„Ein Fußballidol. Ich komme nicht aus Neapel, ich bin aus Sizilien. Er ist auf der ganzen Welt bekannt. Er war sehr gut in dem, was er gemacht hat. Wenn Maradona gewann, gab es blockierte Straßen, Party, es war das Allergrößte.“
Heiligenverehrung in Neapel
Diego Maradona prangt in Neapel auf vielen Wänden. Der Argentinier brachte dem örtlichen SSC in der 1980er-Jahren Erfolg, er prägt das Leben der Stadt auch zwei Jahre nach seinem Tod noch. © Jörn Pissowotzki
Maradona lebt
05:36 Minuten
Italien spielt nicht bei der WM, die Squadra Azzurra steckt in einem tiefen Loch. Dafür ist der SSC Neapel obenauf. Noch immer beten die Neapolitaner ihren Maradona an: Der Argentinier, der 2020 starb, gewann zwei Meistertitel mit "il Napoli".
Wir sind in den quartieri spagnoli in der Altstadt von Neapel. Mittendrin in einem Tempel unter freiem Himmel für den bekanntesten Neapolitaner der Welt. Den Hintergrund dominiert ein mehrere Meter großer, junger Diego im himmelblauen Napoli-Trikot an einer Hauswand.
An der anderen hängen große Fotos, die den besten Fußballer aller Zeiten in verschiedenen Phasen seiner Karriere zeigen, auch in Trikots anderer Mannschaften.
Maradona in allen Größen
Zu ebener Erde stehen verschiedene Maradonas in Originalgröße. Sich mit Diego fotografieren zu lassen, dafür gibt es viele Möglichkeiten. Auch diese jungen Frauen haben ihre Chance genutzt? Was bedeutet Diego Ihnen?
Mitreißend ist die Stimmung im Stadion noch heute, wenn „il Napoli“ spielt … und gewinnt. Auch Giunio jubelt an diesem Nachmittag mit. Ich traf den 26 Jahre jungen Fan schon vor dem Spiel auf dem Weg ins Stadion. Wie sieht er Diego Maradona heute?
„Er ist Alles. Er ist unsere Geschichte. Er ist ein Symbol", sagt er. "Vor Maradona haben wir nie den Scudetto gewonnen. Wir konnten uns da nicht als stärkste Mannschaft Italiens behaupten. Er hat dann eine neue Ära begründet. Wir sind in einem gewissen Sinne eine Siegermannschaft geworden. Es ist von allem etwas.“
Als Neapel ein Vulkan war
Früher als Kind ist er mit seinem Papa ins Stadion gegangen. Sein Vater hat Maradona noch spielen sehen. Wenn er ihm davon erzähle, sagt Giunio, müsse er weinen, so gerührt sei er. Und als „Il Napoli“ dann 1987 mit Diego zum ersten Mal italienischer Meister wurde, wie ist das gewesen? „Diese Zeit wird Neapels Renaissance genannt. Es gab auch den Sänger Pino Daniele. Aus dem Blickwinkel der Kunst, der Musik, des Fußballs: Neapel war ein Vulkan.“
Wie groß der Unterschied zur Stadt vor Maradonas Ankunft gewesen ist, weiß Tanja Michalsky. Sie ist Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kunstgeschichte in Rom. Tanja Michalsky arbeitet zu großen Teilen über Neapel. „Pre-Maradona war vor allen Dingen Post-Erdbeben. 1980 hat einfach dazu geführt, dass hier die Paläste tatsächlich nur noch gestützt waren von Gerüsten und man die Stadt überhaupt nicht wiedererkennen konnte. Und dementsprechend war man mit Aufbau und Schrecken beschäftigt."
Die Stadt sei in den Fängen der Mafia gewesen und auch nicht besonders hoffnungsfroh: "Und genau das ist der Unterschied dazu, wenn dann der große Fußballstar kommt“, sagt die Wissenschaftlerin.
Kein Geld, aber Familie
Der Argentinier kam am 5. Juli 1984 in die Stadt und erhielt eine Willkommensfeier, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Mit 80.000 Fans im Stadion. Unter ihnen war damals Salvatore, er sagt:
Maradona war schon Neapolitaner. In dem Sinne, dass er dieselben kulturellen Erfahrungen gemacht hatte, parallel zum neapolitanischen Volk: Nicht sehr vermögend zu sein, in einer starken Familie zu sein. Alle diese Dinge, die die Neapolitaner miteinander verbinden. So auch ihn. Bereits im ersten Moment, als er in Neapel ankam, hat er das gespürt. Dass die Stadt seine Erfahrungen widerspiegelte. Er war mittendrin. Er war schon Neapolitaner.
Maradona sollte mit Neapel unter anderem zwei Meisterschaften und den UEFA-Pokal gewinnen. Der Klub übertrumpfte die verhassten Teams und Dauersieger aus Mailand und Turin aus dem reichen Norden. Seine Eskapaden, seine Drogengeschichten, geschenkt.
Diego wurde zum Heiligen für die Neapolitaner. Ein Altar für ihn steht in der „Bar Nilo“. Bruno Alcidi, der Besitzer, hatte die Idee: „Es ging damit los, dass ich das Glück hatte, mit Maradona gemeinsam im Flugzeug zu fliegen. Als er aufstand, blieb ein Haarbüschel von ihm an der Kopfstütze. Das habe ich mitgenommen, nur um meine Freunde zu amüsieren. Danach entstand die Idee, mehr daraus zu machen. Neapel ist ja voll von kleinen Altären."
Ein Haarbüschel als Reliquie
Der Altar besteht aus einem kleinen Kirchenportal, Häuserwänden mit Balkonen und vielen kleinen Bildern von Diego. Zentral ist das Haarbüschel – in einem Plastikwürfel. Die Reliquie eines Heiligen. Der es, wenn es nach dem Sportjournalisten Romolo Acampora geht, der für die Zeitung "Il Mattino" gearbeitet hat, in der Beliebtheit sogar mit dem Stadtheiligen San Gennaro aufnehmen kann. "Zurzeit ist Maradona ganz oben. Weil er ein ganz neuer Mythos ist. Während die Neapolitaner seit Jahrhunderten San Gennaro gewohnt sind. Und San Gennaro ist geduldig, erträgt und vergibt alles…"
1991 ist Diego aus Neapel weggegangen – um für immer zu bleiben.
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