Die zwei Gesichter der NPD
Das Buch ist für die Auseinandersetzung mit der NPD hilfreich, da es das widersprüchliche Profil der Partei beschreibt. Es zeigt sowohl die Ideologie des Neonationalsozialismus der Partei als auch ihren Sozialpopulismus bei Wahlen. Außerdem werden ihre Interaktionen mit dem Umfeld unter die Lupe genommen.
Der Band führt dem Leser die zwei Gesichter der NPD vor Augen. Einerseits hat die Partei unter dem seit 1996 amtierenden Parteivorsitzenden Udo Voigt einen Radikalisierungsprozess in Richtung Neonationalsozialismus vollzogen. Andererseits ist ein solches ideologisches Profil hinderlich für den Aufstieg einer Rechtsaußenpartei. Die Erfolge der NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern waren demnach nur möglich, "weil sie in den Wahlkämpfen ihre Nähe zum Nationalsozialismus verschleierte", so die beiden Herausgeber. Tatsächlich trat die NPD bei den Landtagswahlkämpfen nicht als rassistische Anti-System-Partei auf, sondern gerierte sich als kapitalismus- und globalisierungskritisches "soziales Gewissen".
Der Band beleuchtet ein breites thematisches Spektrum; Ideologie und Strategien der NPD werden ebenso unter die Lupe genommen wie die Rahmenbedingungen und die Interaktionen mit dem Umfeld. Dabei wird immer wieder die Frage nach den Erfolgsbedingungen der NPD aufgeworfen. Während Henrik Steglich die Bedeutung der Wahlkampfthemen untersucht, widmet sich Lazaros Miliopoulos dem strategischen Potenzial der Partei.
Zwei Beiträge setzen sich mit der NPD in der Kommunalpolitik auseinander, einer mit Blick auf Sachsen, einer mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern. Julia Gerlach analysiert die Auswirkungen der Verbote neonazistischer Vereinigungen in den neunziger Jahren auf die Entwicklung der NPD, Uwe Backes das programmatisches Profil der Partei.
Der Einzug in die Landtage in Dresden und Schwerin gelang nicht nur aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland, der schwachen Verankerung der Demokratie, der schwierigen sozio-ökonomischen Lage mit hoher Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit insbesondere bei Jugendlichen. Henrik Steglich betont, dass auch die Neuausrichtung der NPD eine große Rolle spielte: Die Partei erfuhr eine Professionalisierung, eine Verjüngung (weg vom Image eines "Altherrenclubs"), und sie veränderte ihre Wahlkampfführung.
Sie griff die weitverbreitete Kritik an den Sozialstaatsreformen der Bundesregierung auf und erkannte das darin liegende Wählerpotenzial (Slogan: "Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD"), während sie auf die sonst üblichen Wahlkampfthemen, etwa Ausländerhetze, weitgehend verzichtete.
Trotz der NPD-Erfolge halten u.a. Uwe Backes und Patrick Moreau eine Dramatisierung der Lage für unangebracht: So offenbart der europäische Vergleich, den der französische Politikwissenschaftler Moreau zieht, dass Rechtsextremisten in vielen Ländern mitunter deutlich über zehn Prozent der Wählerstimmen erreichen. Dagegen konnte bei Bundestagswahlen in Deutschland bisher noch nie eine rechtsextremistische Partei die Fünfprozenthürde überspringen.
Es fehlen hierzulande charismatische Führungspersönlichkeiten wie Jean-Marie Le Pen, Umberto Bossi oder Jörg Haider. Backes zufolge steht vor allem die Nähe zum Nationalsozialismus einem Erstarken der NPD bis heute im Weg. Die Tatsache, dass der Rechtsextremismus gesellschaftlich geächtet sei, wirke wie ein Bann.
Das hat auch Auswirkungen auf sein strategisches Potenzial, wie Miliopoulos ausführt. Der Verfasser stellt die verschiedenen strategischen Ansätze der NPD vor: vom "Kampf um die Straße" über den "Kampf um die Köpfe" und den "Kampf um die Parlamente" bis zum "Kampf um den organisierten Willen", womit eine Volksfrontstrategie gemeint ist.
Miliopoulos sieht zwar in der Hinwendung zum Antikapitalismus einen Erfolgsfaktor der Partei, macht aber zugleich auf ein Problem aufmerksam. So widerspricht die ideologische Flexibilität, welche die populistische NPD bei Wahlen an den Tag legen muss, dem ideologischen Profil des revolutionären Neo-Nationalsozialismus. Gleichwohl könnte sich aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern die Präsenz der Partei verfestigen.
Die in der Öffentlichkeit vieldiskutierte Frage, ob die NPD verboten werden sollte, taucht in einigen Beiträgen auf, wenn auch nur am Rande. Natürlich muss sich eine Demokratie gegen ihre Feinde schützen. Aber Verbote, da besteht Konsens zwischen den Autoren, sollten allenfalls im Sinne einer ultima ratio ausgesprochen werden. Was wäre gewonnen, wenn die Mitglieder in den Untergrund gingen und militante Aktionen durchführten? Dass Verbotsmaßnahmen kontraproduktiv wirken können, zeigt Julia Gerlach am Beispiel der in den neunziger Jahren ausgesprochenen Verbote gegen zahlreiche Neonazi-Vereinigungen. Denn ein Effekt war, dass deren Mitglieder den Radikalisierungsprozess der NPD beförderten.
Der vorliegende Band vermittelt keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse über die NPD, fasst aber den inzwischen breit gefächerten Forschungsstand gut zusammen. Für die Auseinandersetzung mit der NPD ist das Buch hilfreich, da es das widersprüchliche Profil der Partei beschreibt – hier die Ideologie des Neonationalsozialismus, dort der Sozialpopulismus bei Wahlen. Das müsste in der öffentlichen Debatte viel stärker thematisiert werden, denn die NPD stellt sich gerne als homogene, verschworene Gemeinschaft dar, ist tatsächlich aber in sich zerrissen.
Rezensiert von Ralf Altenhof
Uwe Backes/Henrik Steglich (Hrsg.):
Die NPD. Erfolgsbedingungen einer rechtsextremistischen Partei,
Nomos, Baden-Baden 2007, 426 Seiten, 49 Euro
Der Band beleuchtet ein breites thematisches Spektrum; Ideologie und Strategien der NPD werden ebenso unter die Lupe genommen wie die Rahmenbedingungen und die Interaktionen mit dem Umfeld. Dabei wird immer wieder die Frage nach den Erfolgsbedingungen der NPD aufgeworfen. Während Henrik Steglich die Bedeutung der Wahlkampfthemen untersucht, widmet sich Lazaros Miliopoulos dem strategischen Potenzial der Partei.
Zwei Beiträge setzen sich mit der NPD in der Kommunalpolitik auseinander, einer mit Blick auf Sachsen, einer mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern. Julia Gerlach analysiert die Auswirkungen der Verbote neonazistischer Vereinigungen in den neunziger Jahren auf die Entwicklung der NPD, Uwe Backes das programmatisches Profil der Partei.
Der Einzug in die Landtage in Dresden und Schwerin gelang nicht nur aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland, der schwachen Verankerung der Demokratie, der schwierigen sozio-ökonomischen Lage mit hoher Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit insbesondere bei Jugendlichen. Henrik Steglich betont, dass auch die Neuausrichtung der NPD eine große Rolle spielte: Die Partei erfuhr eine Professionalisierung, eine Verjüngung (weg vom Image eines "Altherrenclubs"), und sie veränderte ihre Wahlkampfführung.
Sie griff die weitverbreitete Kritik an den Sozialstaatsreformen der Bundesregierung auf und erkannte das darin liegende Wählerpotenzial (Slogan: "Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD"), während sie auf die sonst üblichen Wahlkampfthemen, etwa Ausländerhetze, weitgehend verzichtete.
Trotz der NPD-Erfolge halten u.a. Uwe Backes und Patrick Moreau eine Dramatisierung der Lage für unangebracht: So offenbart der europäische Vergleich, den der französische Politikwissenschaftler Moreau zieht, dass Rechtsextremisten in vielen Ländern mitunter deutlich über zehn Prozent der Wählerstimmen erreichen. Dagegen konnte bei Bundestagswahlen in Deutschland bisher noch nie eine rechtsextremistische Partei die Fünfprozenthürde überspringen.
Es fehlen hierzulande charismatische Führungspersönlichkeiten wie Jean-Marie Le Pen, Umberto Bossi oder Jörg Haider. Backes zufolge steht vor allem die Nähe zum Nationalsozialismus einem Erstarken der NPD bis heute im Weg. Die Tatsache, dass der Rechtsextremismus gesellschaftlich geächtet sei, wirke wie ein Bann.
Das hat auch Auswirkungen auf sein strategisches Potenzial, wie Miliopoulos ausführt. Der Verfasser stellt die verschiedenen strategischen Ansätze der NPD vor: vom "Kampf um die Straße" über den "Kampf um die Köpfe" und den "Kampf um die Parlamente" bis zum "Kampf um den organisierten Willen", womit eine Volksfrontstrategie gemeint ist.
Miliopoulos sieht zwar in der Hinwendung zum Antikapitalismus einen Erfolgsfaktor der Partei, macht aber zugleich auf ein Problem aufmerksam. So widerspricht die ideologische Flexibilität, welche die populistische NPD bei Wahlen an den Tag legen muss, dem ideologischen Profil des revolutionären Neo-Nationalsozialismus. Gleichwohl könnte sich aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern die Präsenz der Partei verfestigen.
Die in der Öffentlichkeit vieldiskutierte Frage, ob die NPD verboten werden sollte, taucht in einigen Beiträgen auf, wenn auch nur am Rande. Natürlich muss sich eine Demokratie gegen ihre Feinde schützen. Aber Verbote, da besteht Konsens zwischen den Autoren, sollten allenfalls im Sinne einer ultima ratio ausgesprochen werden. Was wäre gewonnen, wenn die Mitglieder in den Untergrund gingen und militante Aktionen durchführten? Dass Verbotsmaßnahmen kontraproduktiv wirken können, zeigt Julia Gerlach am Beispiel der in den neunziger Jahren ausgesprochenen Verbote gegen zahlreiche Neonazi-Vereinigungen. Denn ein Effekt war, dass deren Mitglieder den Radikalisierungsprozess der NPD beförderten.
Der vorliegende Band vermittelt keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse über die NPD, fasst aber den inzwischen breit gefächerten Forschungsstand gut zusammen. Für die Auseinandersetzung mit der NPD ist das Buch hilfreich, da es das widersprüchliche Profil der Partei beschreibt – hier die Ideologie des Neonationalsozialismus, dort der Sozialpopulismus bei Wahlen. Das müsste in der öffentlichen Debatte viel stärker thematisiert werden, denn die NPD stellt sich gerne als homogene, verschworene Gemeinschaft dar, ist tatsächlich aber in sich zerrissen.
Rezensiert von Ralf Altenhof
Uwe Backes/Henrik Steglich (Hrsg.):
Die NPD. Erfolgsbedingungen einer rechtsextremistischen Partei,
Nomos, Baden-Baden 2007, 426 Seiten, 49 Euro