"Diese Art von Zerrissenheit"

Alice Schwarzer und die Schauspielerin Romy Schneider hatten ein besonderes Verhältnis. Obwohl Romy nicht gerade als Verkörperung der emanzipierten Frau galt, gab sie Schwarzer 1977 ein Interview für die erste Ausgabe von "Emma". Romy habe Doppelmoral immer gehasst, sagt Schwarzer.
Heute vor 30 Jahren, am 29. Mai 1982 wurde die Schauspielerin tot in ihrer gemeinsamen Wohnung von ihrem damaligen Lebensgefährten Laurent Pétin gefunden, am Schreibtisch zusammengesunken, und die Spekulationen, war es jetzt Selbstmord oder war es Herzversagen, vielleicht wegen ihres Tabletten- und Alkoholkonsums, dieses Spekulationen rissen kaum ab.

Auch Alice Schwarzer beschäftigte sich viel mit Romy Schneider, traf sie mehrmals, und schrieb schließlich, 1998, eine Biografie über die Schauspielerin. Romy, so Schwarzer heute, habe regelrecht Angst vor Deutschland gehabt, das ihr in der Nachkriegszeit keinerlei Chance zur Entfaltung ließ. Das Publikum habe sie in ihrer Heimat nur in der "Kitschrolle" der Sissy akzeptiert. Später fanden sich Sätze in ihrem Tagebuch, die sich nicht gerade als Interview-Partnerin von "Emma" prädestinierten:

"Ich brauche Stärke, einen Mann, der mich in die Knie zwingt. Mich müsste ein Stärkerer in die Hand nehmen, mich zurechtbiegen, mich bis in die Knochen zerstören."

Dennoch war Alice Schwarzer von Romy Schneider immer faszniert. Nicht nur von ihrem großartigen schauspielerischen Talent, sondern auch von ihrer besonderen Ausstrahlung und ihren Konflikten:

"Diese Art von Zerrissenheit und Widerspruch ist eben das Leben. Und mir schien damals, ich hatte ja mit Romy zu tun seit 1971, seit sie mitgemacht hatte bei dem von mir initiierten öffentlichen Geständnis sozusagen, politischen, "Ich habe abgetrieben und fordere das Recht für jede Frau", da war sie dabei.

Aber völlig unabhängig davon schien mir für die erste "Emma" Romy Schneider ein Muss. Warum?

Weil diese Frau im Leben wie in der Rolle einfach alle Frauenrollen dieser Jahrzehnte verkörpert hat. In der Nachkriegszeit war sie die süße unschuldige Jungfrau als Sissy, dann war sie das Luder, das ausgebrochen war und mit einem französischen Liebhaber abgehauen war. Dann war sie die reuige Mutter, die zurückkam nach Deutschland, und in ihren letzten Lebensjahren hat sie nicht zufällig auffallend viele Filme gespielt, in denen sie Opfer der Nazis verkörpert hat.

Das war, glaube ich, so eine Art Wiedergutmachung, weil ihr da bewusst war, dass sie die Tochter von Eltern war, die Nazis waren oder Hitler nahe. Und das war ein weiterer Punkt, der ihr zu schaffen gemacht hat in ihrem wirklich nicht leichten Leben."


Die vollständige Fassung des Interviews finden Sie in unserer Sendung Radiofeuilleton.
Mehr zum Thema