"Diese Forschung ist keine Nische"
Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich erneut für eine Veränderung des deutschen Stammzellgesetzes ausgesprochen. Dabei gehe es ihr vor allem um die "Stichtagsregelung", nicht aber um die "Substanz" des Gesetzes, sagte Schavan auf dem 55. Forum Pariser Platz in Berlin, einer Veranstaltung von Deutschlandradio Kultur und Phoenix.
Das Gesetz dürfe auch in Zukunft keinen Anreiz für den Verbrauch menschlicher Embryonen bieten, so die Ministerin. "Andererseits möchte ich, dass der schmale Korridor, der 2002 für die Forschung geschaffen wurde, auch in Zukunft erhalten bleibt."
Grundlagenforschern und Medizinern solle der Zugang zu Stammzellbanken eröffnet werden, in denen qualitativ hochwertige Zellen vorhanden seien. Dazu müsse der Stichtag verschoben werden, sagte Schavan. Derzeit dürfen nur im Ausland gewonnene embryonale Stammzellen aus der Zeit vor 2002 nach Deutschland importiert werden.
Schavan verteidigte ihr Anliegen: "Weltweit ist die Stammzellforschung für die regenerative Medizin zentral bedeutsam." In diesem Bereich lägen die Hoffnungen der Ursachenforschung und der Therapieentwicklung. "Das ist keine Nische, davon bin ich überzeugt."
Der katholische Moraltheologe und Mitglied des Nationalen Ethikrats, Eberhard Schockenhoff, verwies auf die besondere Rolle, die Deutschland auf Grund seiner strengen Gesetzgebung in der internationalen Bioethikdebatte zukäme. Schritt für Schritt würden hier Grenzen überschritten.
"Dass es da dann auch eine Instanz, ein großes Land, das in der Staatengemeinschaft anerkannt ist, braucht, das einen anderen Weg einschlägt, das halte ich für die internationale Entwicklung gut", sagte Schockenhoff. Der Theologe zog die Gesetzgebung im deutschen Umweltstrafrecht zum Vergleich heran. "Da wurden wir am Anfang auch belächelt mit unseren deutschen Bedenken. Dann ist es uns doch gelungen, Rechtsstandards zu setzen."
Deutschland komme auf dem Gebiet der Stammzellenforschung in der Tat eine Sonderrolle zu, betonte Schavan. Diese läge in der Suche nach Alternativen. "Diese Sonderrolle müssen wir beibehalten. Deutschland muss der Motor bei den Alternativen sein." Trotzdem spiele Deutschland neben Großbritannien und den Vereinigten Staaten in der Stammzellforschung eine starke Rolle. Diese müsse weiterentwickelt werden, sagte Schavan.
Als politische Verantwortungsträgerin dürfe sie die "Aussage der gesamten deutschen Forschungslandschaft" nicht ignorieren, die laute: Um weiterzukommen, bräuchte es das Wissen und die Erfahrung mit embryonalen Stammzellen, die nach 2002 gewonnen wurden. Das Votum der Wissenschaftler zähle für sie, betonte die Ministerin. "Auch in einer Situation des ethischen Dilemmas, zwischen der Ethik des Lebens und der Ethik des Heilens, kann ich das Wissen, das ich habe, nicht einfach ignorieren."
Der deutsche Stammzellenforscher Oliver Brüstle erläuterte, es ginge in der Diskussion um die Möglichkeiten einer Nutzung bereits existierender Zelllinien, die aus "überzähligen Embryonen" erzeugt würden, solchen, die nicht extra für die Stammzellenforschung hergestellt würden. "Das halte ich für vertretbar", meinte Brüstle, der an der Universität Bonn das Institut für Rekonstruktive Neurobiologie leitet.
Zudem verwies Brüstle darauf, fast alle europäischen Staaten, mit Ausnahme Irlands und Maltas, genügten in ihren Regelungen hohen ethischen Ansprüchen. Brüstle argumentierte, deutsche Forscher kämen gegenüber ihren internationalen Kollegen "zunehmend in Diskussionsnot", weil der Eindruck entstehe, ausländische Standards würden bei uns als moralisch verwerflich oder zumindest fraglich dargestellt. "Das ist sicherlich der europäischen Diskussion auf diesem Gebiet und auch der Zusammenarbeit der europäischen Wissenschaft nicht zuträglich."
Der Bundestag debattierte in der vergangenen Woche über die mögliche Reform des deutschen Stammzellengesetzes. Bislang sind sich die Parlamentarier uneinig. Im April soll der Bundestag endgültig entscheiden.
Das 55. Forum Pariser Platz in Berlin, eine Veranstaltung von Deutschlandradio Kultur und Phoenix, können Sie mindestens bis zum 12.8.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Service: Weitere Informationen zur Stammzellendebatte und zur Berichterstattung darüber im Deutschlandradio finde Sie hier.
Grundlagenforschern und Medizinern solle der Zugang zu Stammzellbanken eröffnet werden, in denen qualitativ hochwertige Zellen vorhanden seien. Dazu müsse der Stichtag verschoben werden, sagte Schavan. Derzeit dürfen nur im Ausland gewonnene embryonale Stammzellen aus der Zeit vor 2002 nach Deutschland importiert werden.
Schavan verteidigte ihr Anliegen: "Weltweit ist die Stammzellforschung für die regenerative Medizin zentral bedeutsam." In diesem Bereich lägen die Hoffnungen der Ursachenforschung und der Therapieentwicklung. "Das ist keine Nische, davon bin ich überzeugt."
Der katholische Moraltheologe und Mitglied des Nationalen Ethikrats, Eberhard Schockenhoff, verwies auf die besondere Rolle, die Deutschland auf Grund seiner strengen Gesetzgebung in der internationalen Bioethikdebatte zukäme. Schritt für Schritt würden hier Grenzen überschritten.
"Dass es da dann auch eine Instanz, ein großes Land, das in der Staatengemeinschaft anerkannt ist, braucht, das einen anderen Weg einschlägt, das halte ich für die internationale Entwicklung gut", sagte Schockenhoff. Der Theologe zog die Gesetzgebung im deutschen Umweltstrafrecht zum Vergleich heran. "Da wurden wir am Anfang auch belächelt mit unseren deutschen Bedenken. Dann ist es uns doch gelungen, Rechtsstandards zu setzen."
Deutschland komme auf dem Gebiet der Stammzellenforschung in der Tat eine Sonderrolle zu, betonte Schavan. Diese läge in der Suche nach Alternativen. "Diese Sonderrolle müssen wir beibehalten. Deutschland muss der Motor bei den Alternativen sein." Trotzdem spiele Deutschland neben Großbritannien und den Vereinigten Staaten in der Stammzellforschung eine starke Rolle. Diese müsse weiterentwickelt werden, sagte Schavan.
Als politische Verantwortungsträgerin dürfe sie die "Aussage der gesamten deutschen Forschungslandschaft" nicht ignorieren, die laute: Um weiterzukommen, bräuchte es das Wissen und die Erfahrung mit embryonalen Stammzellen, die nach 2002 gewonnen wurden. Das Votum der Wissenschaftler zähle für sie, betonte die Ministerin. "Auch in einer Situation des ethischen Dilemmas, zwischen der Ethik des Lebens und der Ethik des Heilens, kann ich das Wissen, das ich habe, nicht einfach ignorieren."
Der deutsche Stammzellenforscher Oliver Brüstle erläuterte, es ginge in der Diskussion um die Möglichkeiten einer Nutzung bereits existierender Zelllinien, die aus "überzähligen Embryonen" erzeugt würden, solchen, die nicht extra für die Stammzellenforschung hergestellt würden. "Das halte ich für vertretbar", meinte Brüstle, der an der Universität Bonn das Institut für Rekonstruktive Neurobiologie leitet.
Zudem verwies Brüstle darauf, fast alle europäischen Staaten, mit Ausnahme Irlands und Maltas, genügten in ihren Regelungen hohen ethischen Ansprüchen. Brüstle argumentierte, deutsche Forscher kämen gegenüber ihren internationalen Kollegen "zunehmend in Diskussionsnot", weil der Eindruck entstehe, ausländische Standards würden bei uns als moralisch verwerflich oder zumindest fraglich dargestellt. "Das ist sicherlich der europäischen Diskussion auf diesem Gebiet und auch der Zusammenarbeit der europäischen Wissenschaft nicht zuträglich."
Der Bundestag debattierte in der vergangenen Woche über die mögliche Reform des deutschen Stammzellengesetzes. Bislang sind sich die Parlamentarier uneinig. Im April soll der Bundestag endgültig entscheiden.
Das 55. Forum Pariser Platz in Berlin, eine Veranstaltung von Deutschlandradio Kultur und Phoenix, können Sie mindestens bis zum 12.8.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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