"Diese Brennelementesteuer ist längst überfällig"
Die "unverhohlene Drohung der Atomwirtschaft, eine Klage gegen die Brennelementesteuer zu führen", sei "unverschämt", sagt Björn Klusmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. Durch die Brennelementesteuer werde "ein Schritt Richtung fairer Wettbewerb gegangen", denn die Steuerfreiheit der Kernkraftwerke sei "skandalös".
Christopher Ricke: Verlängerung der Atomlaufzeiten ja, Brennelementesteuer nicht so gern. Das ist die Idealvorstellung der Betreiber der deutschen Atomkraftwerke. Die Brennelementesteuer ist aber schon ebenso fest eingeplant wie die Laufzeitverlängerung in der Politik, bei der Regierung. Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, trifft heute im Kanzleramt die Chefs der großen Energieversorger. Diese Versorger würden von einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke profitieren. Bei 15 Jahren geht es um knapp 70 Milliarden Euro. Das zeigt eine Analyse der Landesbank Baden-Württemberg. Dieses Geld möchte nun wirklich jeder haben.
Ich spreche jetzt mit Björn Klusmann. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, also der Gruppe, die direkt von Laufzeitverlängerung und auch von Energiebesteuerung betroffen ist. Guten Morgen, Herr Klusmann.
Björn Klusmann: Guten Morgen.
Ricke: Wer geht denn aus Ihrer Sicht heute an diesem Tag als Sieger und wer als Verlierer nach Hause?
Klusmann: Das können wir im Vorhinein schlecht sagen. Wir erwarten in jedem Fall, dass die Bundeskanzlerin den Atomkonzernen deutlich macht, wer in Deutschland die energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt. Die Bundesregierung hat ja immer gesagt, dass sie über die Frage der Laufzeitverlängerung im Rahmen eines Gesamtkonzepts, eines Energiekonzepts entscheiden wird. Wenn jetzt in einer Klüngelrunde irgendwelche Vorentscheidungen fallen, dann würde damit die Bundesregierung ihren Gestaltungsanspruch aus der Hand geben. Das darf also nicht passieren. Es ist ja von einem Informationsgespräch die Rede, mehr darf es nicht sein. Heute ist die Atomwirtschaft dort zu diesem Gespräch, wir erwarten, dass wir in Zukunft eben zum Thema Energiekonzept ebenso eine Gelegenheit zum Austausch bekommen.
Ricke: Aus dem Begriff "Klüngelrunde" höre ich ein großes Missfallen?
Klusmann: Ja! Wir halten diese unverhohlene Drohung der Atomwirtschaft, eine Klage gegen die Brennelementesteuer zu führen oder auf juristischem Wege dagegen vorzugehen, für absolut unverschämt. Sie kann ja nicht einerseits darüber jammern, dass mit einer solchen Steuer der Atomkonsens aufgekündigt wird, wenn sie gleichzeitig diesen Atomkonsens aufkündigt, indem sie sich massiv für eine Laufzeitverlängerung einsetzt. Beides passt nicht zusammen. Wir sagen, diese Brennelementesteuer ist längst überfällig, die Atomwirtschaft ist eben nicht besteuert wie andere Energieträger, das muss ein Ende haben, und wir finden es richtig, dass die Bundesregierung jetzt endlich diesen Schritt geht.
Ricke: Und ist dann auch die Kombination mit einer Laufzeitverlängerung für den Bundesverband erneuerbare Energie erträglich?
Klusmann: Nein! Die ist auch völlig unabhängig davon. Die Laufzeitverlängerung lehnen wir ja ab.
Ricke: Na ja, die beiden Themen haben schon was miteinander zu tun.
Klusmann: Zunächst mal wird mit einer Brennelementesteuer sozusagen ein Schritt Richtung fairer Wettbewerb gegangen. Die Steuerfreiheit der Kernkraft wird damit aufgehoben, die aus unserer Sicht skandalös ist. Die Laufzeitverlängerung ist aus unserer Sicht davon unabhängig zu bewerten und wir lehnen sie weiterhin ab, denn sie ist überflüssig. Die erneuerbaren Energien können die Kernenergie ersetzen, das haben viele Szenarien in der Zwischenzeit belegt, und insofern ist die Frage davon völlig unabhängig eben im Rahmen des Energiekonzepts zu bewerten, das die Bundesregierung ja für den Herbst angekündigt hat.
Ricke: Aber, Herr Klusmann, wenn Sie sagen, Brennelementesteuer ja, aber keine Laufzeitverlängerung, und auf der anderen Seite die Atomkraftwerkbetreiber sagen, Laufzeitverlängerung ja, aber keine Brennelementesteuer, dann sehe ich da wieder mal zwei Extrempositionen, da sehe ich wieder einmal Bekenntnisse und da sehe ich keinen vernünftigen Mittelweg.
Klusmann: Wie gesagt, die Bundesregierung muss da natürlich im Rahmen ihres Energiekonzepts eine Gesamtlösung finden. Die Laufzeitverlängerungsfrage müssen wir aus der Überlegung heraus bewerten, ob sie erforderlich ist. Die Bundesregierung hat gesagt, die Kernenergie ist als Brückentechnologie akzeptabel. Wenn man aber weiß, dass die erneuerbaren Energien bis zum jetzt vereinbarten Ausstieg aus der Kernenergie Anfang der 20er-Jahre dieses Jahrhunderts ausreichend Energie bereitstellen können, dann wissen wir, die Kernkraft ist danach verzichtbar.
Aber für die Zeit bis dahin ist es aus unserer Sicht erforderlich – und das ist eine Forderung, die wir schon lange erheben, unabhängig von der Diskussion um eine Laufzeitverlängerung -, dass der Wettbewerb zwischen den Energieträgern möglichst fair gestaltet wird, und dann gehört dazu, dass die Steuerfreiheit der Kernkraft eben beendet wird.
Ricke: Jetzt reden wir über Energieträger, seit Minuten über Atomkraft und erneuerbare Quellen, aber es gibt ja noch andere. Es gibt noch Öl und Kohle, es gibt die Abhängigkeit davon, es gibt die Verbindung mit der Klimakatastrophe, vor der wir stehen, das Disaster im Golf von Mexiko kann man mit reinnehmen. Eigentlich müssten sich doch die Freunde der erneuerbaren Energie längst mit den Freunden der Atomkraft zusammentun und sagen, wir müssen vor allen Dingen den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas schaffen. Wäre dafür nicht der Zeitpunkt gekommen?
Klusmann: Das halten wir für eine Illusion, denn dass der Ausstieg aus dem Ausstieg den Ausbau der erneuerbaren Energien oder das Verdrängen von Öl und anderen fossilen Energieträgern beschleunigen würde, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil! Wir sehen ja oder wir wissen, dass eine längere Nutzung der Kernenergie dazu führen wird, dass der Ausbau der erneuerbaren sich massiv verlangsamen wird. Wir haben einmal den Effekt, dass damit die Investitionsbedingungen für die erneuerbaren natürlich infrage gestellt sind.
Es besteht aber auch ein systematischer Konflikt zwischen dem Ausbau der flexiblen erneuerbaren auf der einen Seite und der trägen Kernkraft auf der anderen Seite. Wir brauchen einen flexiblen Kraftwerkspark, der die erneuerbaren Energien ergänzt, und da steht eben die Kernenergie im Wege. Sie verlangsamt also die Energiewende und insofern wäre es ein Trugschluss zu sagen, Kernkraft kann hier dem Klimaschutz dienen.
Ricke: Aber genau das verspricht doch die Atomindustrie. Die sagt doch, lasst unsere Laufzeiten verlängern, von dem Geld, das wir damit verdienen, stecken wir ganz viel in die Erneuerbaren. Ist das alles Fantasie, ist das gelogen?
Klusmann: Die Atomwirtschaft hat mit verschiedenen Argumenten in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder für eine Laufzeitverlängerung geworben. Mal war es der Klimaschutz, mal waren es niedrigere Strompreise, zuletzt ein Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushaltes. Die Argumente wurden gewählt je nachdem, was gerade politisch in Mode war. Es bleibt dabei: Die Laufzeitverlängerung ist verzichtbar und wir sehen nicht, wie sozusagen mehr Gewinne abgeschöpft werden könnten zu Gunsten der erneuerbaren Energien.
Wir brauchen nicht sozusagen diese Almosen, dieses Geschenk, sondern wir brauchen verlässliche Investitionsbedingungen, und man muss ja auch sagen, die Diskussion, die jetzt um diese Brennelementesteuer begonnen hat, die ja nur einen minimalen Anteil ausmacht im Vergleich zu den Mehrgewinnen, die bei einer Laufzeitverlängerung in Aussicht stehen, zeigt ja schon, wie schwierig es sein wird, hier wirklich auf diese Gewinne zuzugreifen.
Ricke: Björn Klusmann, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. Vielen Dank, Herr Klusmann.
Ich spreche jetzt mit Björn Klusmann. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, also der Gruppe, die direkt von Laufzeitverlängerung und auch von Energiebesteuerung betroffen ist. Guten Morgen, Herr Klusmann.
Björn Klusmann: Guten Morgen.
Ricke: Wer geht denn aus Ihrer Sicht heute an diesem Tag als Sieger und wer als Verlierer nach Hause?
Klusmann: Das können wir im Vorhinein schlecht sagen. Wir erwarten in jedem Fall, dass die Bundeskanzlerin den Atomkonzernen deutlich macht, wer in Deutschland die energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt. Die Bundesregierung hat ja immer gesagt, dass sie über die Frage der Laufzeitverlängerung im Rahmen eines Gesamtkonzepts, eines Energiekonzepts entscheiden wird. Wenn jetzt in einer Klüngelrunde irgendwelche Vorentscheidungen fallen, dann würde damit die Bundesregierung ihren Gestaltungsanspruch aus der Hand geben. Das darf also nicht passieren. Es ist ja von einem Informationsgespräch die Rede, mehr darf es nicht sein. Heute ist die Atomwirtschaft dort zu diesem Gespräch, wir erwarten, dass wir in Zukunft eben zum Thema Energiekonzept ebenso eine Gelegenheit zum Austausch bekommen.
Ricke: Aus dem Begriff "Klüngelrunde" höre ich ein großes Missfallen?
Klusmann: Ja! Wir halten diese unverhohlene Drohung der Atomwirtschaft, eine Klage gegen die Brennelementesteuer zu führen oder auf juristischem Wege dagegen vorzugehen, für absolut unverschämt. Sie kann ja nicht einerseits darüber jammern, dass mit einer solchen Steuer der Atomkonsens aufgekündigt wird, wenn sie gleichzeitig diesen Atomkonsens aufkündigt, indem sie sich massiv für eine Laufzeitverlängerung einsetzt. Beides passt nicht zusammen. Wir sagen, diese Brennelementesteuer ist längst überfällig, die Atomwirtschaft ist eben nicht besteuert wie andere Energieträger, das muss ein Ende haben, und wir finden es richtig, dass die Bundesregierung jetzt endlich diesen Schritt geht.
Ricke: Und ist dann auch die Kombination mit einer Laufzeitverlängerung für den Bundesverband erneuerbare Energie erträglich?
Klusmann: Nein! Die ist auch völlig unabhängig davon. Die Laufzeitverlängerung lehnen wir ja ab.
Ricke: Na ja, die beiden Themen haben schon was miteinander zu tun.
Klusmann: Zunächst mal wird mit einer Brennelementesteuer sozusagen ein Schritt Richtung fairer Wettbewerb gegangen. Die Steuerfreiheit der Kernkraft wird damit aufgehoben, die aus unserer Sicht skandalös ist. Die Laufzeitverlängerung ist aus unserer Sicht davon unabhängig zu bewerten und wir lehnen sie weiterhin ab, denn sie ist überflüssig. Die erneuerbaren Energien können die Kernenergie ersetzen, das haben viele Szenarien in der Zwischenzeit belegt, und insofern ist die Frage davon völlig unabhängig eben im Rahmen des Energiekonzepts zu bewerten, das die Bundesregierung ja für den Herbst angekündigt hat.
Ricke: Aber, Herr Klusmann, wenn Sie sagen, Brennelementesteuer ja, aber keine Laufzeitverlängerung, und auf der anderen Seite die Atomkraftwerkbetreiber sagen, Laufzeitverlängerung ja, aber keine Brennelementesteuer, dann sehe ich da wieder mal zwei Extrempositionen, da sehe ich wieder einmal Bekenntnisse und da sehe ich keinen vernünftigen Mittelweg.
Klusmann: Wie gesagt, die Bundesregierung muss da natürlich im Rahmen ihres Energiekonzepts eine Gesamtlösung finden. Die Laufzeitverlängerungsfrage müssen wir aus der Überlegung heraus bewerten, ob sie erforderlich ist. Die Bundesregierung hat gesagt, die Kernenergie ist als Brückentechnologie akzeptabel. Wenn man aber weiß, dass die erneuerbaren Energien bis zum jetzt vereinbarten Ausstieg aus der Kernenergie Anfang der 20er-Jahre dieses Jahrhunderts ausreichend Energie bereitstellen können, dann wissen wir, die Kernkraft ist danach verzichtbar.
Aber für die Zeit bis dahin ist es aus unserer Sicht erforderlich – und das ist eine Forderung, die wir schon lange erheben, unabhängig von der Diskussion um eine Laufzeitverlängerung -, dass der Wettbewerb zwischen den Energieträgern möglichst fair gestaltet wird, und dann gehört dazu, dass die Steuerfreiheit der Kernkraft eben beendet wird.
Ricke: Jetzt reden wir über Energieträger, seit Minuten über Atomkraft und erneuerbare Quellen, aber es gibt ja noch andere. Es gibt noch Öl und Kohle, es gibt die Abhängigkeit davon, es gibt die Verbindung mit der Klimakatastrophe, vor der wir stehen, das Disaster im Golf von Mexiko kann man mit reinnehmen. Eigentlich müssten sich doch die Freunde der erneuerbaren Energie längst mit den Freunden der Atomkraft zusammentun und sagen, wir müssen vor allen Dingen den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas schaffen. Wäre dafür nicht der Zeitpunkt gekommen?
Klusmann: Das halten wir für eine Illusion, denn dass der Ausstieg aus dem Ausstieg den Ausbau der erneuerbaren Energien oder das Verdrängen von Öl und anderen fossilen Energieträgern beschleunigen würde, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil! Wir sehen ja oder wir wissen, dass eine längere Nutzung der Kernenergie dazu führen wird, dass der Ausbau der erneuerbaren sich massiv verlangsamen wird. Wir haben einmal den Effekt, dass damit die Investitionsbedingungen für die erneuerbaren natürlich infrage gestellt sind.
Es besteht aber auch ein systematischer Konflikt zwischen dem Ausbau der flexiblen erneuerbaren auf der einen Seite und der trägen Kernkraft auf der anderen Seite. Wir brauchen einen flexiblen Kraftwerkspark, der die erneuerbaren Energien ergänzt, und da steht eben die Kernenergie im Wege. Sie verlangsamt also die Energiewende und insofern wäre es ein Trugschluss zu sagen, Kernkraft kann hier dem Klimaschutz dienen.
Ricke: Aber genau das verspricht doch die Atomindustrie. Die sagt doch, lasst unsere Laufzeiten verlängern, von dem Geld, das wir damit verdienen, stecken wir ganz viel in die Erneuerbaren. Ist das alles Fantasie, ist das gelogen?
Klusmann: Die Atomwirtschaft hat mit verschiedenen Argumenten in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder für eine Laufzeitverlängerung geworben. Mal war es der Klimaschutz, mal waren es niedrigere Strompreise, zuletzt ein Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushaltes. Die Argumente wurden gewählt je nachdem, was gerade politisch in Mode war. Es bleibt dabei: Die Laufzeitverlängerung ist verzichtbar und wir sehen nicht, wie sozusagen mehr Gewinne abgeschöpft werden könnten zu Gunsten der erneuerbaren Energien.
Wir brauchen nicht sozusagen diese Almosen, dieses Geschenk, sondern wir brauchen verlässliche Investitionsbedingungen, und man muss ja auch sagen, die Diskussion, die jetzt um diese Brennelementesteuer begonnen hat, die ja nur einen minimalen Anteil ausmacht im Vergleich zu den Mehrgewinnen, die bei einer Laufzeitverlängerung in Aussicht stehen, zeigt ja schon, wie schwierig es sein wird, hier wirklich auf diese Gewinne zuzugreifen.
Ricke: Björn Klusmann, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. Vielen Dank, Herr Klusmann.