institut in Manaus über die Bedeutung des Regenwaldes im Amazonasbecken und über die Veränderungen in der Region:
"Es gibt eine ganze Menge offensichtlicher Wechsel. Und die sind verantwortlich für den riesigen Umfang an Abholzung. Seit ich hier bin, sind mehr als 630.000 Quadratkilometer abgeholzt worden. Das ist die Fläche Frankreichs und noch Halb-Spanien dazu. Zur Erinnerung: Der Regenwald in Brasilien hat etwa eine Fläche so groß wie West-Europa.
Man sieht, die Abholzung hat ganze Arbeit geleistet. Es wurden Straßen gebaut, die dafür gesorgt haben, dass noch mehr abgeholzt werden konnte. Das sind die größten Landschaftsveränderungen die ich kenne. Kein Vergleich zu dem, was man in Nordamerika oder Europa in diesem Zeitraum sehen kann."
Doch die jahrelangen Proteste gegen die großflächige Abholzung, der Widerstand der Umwelt- und Naturschützer, die internationale Ächtung von Tropenholz – all das schien zu einem Wandel geführt zu haben. Das Tempo der Abholzung verringerte sich. 20.000 Quadratkilometer Regenwald wurden noch vor einem Jahrzehnt abgeholzt – pro Jahr.
Zum Jahreswechsel veröffentlichte die Regierung Zahlen, wonach der Holzeinschlag um zwei Drittel zurückgegangen sei. Doch die neuesten Meldungen sind besorgniserregend. Die Abholzung im Amazonas-Regenwald ist wieder sprunghaft angestiegen. Das zumindest belegen Satellitenbilder, die die brasilianische Regierung jüngst veröffentlicht hat.
Umweltministerin Izabella Teixeira reiste zusammen mit dem Justizminister zu einer Farm, wo die illegalen Rodungen entdeckt worden waren. Ein Landwirt hatte mit Traktoren und einer riesigen Stahlkette 100 Hektar Wald niedergerissen. Die Umweltministerin zeigte sich empört:
"Die Rodungen mit Hilfe von langen Stahlketten sind illegal. Da gibt es weitaus schonendere Methoden. Und das hier wurde nur in einer Nacht abgeholzt, an einem Sonntag. Alles was strikt verboten ist, hat der Landwirt gemacht. Er wusste, was er macht und deshalb wird er bestraft."
600.000 Reais, umgerechnet 250.000 Euro, Strafe brummte die Umweltbehörde dem Landwirt auf. Justizminister José Eduardo Cardozo hofft auf die Signalwirkung solch drakonischer Strafen:
"Eine solche Situation ist nicht zu tolerieren. Wir werden dagegen hart vorgehen. Diejenigen, die weiterhin illegal abholzen, dürfen sich auf etwas gefasst machen. Sie werden die passenden gesetzlichen Konsequenzen mit harter Hand spüren."
Doch nicht nur der Regenwald im Amazonas, auch andere Waldregionen Brasiliens sind gefährdet. Die Pampa, der Cerrado, eine Savanne in Zentral-Brasilien, vor allem aber die Mata Atlantica. Ein Küstenurwald, von dem nur noch 7 Prozent seiner ursprünglichen Fläche übrig geblieben sind. Einst erstreckte sich dieser atlantische Regenwald fast über die gesamte Ostküste Brasiliens, Ausläufer zogen sich in das Landesinnere.
Heute ist er einer der am meisten bedrohten tropischen Wälder. Und obwohl nur noch einige nicht zusammenhängende Flächen existieren, ist dort die biologische Vielfalt eine der höchsten der Welt. Doch dieses sensible Ökosystem ist bedroht.
Das neue Waldgesetz, über das derzeit in der brasilianischen Politik erbittert gestritten wird, hat zum Inhalt, dass die Schutzflächen weiter verringert werden. Die Küstenstreifen sind begehrtes Bauland, die Baulobby hat die Mata Atlantica im Visier. Sarney Filho von der grünen Partei PV kämpft gegen das Gesetz:
"Ich halte es für sehr gefährlich, dass permanent darüber gesprochen wird, die Schutzgebiete entlang der Flussufer und entlang der Küste zu verringern. In der Mata Atlantica dient die Uferbewaldung nicht alleine dazu, dass das Ökosystem Fluss erhalten bleibt.
Sie ist auch ein biologischer Korridor, der isolierte Reste der Mata Atlantica miteinander verbindet, damit auch der genetische Austausch der Fauna und Flora zwischen diesen Flächen möglich ist. Und das wird immer wichtiger."
Doch die Diskussion ist kompliziert. Die Landwirtschaft in Brasilien ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Ein Ergebnis der neuen Mittelschicht, die sich in dem Land gebildet hat, die auch mehr konsumiert. Dazu kommt, dass der Export floriert. Es werden immer mehr Flächen für Soja und Zuckerrohr benötigt.
Das neue Waldgesetz, das der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Brasiliens Rechnung tragen möchte, wird immer mehr zum Zankapfel zwischen der Agrarlobby und den Umweltschützern. Es sieht vor, dass die Umweltauflagen für Grundbesitzer gelockert werden und dass es eine Amnestie für zurückliegende illegale Rodungen geben soll.
Das Abgeordnetenhaus hat inzwischen dem Gesetzesentwurf zugestimmt – gegen den ausdrücklichen Willen von Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Die ehemalige brasilianische Umweltministerin Marina Silva vom Partido Verde, der grünen Partei in Brasilien, hofft, dass Präsidentin Rousseff gegen das Gesetz – sollte es im Senat ebenfalls verabschiedet werden – ihr Veto einlegt:
"Die Präsidentin hat noch einmal betont, dass es in der Umweltgesetzgebung zu keinen Rückschritten kommen wird. Das hatte sie so ja auch im Wahlkampf versprochen. Damals hatte sie erklärt, dass sie kein Gesetz billigen werde, das die Abholzungen erhöht."
Die aktuelle Diskussion kommt für die Regierung zur Unzeit. Denn Brasilien rühmt sich, dass das ökologische Bewusstsein im Land eigentlich gewachsen sei. Die großen Supermarktketten setzen verstärkt auf Bioprodukte. Es gibt inzwischen viele besonders geschützte Gebiete, für Pflanzen aber auch für die Naturvölker, die bisher fernab jeglicher Zivilisation leben konnten.
Und auch für die Politik in Brasilien hat das Thema Umwelt eigentlich eine ganz neue Aktualität. Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr erreichte Marina Silva, die mit dem Thema Umwelt Wahlkampf gemacht hatte, 20 Prozent der Stimmen.
Und doch gibt es Rückschläge, wie die aktuelle Diskussion beweist. Es könnte sein, dass die jüngst entdeckten Rodungen im Regenwald unmittelbar mit der Debatte um das Waldgesetz zusammenhängen. Die im Gesetzentwurf verankerte Amnestie könnte nämlich die Holzfäller-Mafia dazu gebracht haben, vor der Verabschiedung des Gesetzes schnell noch vollendete Tatsachen zu schaffen.