Klaus Pokatzky, Jahrgang 1957, war einst anerkannter Kriegsdienstverweigerer und Herausgeber des Buches: „Zivildienst – Friedensarbeit im Inneren“ (1983). Seit 1994 arbeitet er im Zweitberuf als Medientrainer bei der Bundeswehr. Redakteur bei den Festschriften „55 Jahre Wachbataillon“ (2012) und „40 Jahre Radio Andernach“ (2014). In Deutschlandfunk Kultur war er lange Jahre als Moderator zu hören.
Dienstpflicht
Der Journalist Klaus Pokatzky wünscht sich wieder eine Dienstpflicht - für junge Frauen und Männer. © picture alliance / SvenSimon / FrankHoermann / SVEN SIMON
Eine biografische Chance!
"Dienstpflicht" - das Wort löst bei Jüngeren fast einhellig Empörung aus, wird verbunden mit dem Verlust von Lebenszeit. Der Journalist Klaus Pokatzky hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Erst als Kriegsdienstverweigerer und dann bei der Bundeswehr.
Mein Gott – wie asozial ist das denn? Da sollen die armen jungen Menschen Monate ihres Lebens vergeuden und irgendwas tun, was ihnen nicht dient. Sollen ihrem Land dienen: egal, ob in Uniform bei der Bundeswehr oder in ihren altgewohnten Klamotten bei irgendwelchen wohltätigen Einrichtungen? Ein ganzes Jahr soll ihnen flöten gehen; gerade, wenn sie über ihr weiteres Leben und ihren zukünftigen Beruf grübeln? Ja – wer will denn sowas?
Ich will das! Ich will das für die jungen Menschen. Und für uns alle. Ich möchte nicht in einem Egoland leben – wo alle immer nur daran denken, was ihnen dient. Ich möchte in einem Bürgerstaat leben, zu dessen Grundregeln gehört: Ich tue etwas für die Gemeinschaft und nicht nur für mich selbst. Ich engagiere mich für unser Gemeinwesen: ob das bei der Freiwilligen Feuerwehr ist oder in der Kirchengemeinde, beim Roten Kreuz oder in der Flüchtlingshilfe oder im Sportverein.
Dienstpflicht heißt: Bürgerstaat statt Egoland
Also: Bürgerstaat – statt Egoland! Wenn dieser Wunsch egoistisch erscheint, dann darf ich vielleicht etwas Persönliches erzählen. Ich habe einst meinen Zivildienst bei einer Einrichtung geleistet, die gegen den damaligen südafrikanischen Apartheid-Rassismus gestritten hat. Welchen interessanten Menschen aus der ganzen Welt bin ich damals begegnet, die – genauso wie ich – Rassismus für so ziemlich das Dümmste hielten, zu dem ein Zweibeiner überhaupt nur fähig ist?
Und die anderen Zivis, die ihren Zivildienst beim Roten Kreuz oder in einem Krankenhaus, bei einer Jugendhilfe oder im Altenheim geleistet haben – was haben die im jungen Alter erfahren können, wie gut es tut, wenn wir etwas für andere Menschen tun können; wenn wir deren Dankbarkeit spüren?
Wie viele haben dabei – an der Bruchstelle zwischen Jugendsein und Erwachsenwerden – neue Perspektiven für ihren weiteren beruflichen Lebensweg gefunden? Soll ich wirklich Soziologie oder Politikwissenschaft studieren – oder ist es nicht viel herausfordernder und dadurch am Ende befriedigender, wenn ich stattdessen Medizin studiere oder in der Jugendhilfe arbeite? Fragen über Fragen, gewiss. Aber eines gilt, wie im Fußballverein: Wenn ich etwas für die Gemeinschaft tue, werde ich automatisch Teil dieser Gemeinschaft. Einer menschlichen Gemeinschaft – in digitalen Zeiten künstlicher Community.
Auch Wehrpflicht ist nicht amoralisch
Und damit zum Pflichtdienst in Uniform – wenn ich wieder persönlich werden darf. Vor fast 30 Jahren wollte die Bundeswehr, dass ich als Journalist und anerkannter Kriegsdienstverweigerer bei ihr Medientraining mache und den Uniformierten beibringe, wie sie verständlich in ein Radiomikrofon zu sprechen haben. Irgendwann identifizierte ich mich mit dieser Bundeswehr und legte meinen Status als Kriegsdienstverweigerer förmlich ab.
Klingt komisch – ist aber so. Lassen wir jetzt mal alle sicherheitspolitischen und verteidigungsstrategischen Aspekte beiseite. Reden wir über das, was die Dienstpflicht ausmacht, wenn wir an soziales Miteinander denken. Nirgendwo sonst in unserer Gesellschaft kommen dabei Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus so eng zusammen. Da zählt nicht, ob Dein Vater alteingesessener hessischer Bankier oder zugewanderter Arbeiter aus Afrika ist, ob Du ein Prinz von Preußen bist oder ein Muslim mit arabischen Wurzeln.
Da zählt nur eines, Jungs: Gemeinschaft und Leistung auf Augenhöhe. Und das könnte doch auch für Mädels gelten. Was hilft euch denn mehr, wenn ihr zu eurer ganz eigenen Identität finden sollt? Mein Staat – klingt das nicht fürchterlich egoistisch: dieser Ruf nach einer Dienstpflicht? Mein Gott – wie sozial ist das denn?