Billiger und grüner?
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Mit Vinyl-Platten lässt sich längst wieder Geld verdienen. Aber wie steht es um die Umweltverträglichkeit? Darüber hat die Branche auf der "Physical Media World Conference" in Berlin diskutiert und neue Produktionsverfahren vorgestellt.
Es ist die Gretchenfrage in der Branche der physischen Tonträger: Wie können wir gegenüber Streamingdiensten wie Spotify bestehen, die uns für zehn Euro im Monat fast alles bereitstellen, was jemals an Musik aufgenommen worden ist? Oder anders formuliert: Wie bloß schafft es Luis Vuitton, seine Plastikhandtaschen für 1500 Euro pro Stück zu verkaufen? Antwort: Emotionen, Luxus, Wertigkeit. Also denkt die Branche weiter über CD- oder Vinyl-Boxen mit beigelegten Gimmicks und unveröffentlichtem Material nach. In dieser Hinsicht wirkt die Tonträger-Konferenz in Berlin etwas gestrig.
Aber es gibt einen Markt: Falls Sie denken, dass 150.000 Dollar für einen Plattenspieler schon viel Geld ist – der US-amerikanische Vinyl-Blogger Michael Fremer kennt da ganz andere Kaliber.
Plattenspieler für eine halbe Million Dollar
Ja, es gibt Plattenspieler für eine halbe Million Dollar, und es sind schon zehn verkauft.
Überhaupt der Schallplattenmarkt: Es gab auf der Physical Media World Conference etwas Aufregung über angebliche Vinylverkauf-Rückgänge in Deutschland nach einer Periode rasanten Wachstums. Max Gössler, der vor zwei Jahren mit einem Partner in Berlin ein kleines Vinyl-Presswerk eröffnet hat, betrachtet diese Zahlen mit Skepsis: "Wenn erfasst wird, dass Vinylumsätze um 40 Prozent steigen, welche Platten werden denn da erfasst? Das werden doch nur die Platten erfasst, die bei Media Markt über die Theke gehen, aber nicht die, die im Neuköllner Plattenladen über die Theke gehen oder die Bands auf ihren Konzerten verkaufen."
Will heißen: Der traditionelle Vinylmarkt der Techno-Labels und Indie-Bands ist womöglich stabiler, als es die Marktforschung erfasst.
Nachhaltigkeit ist das große Thema
Die wesentlichen Neuerungen auf der Konferenz jedenfalls drehen sich alle um Nachhaltigkeit. Green Vinyl Records etwa kommen aus den Niederlanden, die trotz des irreführenden Namens eben nicht aus Vinyl beziehungsweise PVC bestehen und deren Herstellung ohne die Verwendung von Wasserdampf auskommt und damit angeblich 60 Prozent weniger Energie im Herstellungsprozess braucht. Aber aus was besteht denn nun Green Vinyl?
Harm Theunisse von der Firma Symcon: "Das sind Gruppenfamilien aus Plastik, und da haben wir einen Mix von gemacht, was besser ist für die Musik und für die Scratchability. Es wird gesagt, dass bei Vinyl nach 70 Mal Spielen das Signal schlechter wird. Aber bei unserem Material, habe ich schon getestet, ist es 400 Mal." Ein anderes Plastik also, das angeblich 25 Prozent billiger in der Herstellung ist, länger hält und besser klingt. Aber genau weiß man das noch nicht. Denn mit den ersten Produktionen wird erst nach dem Sommer gerechnet.
Von Lasern und Pressmatrizen
In eine ähnliche grüne Produktionsrichtung geht das HD-Vinyl der österreichischen Firma Rebeat. Deren Geschäftsführer ist Günter Loibl: "Es ist ein neuer Prozess, mit der im Prinzip die Stamper, also die Pressmatrize, die bis jetzt aus Nickel besteht und in mehreren Stufen hergestellt wird, mit einem Laser in einem einstufigen Verfahren hergestellt wird. Sorgt dafür, dass die ganze giftige Galvanik wegfällt, also ist ein wesentlich umweltfreundlicher Prozess."
Und die Tonqualität ist angeblich auch besser, weil der Laser viel präziser arbeiten würde als herkömmliche Schneidemaschinen. Max Gössler, der Berliner Jungunternehmer, ist skeptisch, denn hier mischt sich Digitaltechnik ins eigentliche analoge Verfahren der Schallplattenherstellung. Die Spurrille, die der Laser schneidet, wird von einem Algorithmus berechnet.
Wie digital darf's sein?
"Es ist natürlich eine Weiterentwicklung des bisherigen Verfahrens, aber wir bewegen uns da wieder zwischen Nullen und Einsen. Und jetzt kann ich von unserer Seite sagen, wir haben schon viele Kunden, die wollen diese digitale Ebene gar nicht betreten. Das heißt bestimmte Jazzer, die komplett über Tonband in die Schneidemaschine gehen wollen, um analog zu bleiben, sind nach diesem Verfahren nicht möglich." Zudem ist der digitale hergestellte Stamper viel teurer als ein herkömmlicher Nickel-Stamper, lohnt also nur bei großen Auflagen.
Das Interesse an möglichst nachhaltigen Produktionsverfahren – das zeigt die Tonträger-Konferenz – ist groß. Und machen wir uns nichts vor: Der ökologische Fußabdruck beim Streaming ist auch nicht gerade klein.