Die zweite Selbstdemontage

Von Astrid von Friesen |
Fast erscheint der Comeback-Versuch von Karl-Theodor zu Guttenberg wie ein emotionaler Suizid: Er wertet ab, wird deswegen abgelehnt, wofür er wiederum die anderen beschuldigen kann, aber damit auch erneute schwere narzisstische Kränkungen geradezu provoziert, meint die Journalistin Astrid von Friesen.
Im Februar 2011 kommentierte ich an dieser Stelle den Abgang des damaligen Verteidigungsministers und sprach von den Projektionen, den Idealisierungen, die zum kometenhaften Aufstieg des Karl-Theodor zu Guttenberg geführt hatten. Also auch über unsere eigenen Anteile, unser Bedürfnis nach Helden, nach Glamour und Glitter - in den "Goldenen Blättern" und "Gala" wöchentlich goutiert. Es war Phase eins, die narzisstische, an der er uns ungebremst teilnehmen ließ, unter anderem mit seiner Frau auf einem riesigen Dinosaurier posierend.

Doch nach der Idealisierung wird regelmäßig zur Keule gegriffen, um die Entidealisierung herbeizuführen. Natürlich war unser strahlender Held ebenfalls daran beteiligt. Heftigst sogar in diesem Fall, abgeschrieben hatte er für seine Doktorarbeit. In Phase zwei musste er zurücktreten, erlitt einen tiefen Sturz vom Held zum Betrüger.

Nun versucht er nach neun Monaten ein Comeback aus dem fernen Amerika mit dem Mittel der Rundum-Politikerschelte, inszeniert als langes Interview, das erst als Vorabdruck und dann als Buch erschien. Es beginnt die dritte, die vielleicht tragischste Phase, denn wir hören hinter dem gedruckten Wort das wütende Kind, den zornigen kleinen Jungen, der seine narzisstische Wut über seinen Absturz aus der Position "Ich-bin-der-integre-moralisch-einwandfreie Polit-Star" nicht wirklich kaschieren kann.

Erst kam damals seine Hilflosigkeit, nicht wie sonst die Medien zu nutzen, sondern von ihnen getrieben zu werden, sich vor dem Bundestag erklären zu müssen, was zu dem "erniedrigsten und bittersten Moment" seines Lebens wurde. Er musste erfahren, dass seine kleine Tochter auf einer Schule nicht erwünscht war, er musste Demütigungen, Morddrohungen und seine Wut auf sich selbst aushalten.

Nach der Hilflosigkeit und Ohnmacht, nicht Herr über das eigene Handeln sein zu können, kommt die Wut, das Herausschreien des Schmerzes, nicht geliebt zu werden. Das tut er, indem er die gesamte politische Klasse abwertet, um sich aufzuwerten, sich anzubieten und sich erneut als Retter zu installieren.

Das nennen wir "Ausagieren", denn er erreicht genau das Gegenteil von dem, was er so sehnlichst wünscht: Wieder mitspielen und mitregieren zu dürfen. Fast erscheint dies wie ein emotionaler Suizid: Er wertet ab, wird deswegen abgelehnt, wofür er wiederum die anderen beschuldigen kann, aber damit auch erneute schwere narzisstische Kränkungen geradezu provoziert. Denn diejenigen, besonders auch die vielen, die einer Guttenberg-Täuschung aufsaßen, verbünden sich jetzt und schlagen zurück, um die eigene Enttäuschung zu tarnen.

Diese Wut-Reaktion des beleidigten kleinen Jungen in ihm basiert auf der schmerzhaft erlittenen Erkenntnis, dass die Welt leider anders ist, als es sich ein Narzisst vorstellt und ausmalt.

Was er bräuchte? Sich klar zu werden, was er jenseits seines schmerzenden Narzissmus tun möchte mit all seinen Gaben und enormen Fähigkeiten. Was will er wirklich und wer ist er wirklich? Vielleicht im Sinne der Guttenbergschen Familientradition, die ihn eigentlich trägt oder tragen könnte: Er könnte Gutes tun für die Allgemeinheit. Heilsamer und erwachsener für ihn wäre dies jedoch jenseits aller Kameras und ohne sich beständig in den Augen seiner Fans zu spiegeln!


Astrid v. Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin, sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin. Sie unterrichtet an den Universitäten in Dresden und Freiberg, macht Lehrerfortbildung und Supervision. Im MDR-Hörfunkprogramm "Figaro" hat sie eine Erziehungs-Ratgeber-Sendung. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: "Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer" (Ellert & Richter Verlag Hamburg).