Die Zukunft ist grün
Im Umweltschutz sind die USA noch immer Entwicklungsland. Kalifornien bildet da eine Ausnahme, hat sich nicht nur zum Meister des Energiesparens entwickelt, sondern setzt auch besonders stark auf erneuerbare Energien.
Die Autos auf den Highways sind riesige Spritfresser. Die Häuser sind so gut wie gar nicht isoliert. Und auch die Kraftwerke sind wenig effizient. Die US-Amerikaner sind Weltmeister im Energieverbrauch. Auch um das zu ändern, war Präsident Obama angetreten. Er wollte eine Energiewende in Amerika schaffen:
"Wir können weiter Weltmeister bei den Öl-Importen bleiben – oder wir werden Weltmeister beim Export erneuerbarer Energien. Wir können zusehen, wie der Klimawandel unser Land zerstört – oder wir schaffen Jobs, um das zu verhindern. Wir können die Jobs des 21. Jahrhunderts anderen überlassen – oder wir können es machen wie Länder in Europa und Asien: Die Nation, die führend bei sauberen Energien ist, wird auch die globale Wirtschaft anführen. Amerika kann, Amerika muss diese Nation sein!"
Öko-Boom gleich Weltmacht – mit dieser Gleichung versuchte Obama seinem Land die Energiewende schmackhaft zu machen. Beim Klimagipfel in Kopenhagen versprach er, den Ausstoß schädlicher Treibhausgase in den USA bis 2020 um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Ein Gesetz sollte bindende Obergrenzen festlegen und Förderanreize für alternative Energien schaffen. Doch spätestens seit der Wahlschlappe im November ist klar: Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Kongress muss Obama sein Vorhaben aufgeben.
"Im Repräsentantenhaus sitzen jetzt Abgeordnete, die den Klimawandel bestreiten oder sagen, die Menschen seien nicht verantwortlich dafür. Diese Abgeordneten werden kaum Lösungen gegen ein Problem unterstützen, das es nach ihrer Ansicht gar nicht gibt. Es wird also schwer sein, eine Mehrheit für Gesetze dieser Art im neuen Kongress zu finden."
Sagt Daniel J. Weiss vom "Center for American Progress", einer liberalen Denkfabrik in Washington. Er sieht den gesamten Wirtschaftszweig der grünen Technologien in den USA in Gefahr:
"Die Frage ist jetzt: Was kann Obama noch tun? Er muss einen Markt und eine Infrastruktur schaffen und Geld zur Verfügung stellen - gegen ein feindlich gesinntes Repräsentantenhaus und einen nicht besonders freundlich gesinnten Senat. Das wird die Herausforderung der nächsten zwei Jahre sein. Warum sollte ein Investor zum Beispiel Geld in einen Windpark stecken, wenn im Kongress Leute sitzen, die von Klimawandel nichts wissen wollen? Dann behält der Investor doch lieber sein Geld – und das bedeutet auch, dass weniger neue Jobs geschaffen werden."
Der Öko-Lobbyist ist pessimistisch, dass Obama seine Klimaschutzziele einhalten kann. Wenn überhaupt, dann nur mit Hilfe der Bundesstaaten. Gut die Hälfte von ihnen ist inzwischen vorgeprescht. Sie wollen nicht mehr länger auf Washington warten.
"In den USA haben die Bundesstaaten eine große gesetzgeberische Freiheit. Wir nennen sie deshalb auch 'Demokratie-Labore'. Häufig entstehen hier Programme, die dann von Washington übernommen werden. Mittlerweile haben 30 Staaten neue Standards, die zum Ziel haben, dass 15 bis 25 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energien kommen muss. Viele hoffen, dass jetzt die Staaten dieses gesetzgeberische Vakuum in Washington füllen können."
Die grüne Hoffnung liegt an der Westküste der USA, in Kalifornien. Schon seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es hier eine ambitionierte Umweltgesetzgebung - die weitreichendste in den gesamten Vereinigen Staaten. Doch die wäre im November um ein Haar im Schatten der Mid-Term-Wahlen lahmgelegt worden. Die mächtige Öl-Lobby hatte einen Volksentscheid eingebracht mit dem Ziel, die Klimaschutzgesetze auszusetzen.
"There is a great drama, there is a great struggle here in California right now, that the rest of the world doesn't pay much attention to and knows very little about.”"
Von einem Drama sprach Arnold Schwarzenegger, bis vor einigen Tagen noch der Gouverneur von Kalifornien, von einem Kampf, von dem der Rest der Welt nichts mitbekomme. Der "Terminator", der nach acht Jahren im Amt nicht mehr antreten durfte, sah sein politisches Erbe in Gefahr – und stieg ein letztes Mal in den Ring.
Obwohl er Republikaner ist, hatte der gebürtige Österreicher in seiner Amtszeit die Ölindustrie gegen sich aufgebracht. Vor allem mit der Unterzeichnung des "Global Warming Solution Act" 2006. Mit ihm sollen in Kalifornien die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 auf das Niveau von 1990 sinken und bis 2050 dann um weitere 20 Prozent reduziert werden. In der Finanzkrise und der Rezession sahen die Ölkonzerne ihre Chance gekommen: Mit Hilfe der "Proposition 23", über die die Kalifornier per Volksentscheid im November abgestimmt haben, wollten sie die unliebsamen Gesetze lahm legen. Neun Millionen Dollar steckten sie in eine aufwendige Medien-Kampagne.
Die Klimaschutz-Gesetze sollten so lange ausgesetzt werden, bis die chronisch hohe Arbeitslosenrate in Kalifornien mindestens ein Jahr unter 5,5 Prozent sinkt. Und nicht nur Schwarzenegger fragte sich:
""Glaubt jemand ernsthaft, dass diese Unternehmen vor lauter Großzügigkeit in ihren schwarzen Ölherzen Millionen von Dollars ausgeben, um Jobs zu sichern? (Applaus) Das wäre so, als wenn Eva Braun ein koscheres Kochbuch schreiben würde. (Gelächter). Hier geht es nicht um Jobs, es geht darum, dass die Firmen weiter die Umwelt verschmutzen können und damit ihre Profite sichern."
Die Strategie der Ölkonzerne scheiterte jedoch. Am Ende stimmten über 61 Prozent der Wähler mit "Nein". Auch dank des Engagements von Prominenten: Filmemacher James Cameron, Intel-Mitbegründer Gordon Moore und einige andere Unternehmensgrößen spendeten dreimal so viel wie die Ölkonzerne. Und sie taten das auch aus eigennützigen Motiven: Denn gerade in Kalifornien haben viele inzwischen entdeckt, dass sich mit der grünen Sache auch gutes Geld verdienen lässt.
Silicon Valley: Seit den 60er-Jahren Synonym für die amerikanische Computer- und Hochtechnologie. Längst ist dieser Landstrich südlich von San Francisco zum grünen Tal geworden. Seit einigen Jahren ist Silicon Valley "Brutstätte" für junge Unternehmen aus der Umweltbranche, so wie "Silver Spring Networks” in Redwood City.
"Heute ist das Stromnetz im Prinzip noch genauso, wie es uns Thomas Edison vor mehr als hundert Jahren hinterlassen hat. Edisons Philosophie war es, große, zentrale Kraftwerke zu bauen. Und das ist immer noch die Art und Weise, wie auf der ganzen Welt Strom überwiegend erzeugt wird. Der Fokus war immer: Wie können wir noch mehr Strom produzieren? Und nicht: Wie können wir den Strom intelligenter herstellen und besser verteilen und nutzen? Diese Fragen stellen wir uns jetzt."
Scott Lang, der Chef von Silver Spring, setzt dabei auf "Smart Meters" – intelligente Stromzähler. Zähler, die nicht nur die Kilowattstunden messen, sondern dem Verbraucher sagen, wie er Strom sparen kann. Zum Bespiel, indem er die Klimaanlage nicht in der teuren Hauptzeit bis zum Anschlag aufdreht, sondern das Haus schon vorher herunter kühlt, wenn der Strom billiger ist. Auch die Stromerzeuger haben ein Interesse daran: Denn genügend Strom in den Hochlastzeiten zur Verfügung zu stellen, ist teuer. Das Wall Street Journal zählt das relativ kleine Unternehmen "Silver Spring" zu den Top 10- Unternehmen in der Branche der sauberen Technologien. Sieben dieser zehn haben ihren Sitz übrigens in Kalifornien. Und das sei kein Zufall, sagt Karen Douglas, Chefin der Energiekommission des Bundesstaates:
"Es hat sich gezeigt, dass unsere strengen Gesetze eine Menge Jobs geschaffen haben. Nehmen wir zum Beispiel die Abgas-Vorschriften: Die Unternehmen waren gezwungen, neue Technologien zu entwickeln. Innovative Industrien haben sich angesiedelt und sind gewachsen, allein schon, um den Markt hier in Kalifornien versorgen zu können. Gerade auf dem Gebiet der sauberen Energien versuchen wir, gezielt Projekte zu fördern, die Jobs schaffen."
2005 investierten Risikokapitalgeber in den USA etwa 450 Millionen Dollar in grüne Technologien. Drei Jahre später waren es schon 3,3 Milliarden – und Kalifornien profitiert davon wie kein anderer Bundesstaat: Fast 60 Prozent des gesamten in den USA investierten Risikokapitals fließt in die kalifornische Umweltbranche. Doch auch in diesem Bereich hat die Finanzkrise zu einem kräftigen Einbruch geführt. Das Geld drohte, knapp zu werden bei den grünen Firmen in Silicon Valley.
80 Milliarden Dollar hat Präsident Obama für Investitionen in grüne Technologien bereit gestellt. Auch ein Grund dafür, dass die Energiekommission im vergangenen Jahr den Bau von neun riesigen Solaranlagen in der kalifornischen Wüste genehmigt hat, nachdem in den 20 Jahren zuvor kein einziges Projekt dieser Art gab.
Während die USA größter Energieverschwender der Welt sind, wurde Kalifornien zum Meister im Sparen. Pro Kopf verbrauchen die Kalifornier derzeit 18 Prozent weniger Energie als 1970. Im Rest des Landes stieg der Verbrauch in diesem Zeitraum dagegen um fünf Prozent. Der Preis für die Kilowattstunde Strom ist in Kalifornien in den vergangenen 30 Jahren zwar um 40 Prozent gestiegen. Aber die Rechnungen sind dennoch nicht höher als damals. Das steigere die Akzeptanz der Umweltgesetze, sagt Noel Perry von der Organisation "Next Ten", die auch regelmäßig Umfragen zu dem Thema macht:
"Ein erstaunliches Ergebnis ist, dass 85 Prozent der Kalifornier sagen, es ist möglich, dass die Wirtschaft wächst und trotzdem die Treibhausgas-Emissionen sinken. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Kalifornier bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Veränderungen mitzutragen."
Gerade erst hat Kalifornien im Alleingang einen Kohlendioxid-Emissionshandel nach europäischem Vorbild eingeführt. Über die Zuteilung von Verschmutzungsrechten soll erstmals in den USA der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden.
Auch Silicon Valley-Pioniere wie der Internet-Gigant Google verfolgen mittlerweile eine grüne Agenda – aus wirtschaftlichen Erwägungen. Allein am Konzernsitz in Mountain View im Herzen des Silicon Valley verbraucht Google so viel Strom wie eine mittelgroße Stadt. Jede Anfrage über die Suchmaschine frisst bei Google so viel Strom, dass man damit eine Energiesparlampe eine Stunde lang brennen lassen könnte. Kein Wunder also, dass sich im Konzern eine eigene Abteilung ums Energiesparen kümmert. An deren Spitze steht Bill Weihl:
"Die Energie-Effizienz zu steigern, ist eigentlich einfach. Aber erstaunlicherweise kümmern sich viele nicht darum. Da gibt es eine Menge, was man machen kann, um sofort Geld zu sparen. Man muss es eben nur wollen. Und dann gibt es Projekte, die brauchen ein bisschen länger, bis sie sich auszahlen. Jeder bei uns im Unternehmen hat immer die Gesamtkosten im Blick: Wir sind bereit zu investieren, wenn wir die Aussicht haben, dass sich das langfristig auszahlt. Das heißt: dass wir langfristig weniger Energie verbrauchen."
So sind eben nicht nur Solarzellen auf den Dächern und Elektro-Dienstwagen auf dem Parkplatz. Der Konzern investiert gezielt in innovative Firmen. Zum Beispiel in "Makani Power", ein junges kalifornisches Unternehmen, das neue Windenergie-Technik erforscht. Die Vision: Die Kraft des Windes soll dort genutzt werden, wo sie stark und konstant ist: in einer Höhe von eineinhalb bis zwei Kilometern. Dort oben soll eine Art Drachen in der Luft fliegen, an den kleine Rotoren montiert sind. Da sich auch der Drachen in der Luft bewegt, drehen sich die Rotoren schneller als bei üblichen Windrädern – und produzieren so mehr Energie. Vielleicht schweben diese Drachen auch schon bald über dem Google-Campus im Silicon Valley.
"Strom aus Wind und Sonne zu gewinnen, ist derzeit noch deutlich teurer als Strom aus Kohlekraftwerken. In den USA kommt die Hälfte des Stroms aus Kohlekraftwerken. Die verursachen aber 85 Prozent der Emissionen. Wir stehen also im Wettbewerb mit der Kohle, wenn wir wegwollen von CO2. Das ist die größte Hürde, die wir nehmen müssen: Die erneuerbaren Energien müssen wettbewerbsfähig werden mit der Kohle."
Die politische Situation in Washington ist nicht leicht für Präsident Obama. Selbst als die Demokraten noch die Mehrheit im Kongress hatten, scheiterte er mit eines landesweiten Klimaschutzgesetz. Im Konjunkturpaket setzte Obama einen Schwerpunkt auf die Förderung grüner Technologien. Die Frage ist jedoch: Wie geht es weiter, wenn die Programme ausgelaufen sind?
Kalifornien allerdings will sich weiterhin nicht vom grünen Weg abbringen lassen. Der neue Gouverneur Jerry Brown ist ein Pionier der Umweltpolitik. Als er dieses Amt zwischen 1975 und 1983 schon einmal inne hatte, ließ er die ersten Windparks des Landes bauen. Und auch jetzt will der inzwischen 72-jährige Demokrat, dass Kalifornien grün bleibt:
"Wenn wir in alternative Energien investieren, in saubere Brennstoffe und moderne Hochspannungsleitungen, dann können wir zehntausend neue Arbeitsplätze schaffen. Wir können die Umwelt schützen und bekommen höhere Steuereinnahmen. Es gibt Leute, die sagen: Klimawandel gibt es nicht. Vergesst den Umweltschutz. Aber das ist falsch. Wir müssen die Umwelt schützen und Jobs schaffen, die langfristig für Wohlstand sorgen."
Bis zum Ende seiner Amtszeit soll ein Drittel des Stroms in Kalifornien aus Solaranlagen kommen. Und Browns Vizegouverneur Gavin Newsom – bisher Bürgermeister von San Francisco – hat angekündigt, auch aus Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens, sein Lieblingsprojekt weiter vorantreiben zu wollen: ein Gezeitenkraftwerk – direkt unter der Golden Gate Bridge.
"Wir können weiter Weltmeister bei den Öl-Importen bleiben – oder wir werden Weltmeister beim Export erneuerbarer Energien. Wir können zusehen, wie der Klimawandel unser Land zerstört – oder wir schaffen Jobs, um das zu verhindern. Wir können die Jobs des 21. Jahrhunderts anderen überlassen – oder wir können es machen wie Länder in Europa und Asien: Die Nation, die führend bei sauberen Energien ist, wird auch die globale Wirtschaft anführen. Amerika kann, Amerika muss diese Nation sein!"
Öko-Boom gleich Weltmacht – mit dieser Gleichung versuchte Obama seinem Land die Energiewende schmackhaft zu machen. Beim Klimagipfel in Kopenhagen versprach er, den Ausstoß schädlicher Treibhausgase in den USA bis 2020 um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Ein Gesetz sollte bindende Obergrenzen festlegen und Förderanreize für alternative Energien schaffen. Doch spätestens seit der Wahlschlappe im November ist klar: Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Kongress muss Obama sein Vorhaben aufgeben.
"Im Repräsentantenhaus sitzen jetzt Abgeordnete, die den Klimawandel bestreiten oder sagen, die Menschen seien nicht verantwortlich dafür. Diese Abgeordneten werden kaum Lösungen gegen ein Problem unterstützen, das es nach ihrer Ansicht gar nicht gibt. Es wird also schwer sein, eine Mehrheit für Gesetze dieser Art im neuen Kongress zu finden."
Sagt Daniel J. Weiss vom "Center for American Progress", einer liberalen Denkfabrik in Washington. Er sieht den gesamten Wirtschaftszweig der grünen Technologien in den USA in Gefahr:
"Die Frage ist jetzt: Was kann Obama noch tun? Er muss einen Markt und eine Infrastruktur schaffen und Geld zur Verfügung stellen - gegen ein feindlich gesinntes Repräsentantenhaus und einen nicht besonders freundlich gesinnten Senat. Das wird die Herausforderung der nächsten zwei Jahre sein. Warum sollte ein Investor zum Beispiel Geld in einen Windpark stecken, wenn im Kongress Leute sitzen, die von Klimawandel nichts wissen wollen? Dann behält der Investor doch lieber sein Geld – und das bedeutet auch, dass weniger neue Jobs geschaffen werden."
Der Öko-Lobbyist ist pessimistisch, dass Obama seine Klimaschutzziele einhalten kann. Wenn überhaupt, dann nur mit Hilfe der Bundesstaaten. Gut die Hälfte von ihnen ist inzwischen vorgeprescht. Sie wollen nicht mehr länger auf Washington warten.
"In den USA haben die Bundesstaaten eine große gesetzgeberische Freiheit. Wir nennen sie deshalb auch 'Demokratie-Labore'. Häufig entstehen hier Programme, die dann von Washington übernommen werden. Mittlerweile haben 30 Staaten neue Standards, die zum Ziel haben, dass 15 bis 25 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energien kommen muss. Viele hoffen, dass jetzt die Staaten dieses gesetzgeberische Vakuum in Washington füllen können."
Die grüne Hoffnung liegt an der Westküste der USA, in Kalifornien. Schon seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es hier eine ambitionierte Umweltgesetzgebung - die weitreichendste in den gesamten Vereinigen Staaten. Doch die wäre im November um ein Haar im Schatten der Mid-Term-Wahlen lahmgelegt worden. Die mächtige Öl-Lobby hatte einen Volksentscheid eingebracht mit dem Ziel, die Klimaschutzgesetze auszusetzen.
"There is a great drama, there is a great struggle here in California right now, that the rest of the world doesn't pay much attention to and knows very little about.”"
Von einem Drama sprach Arnold Schwarzenegger, bis vor einigen Tagen noch der Gouverneur von Kalifornien, von einem Kampf, von dem der Rest der Welt nichts mitbekomme. Der "Terminator", der nach acht Jahren im Amt nicht mehr antreten durfte, sah sein politisches Erbe in Gefahr – und stieg ein letztes Mal in den Ring.
Obwohl er Republikaner ist, hatte der gebürtige Österreicher in seiner Amtszeit die Ölindustrie gegen sich aufgebracht. Vor allem mit der Unterzeichnung des "Global Warming Solution Act" 2006. Mit ihm sollen in Kalifornien die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 auf das Niveau von 1990 sinken und bis 2050 dann um weitere 20 Prozent reduziert werden. In der Finanzkrise und der Rezession sahen die Ölkonzerne ihre Chance gekommen: Mit Hilfe der "Proposition 23", über die die Kalifornier per Volksentscheid im November abgestimmt haben, wollten sie die unliebsamen Gesetze lahm legen. Neun Millionen Dollar steckten sie in eine aufwendige Medien-Kampagne.
Die Klimaschutz-Gesetze sollten so lange ausgesetzt werden, bis die chronisch hohe Arbeitslosenrate in Kalifornien mindestens ein Jahr unter 5,5 Prozent sinkt. Und nicht nur Schwarzenegger fragte sich:
""Glaubt jemand ernsthaft, dass diese Unternehmen vor lauter Großzügigkeit in ihren schwarzen Ölherzen Millionen von Dollars ausgeben, um Jobs zu sichern? (Applaus) Das wäre so, als wenn Eva Braun ein koscheres Kochbuch schreiben würde. (Gelächter). Hier geht es nicht um Jobs, es geht darum, dass die Firmen weiter die Umwelt verschmutzen können und damit ihre Profite sichern."
Die Strategie der Ölkonzerne scheiterte jedoch. Am Ende stimmten über 61 Prozent der Wähler mit "Nein". Auch dank des Engagements von Prominenten: Filmemacher James Cameron, Intel-Mitbegründer Gordon Moore und einige andere Unternehmensgrößen spendeten dreimal so viel wie die Ölkonzerne. Und sie taten das auch aus eigennützigen Motiven: Denn gerade in Kalifornien haben viele inzwischen entdeckt, dass sich mit der grünen Sache auch gutes Geld verdienen lässt.
Silicon Valley: Seit den 60er-Jahren Synonym für die amerikanische Computer- und Hochtechnologie. Längst ist dieser Landstrich südlich von San Francisco zum grünen Tal geworden. Seit einigen Jahren ist Silicon Valley "Brutstätte" für junge Unternehmen aus der Umweltbranche, so wie "Silver Spring Networks” in Redwood City.
"Heute ist das Stromnetz im Prinzip noch genauso, wie es uns Thomas Edison vor mehr als hundert Jahren hinterlassen hat. Edisons Philosophie war es, große, zentrale Kraftwerke zu bauen. Und das ist immer noch die Art und Weise, wie auf der ganzen Welt Strom überwiegend erzeugt wird. Der Fokus war immer: Wie können wir noch mehr Strom produzieren? Und nicht: Wie können wir den Strom intelligenter herstellen und besser verteilen und nutzen? Diese Fragen stellen wir uns jetzt."
Scott Lang, der Chef von Silver Spring, setzt dabei auf "Smart Meters" – intelligente Stromzähler. Zähler, die nicht nur die Kilowattstunden messen, sondern dem Verbraucher sagen, wie er Strom sparen kann. Zum Bespiel, indem er die Klimaanlage nicht in der teuren Hauptzeit bis zum Anschlag aufdreht, sondern das Haus schon vorher herunter kühlt, wenn der Strom billiger ist. Auch die Stromerzeuger haben ein Interesse daran: Denn genügend Strom in den Hochlastzeiten zur Verfügung zu stellen, ist teuer. Das Wall Street Journal zählt das relativ kleine Unternehmen "Silver Spring" zu den Top 10- Unternehmen in der Branche der sauberen Technologien. Sieben dieser zehn haben ihren Sitz übrigens in Kalifornien. Und das sei kein Zufall, sagt Karen Douglas, Chefin der Energiekommission des Bundesstaates:
"Es hat sich gezeigt, dass unsere strengen Gesetze eine Menge Jobs geschaffen haben. Nehmen wir zum Beispiel die Abgas-Vorschriften: Die Unternehmen waren gezwungen, neue Technologien zu entwickeln. Innovative Industrien haben sich angesiedelt und sind gewachsen, allein schon, um den Markt hier in Kalifornien versorgen zu können. Gerade auf dem Gebiet der sauberen Energien versuchen wir, gezielt Projekte zu fördern, die Jobs schaffen."
2005 investierten Risikokapitalgeber in den USA etwa 450 Millionen Dollar in grüne Technologien. Drei Jahre später waren es schon 3,3 Milliarden – und Kalifornien profitiert davon wie kein anderer Bundesstaat: Fast 60 Prozent des gesamten in den USA investierten Risikokapitals fließt in die kalifornische Umweltbranche. Doch auch in diesem Bereich hat die Finanzkrise zu einem kräftigen Einbruch geführt. Das Geld drohte, knapp zu werden bei den grünen Firmen in Silicon Valley.
80 Milliarden Dollar hat Präsident Obama für Investitionen in grüne Technologien bereit gestellt. Auch ein Grund dafür, dass die Energiekommission im vergangenen Jahr den Bau von neun riesigen Solaranlagen in der kalifornischen Wüste genehmigt hat, nachdem in den 20 Jahren zuvor kein einziges Projekt dieser Art gab.
Während die USA größter Energieverschwender der Welt sind, wurde Kalifornien zum Meister im Sparen. Pro Kopf verbrauchen die Kalifornier derzeit 18 Prozent weniger Energie als 1970. Im Rest des Landes stieg der Verbrauch in diesem Zeitraum dagegen um fünf Prozent. Der Preis für die Kilowattstunde Strom ist in Kalifornien in den vergangenen 30 Jahren zwar um 40 Prozent gestiegen. Aber die Rechnungen sind dennoch nicht höher als damals. Das steigere die Akzeptanz der Umweltgesetze, sagt Noel Perry von der Organisation "Next Ten", die auch regelmäßig Umfragen zu dem Thema macht:
"Ein erstaunliches Ergebnis ist, dass 85 Prozent der Kalifornier sagen, es ist möglich, dass die Wirtschaft wächst und trotzdem die Treibhausgas-Emissionen sinken. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Kalifornier bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Veränderungen mitzutragen."
Gerade erst hat Kalifornien im Alleingang einen Kohlendioxid-Emissionshandel nach europäischem Vorbild eingeführt. Über die Zuteilung von Verschmutzungsrechten soll erstmals in den USA der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden.
Auch Silicon Valley-Pioniere wie der Internet-Gigant Google verfolgen mittlerweile eine grüne Agenda – aus wirtschaftlichen Erwägungen. Allein am Konzernsitz in Mountain View im Herzen des Silicon Valley verbraucht Google so viel Strom wie eine mittelgroße Stadt. Jede Anfrage über die Suchmaschine frisst bei Google so viel Strom, dass man damit eine Energiesparlampe eine Stunde lang brennen lassen könnte. Kein Wunder also, dass sich im Konzern eine eigene Abteilung ums Energiesparen kümmert. An deren Spitze steht Bill Weihl:
"Die Energie-Effizienz zu steigern, ist eigentlich einfach. Aber erstaunlicherweise kümmern sich viele nicht darum. Da gibt es eine Menge, was man machen kann, um sofort Geld zu sparen. Man muss es eben nur wollen. Und dann gibt es Projekte, die brauchen ein bisschen länger, bis sie sich auszahlen. Jeder bei uns im Unternehmen hat immer die Gesamtkosten im Blick: Wir sind bereit zu investieren, wenn wir die Aussicht haben, dass sich das langfristig auszahlt. Das heißt: dass wir langfristig weniger Energie verbrauchen."
So sind eben nicht nur Solarzellen auf den Dächern und Elektro-Dienstwagen auf dem Parkplatz. Der Konzern investiert gezielt in innovative Firmen. Zum Beispiel in "Makani Power", ein junges kalifornisches Unternehmen, das neue Windenergie-Technik erforscht. Die Vision: Die Kraft des Windes soll dort genutzt werden, wo sie stark und konstant ist: in einer Höhe von eineinhalb bis zwei Kilometern. Dort oben soll eine Art Drachen in der Luft fliegen, an den kleine Rotoren montiert sind. Da sich auch der Drachen in der Luft bewegt, drehen sich die Rotoren schneller als bei üblichen Windrädern – und produzieren so mehr Energie. Vielleicht schweben diese Drachen auch schon bald über dem Google-Campus im Silicon Valley.
"Strom aus Wind und Sonne zu gewinnen, ist derzeit noch deutlich teurer als Strom aus Kohlekraftwerken. In den USA kommt die Hälfte des Stroms aus Kohlekraftwerken. Die verursachen aber 85 Prozent der Emissionen. Wir stehen also im Wettbewerb mit der Kohle, wenn wir wegwollen von CO2. Das ist die größte Hürde, die wir nehmen müssen: Die erneuerbaren Energien müssen wettbewerbsfähig werden mit der Kohle."
Die politische Situation in Washington ist nicht leicht für Präsident Obama. Selbst als die Demokraten noch die Mehrheit im Kongress hatten, scheiterte er mit eines landesweiten Klimaschutzgesetz. Im Konjunkturpaket setzte Obama einen Schwerpunkt auf die Förderung grüner Technologien. Die Frage ist jedoch: Wie geht es weiter, wenn die Programme ausgelaufen sind?
Kalifornien allerdings will sich weiterhin nicht vom grünen Weg abbringen lassen. Der neue Gouverneur Jerry Brown ist ein Pionier der Umweltpolitik. Als er dieses Amt zwischen 1975 und 1983 schon einmal inne hatte, ließ er die ersten Windparks des Landes bauen. Und auch jetzt will der inzwischen 72-jährige Demokrat, dass Kalifornien grün bleibt:
"Wenn wir in alternative Energien investieren, in saubere Brennstoffe und moderne Hochspannungsleitungen, dann können wir zehntausend neue Arbeitsplätze schaffen. Wir können die Umwelt schützen und bekommen höhere Steuereinnahmen. Es gibt Leute, die sagen: Klimawandel gibt es nicht. Vergesst den Umweltschutz. Aber das ist falsch. Wir müssen die Umwelt schützen und Jobs schaffen, die langfristig für Wohlstand sorgen."
Bis zum Ende seiner Amtszeit soll ein Drittel des Stroms in Kalifornien aus Solaranlagen kommen. Und Browns Vizegouverneur Gavin Newsom – bisher Bürgermeister von San Francisco – hat angekündigt, auch aus Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens, sein Lieblingsprojekt weiter vorantreiben zu wollen: ein Gezeitenkraftwerk – direkt unter der Golden Gate Bridge.