Diese nächtliche Dimension
Die Dichterin Nelly Sachs, 1891 in Berlin geboren und 1970 im schwedischen Exil gestorben, war eine Vertraute der Nacht. Erst wenn das Tagewerk getan und die Dunkelheit hereingebrochen war, konnte sie sich dem Schreiben widmen und die Bilder, die aus ihrem Inneren auftauchten, zu Worten formen.
Die Nobelpreisträgerin ist auch insofern eine Ausnahmeerscheinung in der Literaturgeschichte, als dass sie den wichtigsten Teil ihres Werkes erst im reifen Alter schuf: Ihr Werk beginnt mit der Shoah. Die literarische Produktion vor der Flucht wollte Nelly Sachs nie wieder aufgelegt sehen.
Gedichte und Briefe, Auszüge aus Prosatexten und dem dramatischen Werk, historische Originaltöne von Nelly Sachs und Paul Celan sowie Interviews mit Freunden und Weggefährten wie Margaretha Holmqvist und Hans Magnus Enzensberger zeichnen ein Bild von der nächtlichen Dimension im Leben und Werk von Nelly Sachs.
Als Nelly Sachs im Mai 1940 mit dem letzten zivilen Flugzeug aus Berlin flieht, liegt mehr als die Hälfte ihres Lebens hinter ihr. Kindheit und Jugend hatte die Tochter assimilierter Juden in einer Villa mitten in der Stadt verbracht, in deren großem Garten sie als Spielgefährten ein Reh halten durfte.
Auf das "Paradiesgärtlein" fällt ein Schatten, als sich die 17-Jährige verliebt und diese Liebe unerfüllbar bleibt. Den Namen des Mannes sowie die näheren Umstände der Begegnung hat Nelly Sachs zeitlebens als Geheimnis bewahrt. Körperlich und seelisch geschwächt, verbringt sie einige Zeit in einem Sanatorium, und es ist ein Arzt, der ihr zum Schreiben rät. Gedichte, Puppenspiele und Prosatexte entstehen; den Band "Legenden und Erzählungen" schickt Nelly Sachs an die von ihr verehrte Selma Lagerlöf, von deren Werken sie sich hatte inspirieren lassen. Die Nobelpreisträgerin antwortet wohlwollend und mit feiner Ironie: "Ich hätte es selber nicht besser machen können." Die Karte ist adressiert an "Nelly Sachs, Schriftstellerin", eine Bezeichnung, die für die jüngere Autorin nahezu einer Taufe gleichkommt.
Nach dem Tode des Vaters, der während seiner langen Krankheit von der Tochter gepflegt wurde, beginnen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Nelly Sachs und ihre Mutter; mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ist ihre Existenz bedroht. Die Rettung gelingt mithilfe einer guten Freundin, die Selma Lagerlöf als Fürsprecherin für ein Einreisevisum nach Schweden gewinnt. Mit wenigen Habseligkeiten in einem alten braunen Koffer treffen Nelly Sachs und ihre betagte Mutter in Stockholm ein.
Margarete Sachs ist krank und auf ständige Betreuung angewiesen, deshalb übernimmt die Tochter Arbeiten, die sie von zu Hause erledigen kann. Eine Zeit lang verdingt sie sich als Wäscherin und Näherin, bekommt aber bald die Möglichkeit zu übersetzen. Durch den Kontakt mit der radikal-modernen schwedischen Lyrik ändert sich auch die dichterische Sprache von Nelly Sachs. Mit einem Vokabular, durch das die schwedische Sprache hindurchschimmert, und freien Versen schreibt die Überlebende über die Verfolgung und Vernichtung ihres Volkes. "Die Gedichte kamen und brachen gewaltsam aus mir hervor", sagt sie in einem Interview.
Anfang der 50er-Jahre wird die junge Generation in Deutschland auf die "Dichterin der Shoah" aufmerksam. Hans Magnus Enzensberger, seinerzeit Lektor im Suhrkamp Verlag, verantwortet die Edition zweier Bände mit Gedichten und szenischen Dichtungen von Nelly Sachs und trägt so maßgeblich zu der großen Anerkennung bei, die ihr im letzten Jahrzehnt ihres Lebens zuteil wird. 1960 nimmt Nelly Sachs den Droste-Preis der Stadt Meersburg entgegen und betritt damit zum ersten Mal seit der Flucht wieder deutschen Boden. Zurück in Schweden bricht das Gefühl, verfolgt zu werden, sich wieder Bahn. Von Ängsten gequält, wird Nelly Sachs in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, in der sie in den folgenden zehn Jahren bis zu ihrem Tod immer wieder lange Zeitabschnitte verbringen sollte. Und wieder ist es ein Arzt, der, indem er sie zum Schreiben ermutigt, ihr Überleben sichert. In der Nervenklinik Beckomberga entsteht ein großer Teil ihres Werkes, darunter die geheimnisvollen späten Gedichte "Glühende Rätsel". So kommt dem Arzt die Ehre zu, Nelly Sachs 1966 zur Verleihung des Nobelpreises zu führen, den sie an ihrem 75. Geburtstag aus der Hand des schwedischen Königs entgegennimmt.
Das jüdische Museum Berlin zeigt noch bis zum 27. Juni eine große Ausstellung über Leben und Werk der Schriftstellerin Nelly Sachs. In Kooperation mit Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur ist in diesem Zusammenhang auch ein akustisches Porträt von Nelly Sachs als CD erschienen.
Mit Katharina M. Schubert, Ulrich Noethen und Cathlen Gawlich
Im Originalton hören Sie:
Nelly Sachs
Paul Celan
Hans Magnus Enzensberger
und Aris Fioretos
Komposition: Christian Mevs
Klavier: Michael Mühlhaus
Montage, Mischung und Sounddesign: Christian Mevs
Regie: Harald Krewer
Redaktion: Monika Künzel
Die Texte von Nelly Sachs stammen aus der von Aris Fioretos herausgegebenen vierbändigen Werkausgabe, die 2010 im Suhrkamp Verlag Berlin erscheint.
Die Bildmonografie "Flucht und Verwandlung" von Aris Fioretos ist ebenfalls im Suhrkamp Verlag Berlin erschienen:
Flucht und Verwandlung
Von Aris Fioretos
Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin / Stockholm.
Eine Bildbiographie.
Zur Wanderausstellung 2010/2011.
2010 Suhrkamp
ISBN 3-518-42159-X
ISBN 978-3-518-42159-8 | KNV-Titelnr.: 24193267
Gleichzeitig mit dem Erscheinen der neuen kommentierten Nelly-Sachs-Werkausgabe eröffnet im März 2010 die Wanderausstellung Flucht und Verwandlung. Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm . An einer Fülle von Objekten, Texten und Zeugnissen werden die Radikalität ihres Werkes und der historische Kontext, in dem es entstanden ist, zum ersten Mal sichtbar. Wer war der unbekannte Geliebte, der später als der tote Bräutigam in ihr Werk Eingang fand? Was geschah in der vier Quadratmeter großen Kajüte , in der die Dichterin den Urpunkt ihres poetischen Universums sah? Warum wollte sie ihren Freund Paul Celan nicht treffen, als er sie am Anfang ihrer Krankheit besuchen wollte?
Das Begleitbuch zur Ausstellung zeigt, aus welchen Voraussetzungen das Werk der Nelly Sachs sich entfalten konnte: im Eingedenken an eine bekannte, aber verlorengegangene und im Kontakt mit einer neuen, aber fremden Kultur kurz, in Krise und Umbruch. Mit Hilfe des Stockholmer Nachlasses können die Koordinaten eines unsichtbaren Universums festgestellt werden. Dazu aber tragen nicht nur die vielen bisher unbekannten Fotos, Manuskripte, Ton- und Bildaufnahmen bei, sondern auch der Einblick in wichtige Freundschaften mit Autoren wie Paul Celan, Gunnar Ekelöf, Hans Magnus Enzensberger und Selma Lagerlöf.
"Ich bin am 10. Dezember 1891 in Berlin geboren als Tochter von William Sachs und seiner Ehefrau Margarete, geborene Karger. Wir wohnten am Tiergarten. Ich ging in die private Töchterschule von Frau Professor Aubert in der Brückenallee. Da ich einziges Kind war, verlief meine Kindheit still. Es herrschte in unserem Haus eine künstlerische Atmosphäre; mein Vater war sehr vielseitig begabt, zudem ein erfolgreicher Erfinder, z.B. für die Luftfahrt. Trotz des harmonischen Elternhauses war mein Leben durch ein eigenes Schicksal mit tiefer Tragik verknüpft, die auch eine Quelle meines Werkes geworden ist."
Nelly Sachs anlässlich Nobelpreisverleihung. Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv
Die CD zur Sendung:
"Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm"
1 CD mit 16-seitigem Booklet
Laufzeit 75 Minuten
speak low / Deutschlandradio 2010
Preis 18,90 Euro
ISBN 978-3-940018-04-5
Im Mittelpunkt dieses akustischen Porträts von Nelly Sachs steht ihr von Flucht und Verwandlung geprägtes Werk: neue Interpretationen von Gedichten ergänzen historische Originaltöne, biografisch kommentiert von Aris Fioretos sowie den Freunden und Weggefährten Margaretha Holmqvist und Hans Magnus Enzensberger.
Platz 1 Hörbuchbestenliste im Mai 2010
Die Jury der HR2 Hörbuchbestenliste hat die CD NELLY SACHS, SCHRIFTSTELLERIN, BERLIN/STOCKHOLM in diesem Monat auf Platz 1 gewählt.
Auszug aus dem Manuskript:
Als Nelly Sachs am 16. Mai 1940 mit einem der letzten zivilen Flugzeuge von Berlin Tempelhof aus Deutschland verlässt und in Schweden eintrifft, liegen fast 50 Jahre ihres Lebens hinter ihr. Jahre, von denen nur so viel blieb, wie in einen kleinen braunen Koffer passte. Das Gefühl von Verfolgung und Bedrohung sollte von nun an niemals schwinden und schließlich so stark werden, dass Überleben für Nelly Sachs zeitweilig nur in dem geschützten Raum einer psychiatrischen Klinik möglich war. Doch in den 30 Jahren Exil sollte sie auch das lyrische Werk schaffen, für das sie 1965 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels und ein Jahr später mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Über das "Leben unter Bedrohung" der letzten Berliner Jahre berichtet sie mit einigem zeitlichen Abstand in einem ihrer wenigen Prosatexte, zuerst veröffentlicht 1956 in Schweden:
" Zeit unter Diktat. Wer diktiert? Alle! Mit Ausnahme derer, die auf dem Rücken liegen wie der Käfer vor dem Tod. Eine Hand nimmt mir die Stunde fort, die ich mit dir verbringen wollte. Sie nimmt mir diese Samentüte daraus blaue Blumen sprießen sollten ohne einen Hauch von violett, das schon an Untergang erinnert. Ohne zu wollen atme ich im Garten einen Duft, aber die Rose ist schon anderen zugesprochen. Bereite dir aus Krumen eine Mahlzeit denn du bist krank und ich liebe dich so. Um dich zu retten möchte ich dich in einen Buchfink verwandeln, der vor dem Fenster an einem Blatt hängt, das der Frühling ihm schenkte. Aber der Frühling hat uns den Rücken zugekehrt. Blüht aus der Fäulnis. Wolken da oben. Wettbewerb im Sterben. Herrliches Fortziehn. Von dieser Erdenkugel abstoßen zu dürfen, diese Wurzelfüße herauszureißen. Gnade, Gnade des Nicht-mehr-Sein-dürfens. Höchster Wunsch auf Erden: Sterben ohne gemordet zu werden.
Woran sind wir gebunden? Warum können wir uns nicht rühren? Warum nicht wie unser großer Hund den ich nicht mehr sättigen konnte herausgereicht werden aus solchem Umkreis an die Schüsseln einer sorgenfreien Küche?
Du hast nichts mehr gegessen. Was ich mit Lebensmühe hereinholte. Der Bissen blieb im Halse stecken. Die Angst hatte ihn mit ihrer schwarzen Hefe aufgebläht.
Es kamen Schritte. Starke Schritte. Schritte in denen das Recht sich häuslich niedergelassen hatte. Schritte stießen an die Tür. Sofort sagten sie, die Zeit gehört uns!
Die Tür war die erste Haut die aufgerissen wurde. Die Haut des Heims. Dann fuhr das Trennungsmesser tiefer. Aus der Familie wurden Teile ausgeschnitten, Teile, die in die weit fort eroberte Zeit verfrachtet wurden. In die Zeit der gekrümmten Finger und der starken Schritte. Mit der die Vögel zogen mit dem Angesicht des Frühlings.
Und dies geschah auf dieser Erde. Geschah und kann geschehn. Und das Kind hatte neue Schuhe bekommen und wollte sich nicht von ihnen trennen. Und im Blick des Greises lag schon Gottes-Auszug-Asche.
Und ich war angebunden an einen Traum. Ein Traum aus Fingern und Schritten. Aß mich satt an der Angst. Die Gerüchte saugten wie Blutegel. Die Nacht war der Rahmen um den Henker in der Kraft unterm Hautwams, über schwanengebogenem Rücken den Taktstock der Zeit.
Fünf Tage lebte ich ohne Sprache unter einem Hexenprozeß. Meine Stimme war zu den Fischen geflohen. Geflohen ohne sich um die übrigen Glieder zu kümmern, die im Salz des Schreckens standen. Die Stimme floh, da sie keine Antwort mehr wußte und "sagen" verboten war.
Und alle begegnenden Augen waren winterlich geworden. Fielen ab; gaben die Blicke woanders hin, dort wo das Recht die Zeit am Nackenfell nahm.
Meine Hand war eine Waise, verlernte den Gegendruck.
Unter Bedrohung leben: im offenen Grab verwesen ohne Tod. Das Gehirn faßt nicht mehr. Die letzten Gedanken kreisen um den schwarzgefärbten Handschuh der die Eintrittsnummer zur Gestapo verdunkelte und fast das Leben kostete. Angstschweiß hatte unsichtbar zu bleiben.
Nein, das Gehirn faßte längst nicht mehr. Was war das: Leben kosten? Mit den Wolken eilen? Wohin? Dahin? Das Angesicht des Frühlings sehn? Wozu? Abfallen von dem Pfahl der Zeit an den ich angebunden stand und rieselte nur mit der Sehnsucht.
Leben unter Bedrohung!
Der Himmel gespiegelt in der glanz-geputzten Gürtelschnalle eines Bevollmächtigten der Zeit?
Eine Nachricht kam. Und die Nachricht verschluckte ich. Das war mein Angelhaken. Aufgehängt an der Luft.
Und das geschieht auf Erden? Und kann geschehn auf Erden? Sonntäglich bist du in deinem neuen Kleid. Du erzählst wohl deinen Kindern Märchen von Wölfen deren Opfer wohlbehalten aus dem Verschlucktsein kriechen?
Es sind viele Wunder geschehn. Ich las darüber. Aber wie sollen die Wunder zu dem kleinen Haufen gelangen, der da isoliert im Stacheldraht zittert. Auch die Wunder haben wohl Angst. Sie ziehen dorthin wo der Feldherr steht, der sie wie eine Scheibe Weißbrot vom Mond abbricht.
Und das geschieht - Gott leg mich in Nacht und schweige -
Aber das ist ja ganz unwirklich was hier geschieht - Fakirkünste die lassen die Erdkruste aufspringen bis die roten Feuerwurzeln wie Peitschen herausfahren.
Wirklich ist der Blick des Kindes, das sich mit den neuen Schuhen an den Henker wandte. Wirklich sind die Abschiedsfäden, die bis auf die Seele zerrissenen, die aus den wunden Leibern hingen, das ganze Leidenswerk was hier gewirkt wurde - die ins Dunkel tropfende Liebe.
Abstoßen von dieser Kugel, in die Flucht, in das Dunkel, das Meer der Unsicherheit darein sich Abraham, der Erste mit dem Stemmeisen der Sehnsucht warf. Wohin - dahin -.
Fassen und begreifen längst verlorenes Stückgut der Sehnsucht. Aber "Moriah" der Klippenabsturz zu Ihm, dessen Zeichen die Ferne ist.
Hier ist nichts mehr zu fassen, hier nicht! Aber eine weißglühende Explosion - Asche im Mund - die Augen erblindet vom Hiersein - und das Universum der Unsichtbarkeit - nur mit den Gestirnen der Seele - diese Briefe geschrieben ins Dunkel - adressiert weit hinter dem Meilenstein wo Sterben starb.
Alles dahin gelebte - Hier.
Alles dahin geliebte - Hier.
Feuer zu Blumensträußen gebunden und des Verrates verzweigte falsche Richtung.
Schwarzkunst des Henkers der die geheimen Gottesknechte in ihr Erwachen warf.
Nichts mehr - gar nichts mehr - aber ich weiß, ich fühle, ich schmecke - die Weltbahn geknotet mit der Sehnsucht aus Staub, deine Todesarbeit eingeritzt - im Sternbild der zerrissenen Kiefer des Fisches.
Sch'ma Israel des alten Volkes Todesgesang schrie aus den Kehlen derer die vor der schwarzen Mauer standen - ich weiß nicht wie die Mauer sank - aber ich weiß, daß sie schon vor dem Tode überstiegen war. "
In Stockholm wurden Nelly Sachs und ihre Mutter Margarete zunächst in verschiedenen Not- und Übergangsquartieren untergebracht, wobei die nur knapp über einen Meter fünfzig große Nelly zeitweilig in einem Kinderbett schlief.
Im Oktober 1941 bezogen sie eine eigene Wohnung im Haus im Bergsundsstrand 23, die Flüchtlingen durch die Jüdische Gemeinde mietfrei zur Verfügung gestellt wurde. Die Gemeinde half den Berlinerinnen auch mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aus, die von anderen Flüchtlingen, die in die USA weiter gereist waren, zurück gelassen worden waren. Die auf diese Weise geerbte Sofagarnitur, bestehend aus einer Schlafcouch mit zwei Sesseln, steht heute in der Königlichen Bibliothek in Stockholm, denn Nelly Sachs lebte mit diesen einfachen Möbelstücken bis zuletzt. Lediglich die Polster hatte sie einmal neu beziehen lassen - in ihrer Lieblingsfarbe blau.
Ausstellungshinweis
Flucht und Verwandlung
Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm
25. März 2010 bis 27. Juni 2010
Jüdisches Museum Berlin, Eric F. Ross Gallerie, Libeskindbau
Nelly Sachs erhielt 1966 als erste deutsche Dichterin den Nobelpreis für Literatur. Damals war die jüdische Lyrikerin deutscher Abstammung 75 Jahre alt und hatte fast dreißig Jahre im Exil verbracht. Mit einer der letzten Passagiermaschinen war sie 1940 gemeinsam mit ihrer Mutter aus Berlin nach Stockholm geflohen. In allerletzter Minute - den Befehl für den Abtransport in ein Konzentrationslager hatte sie schon erhalten.
Zum ersten Mal wird das bedeutende dichterische Werk Nelly Sachs´ in einer großen Wanderausstellung gewürdigt.
"Du wirst . . . meine wiederholt ausgesprochene Bitte
verstanden haben, daß ich hinter meinem Werk
verschwinden will, daß ich anonym bleiben will ...
[Ich] will, daß man mich gänzlich ausschaltet -
nur eine Stimme, ein Seufzer für die, die lauschen
wollen."
Nelly Sachs in einem Brief an Walter A. Berendsohn vom 25. Juni 1959 -
aus:
www.nellysachs.com
Zum ersten Mal wurde 2010 das bedeutende dichterische Werk Nelly Sachs' in einer großen Wanderausstellung gewürdigt
Nelly Sachs erhielt 1966 als erste deutsche Dichterin den Nobelpreis für Literatur. Damals war die jüdische Lyrikerin deutscher Abstammung 75 Jahre alt und hatte fast dreißig Jahre im Exil verbracht. Mit einer der letzten Passagiermaschinen war sie 1940 gemeinsam mit ihrer Mutter aus Berlin nach Stockholm geflohen. In allerletzter Minute - den Befehl für den Abtransport in ein Konzentrationslager hatte sie schon erhalten.
speak low
Vera Teichmann
Produzentin
Vera Teichmann studierte Literatur- und Sprachwissenschaften in Lausanne, Göttingen und Wien. Während des Studiums Dramaturgin und Produktionsleiterin für freie Opernproduktionen in Wien. Anschließend in der Produktionsabteilung von ECM Records München tätig. Aufbaustudium Kultur- und Medienmanagement in Berlin; Leitung der Berliner Dependance der Veranstaltungsagentur Nexus Event. Seit Ende 2002 selbstständige Produzentin von Hörbüchern.
Harald Krewer
Regisseur
Harald Krewer studierte am Max Reinhardt-Seminar in Wien Theaterregie und erhielt anschließend vom deutsch-französischen Kulturrat ein Arbeitsstipendium an der Pariser Comedie Française. Neben zahlreichen Theaterarbeiten als Regisseur und Dramaturg in Deutschland und Österreich, arbeitet er seit 1997 als freier Mitarbeiter in der Hörspielabteilung des Österreichischen Rundfunks. Als Hörspielregisseur ist er für den ORF und verschiedene ARD-Sendeanstalten tätig. Seit 2003 Dozent am Wiener Max Reinhardt Seminar.
Besprechung auf Deutschlandradio Kultur
"Für Nelly Sachs":
Gedichte von Paul Celan, Johannes Bobrowski, Hans Magnus Enzensberger, Ingeborg Bachmann und anderen:
Auszug aus dem Manuskript:
Nelly Sachs, die 1953 die schwedische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, scheint endlich in ihrer neuen Heimat angekommen zu sein. Sie schreibt an eine Freundin:
"Es ist alles wie ein Wunder. Nach furchtbaren Jahren, die ich immer am Tod lebend verbrachte und sehr einsam, kommt nun aus aller Welt eine solche Zustimmung. Ein kleiner Kreis geliebter Freunde waren die letzten fünf Jahre um mich. Einer der führenden skandinavischen Literaturkritiker entdeckte mich, einige der größten schwedischen Lyriker übersetzten, und so wurde es hier Heimat in der Freundschaft. Denn ein Land kann uns niemals mehr Heimat sein, nur wo wir Liebe finden sind wir zuhause. Vor zwei Tagen war wieder ein großer Abend mit einigen meiner kurzen dramatischen Szenen. Mit jungen Schauspielern las man "Was ist ein Opfer", "Der magische Tänzer", "Verzauberung" und "Eine Scheidelinie". Ein deutscher Literaturhistoriker war eingeladen, über mein geträumtes Theater der Zukunft zu sprechen. Trotz aller Verschiedenheit, betonte er, ist die Verwandtschaft mit Beckett da. Die Jugend war gänzlich gefangen und verstand, meine eigene Generation findet mich dunkel und rätselhaft."
Die Jahre nach dem Nobelpreis waren von zunehmenden Beschwerden geprägt. Nelly Sachs erlitt einen Herzanfall und die Anzeichen von Paranoia verstärkten sich, zeitweilig begab sie sich wieder ins Krankenhaus. Sie schrieb regelmäßig, aber nicht mehr viel. Das letzte Jahr war von ihrer Krebserkrankung geprägt: Operation, kurzfristige Besserung des Allgemeinzustandes, erneute Einweisung ins Krankenhaus. Dort erfährt Nelly Sachs durch einen Besucher vom Freitod Paul Celans. Am 12. Mai 1970, dem Tag der Beerdigung von Paul Celan, starb Nelly Sachs.
" Schon hast du dein Fluchtgepäck
hinüber -
die Grenze ist offen
aber vorher
werfen sie alle deine "zu Hause"
wie Sterne durchs Fenster
komm nicht mehr zurück
im Unbewohnten wohne
und stirb - "
Ihre materielle Hinterlassenschaft vererbte Nelly Sachs den Freunden Bengt und Margaretha Holmqvist, die immateriellen Rechte an ihrem Werk dessen Wegbereiter Hans Magnus Enzensberger. Die Holmqvists beschlossen, die Einrichtung der Wohnung, Bücher und Manuskripte der schwedischen Nationalbibliothek zu übergeben. Am 10. Dezember 1970 wurde dort in Anwesenheit von Olof Palme ein fast exakter Nachbau von Nelly Sachs' Apartment am Bergsundsstrand 23 eingeweiht.
EVA DILLMAN
"We are 50 meters below the ground floor in the old building of the rayal library [...] only the library and the furniture are down here.
Wer die Wohnung von Nelly Sachs besichtigen möchte, kann bei der Königlichen Bibliothek einen Termin vereinbaren und in Begleitung von Eva Dillman mit dem Fahrstuhl 50 Meter in die Tiefe fahren. Dort befindet sich das Wohnzimmer mit den Bücherregalen und dem Esstisch auf der einen, und der Sofagarnitur auf der anderen Seite. Und die Kajüte, jene 4 Quadratmeter große Nische hinter der Küche, die Nelly Sachs als Schlaf- und Arbeitszimmer diente. Auf dem kleinen Tischchen vor dem Bett steht ihre Schreibmaschine, im Regal liegen die wenigen Dinge, die sie aus Deutschland mitgebracht hat. Fotos von den Eltern, ein Oblatenalbum von der Großmutter, die Seiten beklebt mit kitschigen Glanzbildern. Margaretha Holmqvist und Eva Dillmann zeigen die Steinsammlung, die auf dem Fensterbrett gelegen hat, die Kette, die Nelly Sachs zur Nobelpreisverleihung trug, ihre Handtasche.
EVA DILLMAN
" When Frau Holmqvist and her husband donated the archive [...] so it was a unity the archive and the apartment."
Das Werk von Nelly Sachs hat seit fünfzig Jahren seine Heimat im Suhrkamp Verlag, an den Hans Magnus Enzensberger es seinerzeit vermittelt hat. In diesem Jahr erscheint dort, herausgegeben von Aris Fioretos, eine vierbändige Werkausgabe, die neben der lyrischen und dramatischen Dichtung auch Prosatexte und Briefe umfasst.
HANS-MAGNUS ENZENSBERGER:
Ich höre, was ein Gedicht ist. Das kann ich hören. Das trägt, das lebt, da ist eine Energie drin, solche Kriterien, die man nicht nachmessen kann. Und wenn man selbst auch Gedichte schreibt, dann entstehen sofort solche vielleicht nicht Wahlverwandtschaften, aber da ist etwas. Da schwingt irgendeine Seite bei dir mit. Das ist auch sprachlich nicht etwas, was du irgendwo schon hundertmal gehört hast. Das hat auch einen eigenen Sprachzauber. Manchmal nehme ich ein dickes Buch, eine neue Ausgabe; manches erkenne ich wieder, manches kenne ich gar nicht. Dann bewege ich mich in diese ganz andere Welt, als es meine alltägliche Welt ist. Manchmal muss ich mich sogar ein bisschen rein lesen, da es auch nicht immer auf Anhieb geht. Da muss man ein bisschen Zeit haben und ein bisschen zuhören. Warum macht sie das jetzt so? Das ist eine Frage des Tonfalls, also auch der Prosodie im Gedicht. Das kann man wirklich am besten nachprüfen, wenn man es laut liest. Manches hört man auch ohne es laut zu lesen. So ein Tonfall. Dann höre ich etwas Bestimmtes. Es gibt so Bilder von Bosch und Patinir wo so Kristallkuppeln sind. Man ist in einem anderen Raum.
" Dies ist übrig -
mit meiner Welt zogst du hinaus
Komet des Todes.
Übrig ist die Umarmung
der Leere
ein kreisender Ring
der seinen Finger verlor.
Wieder Schwärze
vor der Schöpfung
Trauergesetz.
Abgeblättert die leichtsinnige Vergoldung
der Nacht
die sich der Tag erlaubte.
Der Schatten Kalligraphie
als Nachlaß.
Grüngefärbte Landschaften
mit ihren wahrsagenden Gewässern
ertrunken
in den Sackgassen der Finsternis.
Bett Stuhl und Tisch
schlichen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer
dem Haar der Trennung nach -
Alles ist ausgewandert mit dir
mein ganzer Besitz enteignet -
nun trinkst du Geliebtestes mir
die Worte vom Atem
bis ich verstumme - "
Gedichte und Briefe, Auszüge aus Prosatexten und dem dramatischen Werk, historische Originaltöne von Nelly Sachs und Paul Celan sowie Interviews mit Freunden und Weggefährten wie Margaretha Holmqvist und Hans Magnus Enzensberger zeichnen ein Bild von der nächtlichen Dimension im Leben und Werk von Nelly Sachs.
Als Nelly Sachs im Mai 1940 mit dem letzten zivilen Flugzeug aus Berlin flieht, liegt mehr als die Hälfte ihres Lebens hinter ihr. Kindheit und Jugend hatte die Tochter assimilierter Juden in einer Villa mitten in der Stadt verbracht, in deren großem Garten sie als Spielgefährten ein Reh halten durfte.
Auf das "Paradiesgärtlein" fällt ein Schatten, als sich die 17-Jährige verliebt und diese Liebe unerfüllbar bleibt. Den Namen des Mannes sowie die näheren Umstände der Begegnung hat Nelly Sachs zeitlebens als Geheimnis bewahrt. Körperlich und seelisch geschwächt, verbringt sie einige Zeit in einem Sanatorium, und es ist ein Arzt, der ihr zum Schreiben rät. Gedichte, Puppenspiele und Prosatexte entstehen; den Band "Legenden und Erzählungen" schickt Nelly Sachs an die von ihr verehrte Selma Lagerlöf, von deren Werken sie sich hatte inspirieren lassen. Die Nobelpreisträgerin antwortet wohlwollend und mit feiner Ironie: "Ich hätte es selber nicht besser machen können." Die Karte ist adressiert an "Nelly Sachs, Schriftstellerin", eine Bezeichnung, die für die jüngere Autorin nahezu einer Taufe gleichkommt.
Nach dem Tode des Vaters, der während seiner langen Krankheit von der Tochter gepflegt wurde, beginnen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Nelly Sachs und ihre Mutter; mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ist ihre Existenz bedroht. Die Rettung gelingt mithilfe einer guten Freundin, die Selma Lagerlöf als Fürsprecherin für ein Einreisevisum nach Schweden gewinnt. Mit wenigen Habseligkeiten in einem alten braunen Koffer treffen Nelly Sachs und ihre betagte Mutter in Stockholm ein.
Margarete Sachs ist krank und auf ständige Betreuung angewiesen, deshalb übernimmt die Tochter Arbeiten, die sie von zu Hause erledigen kann. Eine Zeit lang verdingt sie sich als Wäscherin und Näherin, bekommt aber bald die Möglichkeit zu übersetzen. Durch den Kontakt mit der radikal-modernen schwedischen Lyrik ändert sich auch die dichterische Sprache von Nelly Sachs. Mit einem Vokabular, durch das die schwedische Sprache hindurchschimmert, und freien Versen schreibt die Überlebende über die Verfolgung und Vernichtung ihres Volkes. "Die Gedichte kamen und brachen gewaltsam aus mir hervor", sagt sie in einem Interview.
Anfang der 50er-Jahre wird die junge Generation in Deutschland auf die "Dichterin der Shoah" aufmerksam. Hans Magnus Enzensberger, seinerzeit Lektor im Suhrkamp Verlag, verantwortet die Edition zweier Bände mit Gedichten und szenischen Dichtungen von Nelly Sachs und trägt so maßgeblich zu der großen Anerkennung bei, die ihr im letzten Jahrzehnt ihres Lebens zuteil wird. 1960 nimmt Nelly Sachs den Droste-Preis der Stadt Meersburg entgegen und betritt damit zum ersten Mal seit der Flucht wieder deutschen Boden. Zurück in Schweden bricht das Gefühl, verfolgt zu werden, sich wieder Bahn. Von Ängsten gequält, wird Nelly Sachs in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, in der sie in den folgenden zehn Jahren bis zu ihrem Tod immer wieder lange Zeitabschnitte verbringen sollte. Und wieder ist es ein Arzt, der, indem er sie zum Schreiben ermutigt, ihr Überleben sichert. In der Nervenklinik Beckomberga entsteht ein großer Teil ihres Werkes, darunter die geheimnisvollen späten Gedichte "Glühende Rätsel". So kommt dem Arzt die Ehre zu, Nelly Sachs 1966 zur Verleihung des Nobelpreises zu führen, den sie an ihrem 75. Geburtstag aus der Hand des schwedischen Königs entgegennimmt.
Das jüdische Museum Berlin zeigt noch bis zum 27. Juni eine große Ausstellung über Leben und Werk der Schriftstellerin Nelly Sachs. In Kooperation mit Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur ist in diesem Zusammenhang auch ein akustisches Porträt von Nelly Sachs als CD erschienen.
Mit Katharina M. Schubert, Ulrich Noethen und Cathlen Gawlich
Im Originalton hören Sie:
Nelly Sachs
Paul Celan
Hans Magnus Enzensberger
und Aris Fioretos
Komposition: Christian Mevs
Klavier: Michael Mühlhaus
Montage, Mischung und Sounddesign: Christian Mevs
Regie: Harald Krewer
Redaktion: Monika Künzel
Die Texte von Nelly Sachs stammen aus der von Aris Fioretos herausgegebenen vierbändigen Werkausgabe, die 2010 im Suhrkamp Verlag Berlin erscheint.
Die Bildmonografie "Flucht und Verwandlung" von Aris Fioretos ist ebenfalls im Suhrkamp Verlag Berlin erschienen:
Flucht und Verwandlung
Von Aris Fioretos
Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin / Stockholm.
Eine Bildbiographie.
Zur Wanderausstellung 2010/2011.
2010 Suhrkamp
ISBN 3-518-42159-X
ISBN 978-3-518-42159-8 | KNV-Titelnr.: 24193267
Gleichzeitig mit dem Erscheinen der neuen kommentierten Nelly-Sachs-Werkausgabe eröffnet im März 2010 die Wanderausstellung Flucht und Verwandlung. Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm . An einer Fülle von Objekten, Texten und Zeugnissen werden die Radikalität ihres Werkes und der historische Kontext, in dem es entstanden ist, zum ersten Mal sichtbar. Wer war der unbekannte Geliebte, der später als der tote Bräutigam in ihr Werk Eingang fand? Was geschah in der vier Quadratmeter großen Kajüte , in der die Dichterin den Urpunkt ihres poetischen Universums sah? Warum wollte sie ihren Freund Paul Celan nicht treffen, als er sie am Anfang ihrer Krankheit besuchen wollte?
Das Begleitbuch zur Ausstellung zeigt, aus welchen Voraussetzungen das Werk der Nelly Sachs sich entfalten konnte: im Eingedenken an eine bekannte, aber verlorengegangene und im Kontakt mit einer neuen, aber fremden Kultur kurz, in Krise und Umbruch. Mit Hilfe des Stockholmer Nachlasses können die Koordinaten eines unsichtbaren Universums festgestellt werden. Dazu aber tragen nicht nur die vielen bisher unbekannten Fotos, Manuskripte, Ton- und Bildaufnahmen bei, sondern auch der Einblick in wichtige Freundschaften mit Autoren wie Paul Celan, Gunnar Ekelöf, Hans Magnus Enzensberger und Selma Lagerlöf.
"Ich bin am 10. Dezember 1891 in Berlin geboren als Tochter von William Sachs und seiner Ehefrau Margarete, geborene Karger. Wir wohnten am Tiergarten. Ich ging in die private Töchterschule von Frau Professor Aubert in der Brückenallee. Da ich einziges Kind war, verlief meine Kindheit still. Es herrschte in unserem Haus eine künstlerische Atmosphäre; mein Vater war sehr vielseitig begabt, zudem ein erfolgreicher Erfinder, z.B. für die Luftfahrt. Trotz des harmonischen Elternhauses war mein Leben durch ein eigenes Schicksal mit tiefer Tragik verknüpft, die auch eine Quelle meines Werkes geworden ist."
Nelly Sachs anlässlich Nobelpreisverleihung. Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv
Die CD zur Sendung:
"Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm"
1 CD mit 16-seitigem Booklet
Laufzeit 75 Minuten
speak low / Deutschlandradio 2010
Preis 18,90 Euro
ISBN 978-3-940018-04-5
Im Mittelpunkt dieses akustischen Porträts von Nelly Sachs steht ihr von Flucht und Verwandlung geprägtes Werk: neue Interpretationen von Gedichten ergänzen historische Originaltöne, biografisch kommentiert von Aris Fioretos sowie den Freunden und Weggefährten Margaretha Holmqvist und Hans Magnus Enzensberger.
Platz 1 Hörbuchbestenliste im Mai 2010
Die Jury der HR2 Hörbuchbestenliste hat die CD NELLY SACHS, SCHRIFTSTELLERIN, BERLIN/STOCKHOLM in diesem Monat auf Platz 1 gewählt.
Auszug aus dem Manuskript:
Als Nelly Sachs am 16. Mai 1940 mit einem der letzten zivilen Flugzeuge von Berlin Tempelhof aus Deutschland verlässt und in Schweden eintrifft, liegen fast 50 Jahre ihres Lebens hinter ihr. Jahre, von denen nur so viel blieb, wie in einen kleinen braunen Koffer passte. Das Gefühl von Verfolgung und Bedrohung sollte von nun an niemals schwinden und schließlich so stark werden, dass Überleben für Nelly Sachs zeitweilig nur in dem geschützten Raum einer psychiatrischen Klinik möglich war. Doch in den 30 Jahren Exil sollte sie auch das lyrische Werk schaffen, für das sie 1965 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels und ein Jahr später mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Über das "Leben unter Bedrohung" der letzten Berliner Jahre berichtet sie mit einigem zeitlichen Abstand in einem ihrer wenigen Prosatexte, zuerst veröffentlicht 1956 in Schweden:
" Zeit unter Diktat. Wer diktiert? Alle! Mit Ausnahme derer, die auf dem Rücken liegen wie der Käfer vor dem Tod. Eine Hand nimmt mir die Stunde fort, die ich mit dir verbringen wollte. Sie nimmt mir diese Samentüte daraus blaue Blumen sprießen sollten ohne einen Hauch von violett, das schon an Untergang erinnert. Ohne zu wollen atme ich im Garten einen Duft, aber die Rose ist schon anderen zugesprochen. Bereite dir aus Krumen eine Mahlzeit denn du bist krank und ich liebe dich so. Um dich zu retten möchte ich dich in einen Buchfink verwandeln, der vor dem Fenster an einem Blatt hängt, das der Frühling ihm schenkte. Aber der Frühling hat uns den Rücken zugekehrt. Blüht aus der Fäulnis. Wolken da oben. Wettbewerb im Sterben. Herrliches Fortziehn. Von dieser Erdenkugel abstoßen zu dürfen, diese Wurzelfüße herauszureißen. Gnade, Gnade des Nicht-mehr-Sein-dürfens. Höchster Wunsch auf Erden: Sterben ohne gemordet zu werden.
Woran sind wir gebunden? Warum können wir uns nicht rühren? Warum nicht wie unser großer Hund den ich nicht mehr sättigen konnte herausgereicht werden aus solchem Umkreis an die Schüsseln einer sorgenfreien Küche?
Du hast nichts mehr gegessen. Was ich mit Lebensmühe hereinholte. Der Bissen blieb im Halse stecken. Die Angst hatte ihn mit ihrer schwarzen Hefe aufgebläht.
Es kamen Schritte. Starke Schritte. Schritte in denen das Recht sich häuslich niedergelassen hatte. Schritte stießen an die Tür. Sofort sagten sie, die Zeit gehört uns!
Die Tür war die erste Haut die aufgerissen wurde. Die Haut des Heims. Dann fuhr das Trennungsmesser tiefer. Aus der Familie wurden Teile ausgeschnitten, Teile, die in die weit fort eroberte Zeit verfrachtet wurden. In die Zeit der gekrümmten Finger und der starken Schritte. Mit der die Vögel zogen mit dem Angesicht des Frühlings.
Und dies geschah auf dieser Erde. Geschah und kann geschehn. Und das Kind hatte neue Schuhe bekommen und wollte sich nicht von ihnen trennen. Und im Blick des Greises lag schon Gottes-Auszug-Asche.
Und ich war angebunden an einen Traum. Ein Traum aus Fingern und Schritten. Aß mich satt an der Angst. Die Gerüchte saugten wie Blutegel. Die Nacht war der Rahmen um den Henker in der Kraft unterm Hautwams, über schwanengebogenem Rücken den Taktstock der Zeit.
Fünf Tage lebte ich ohne Sprache unter einem Hexenprozeß. Meine Stimme war zu den Fischen geflohen. Geflohen ohne sich um die übrigen Glieder zu kümmern, die im Salz des Schreckens standen. Die Stimme floh, da sie keine Antwort mehr wußte und "sagen" verboten war.
Und alle begegnenden Augen waren winterlich geworden. Fielen ab; gaben die Blicke woanders hin, dort wo das Recht die Zeit am Nackenfell nahm.
Meine Hand war eine Waise, verlernte den Gegendruck.
Unter Bedrohung leben: im offenen Grab verwesen ohne Tod. Das Gehirn faßt nicht mehr. Die letzten Gedanken kreisen um den schwarzgefärbten Handschuh der die Eintrittsnummer zur Gestapo verdunkelte und fast das Leben kostete. Angstschweiß hatte unsichtbar zu bleiben.
Nein, das Gehirn faßte längst nicht mehr. Was war das: Leben kosten? Mit den Wolken eilen? Wohin? Dahin? Das Angesicht des Frühlings sehn? Wozu? Abfallen von dem Pfahl der Zeit an den ich angebunden stand und rieselte nur mit der Sehnsucht.
Leben unter Bedrohung!
Der Himmel gespiegelt in der glanz-geputzten Gürtelschnalle eines Bevollmächtigten der Zeit?
Eine Nachricht kam. Und die Nachricht verschluckte ich. Das war mein Angelhaken. Aufgehängt an der Luft.
Und das geschieht auf Erden? Und kann geschehn auf Erden? Sonntäglich bist du in deinem neuen Kleid. Du erzählst wohl deinen Kindern Märchen von Wölfen deren Opfer wohlbehalten aus dem Verschlucktsein kriechen?
Es sind viele Wunder geschehn. Ich las darüber. Aber wie sollen die Wunder zu dem kleinen Haufen gelangen, der da isoliert im Stacheldraht zittert. Auch die Wunder haben wohl Angst. Sie ziehen dorthin wo der Feldherr steht, der sie wie eine Scheibe Weißbrot vom Mond abbricht.
Und das geschieht - Gott leg mich in Nacht und schweige -
Aber das ist ja ganz unwirklich was hier geschieht - Fakirkünste die lassen die Erdkruste aufspringen bis die roten Feuerwurzeln wie Peitschen herausfahren.
Wirklich ist der Blick des Kindes, das sich mit den neuen Schuhen an den Henker wandte. Wirklich sind die Abschiedsfäden, die bis auf die Seele zerrissenen, die aus den wunden Leibern hingen, das ganze Leidenswerk was hier gewirkt wurde - die ins Dunkel tropfende Liebe.
Abstoßen von dieser Kugel, in die Flucht, in das Dunkel, das Meer der Unsicherheit darein sich Abraham, der Erste mit dem Stemmeisen der Sehnsucht warf. Wohin - dahin -.
Fassen und begreifen längst verlorenes Stückgut der Sehnsucht. Aber "Moriah" der Klippenabsturz zu Ihm, dessen Zeichen die Ferne ist.
Hier ist nichts mehr zu fassen, hier nicht! Aber eine weißglühende Explosion - Asche im Mund - die Augen erblindet vom Hiersein - und das Universum der Unsichtbarkeit - nur mit den Gestirnen der Seele - diese Briefe geschrieben ins Dunkel - adressiert weit hinter dem Meilenstein wo Sterben starb.
Alles dahin gelebte - Hier.
Alles dahin geliebte - Hier.
Feuer zu Blumensträußen gebunden und des Verrates verzweigte falsche Richtung.
Schwarzkunst des Henkers der die geheimen Gottesknechte in ihr Erwachen warf.
Nichts mehr - gar nichts mehr - aber ich weiß, ich fühle, ich schmecke - die Weltbahn geknotet mit der Sehnsucht aus Staub, deine Todesarbeit eingeritzt - im Sternbild der zerrissenen Kiefer des Fisches.
Sch'ma Israel des alten Volkes Todesgesang schrie aus den Kehlen derer die vor der schwarzen Mauer standen - ich weiß nicht wie die Mauer sank - aber ich weiß, daß sie schon vor dem Tode überstiegen war. "
In Stockholm wurden Nelly Sachs und ihre Mutter Margarete zunächst in verschiedenen Not- und Übergangsquartieren untergebracht, wobei die nur knapp über einen Meter fünfzig große Nelly zeitweilig in einem Kinderbett schlief.
Im Oktober 1941 bezogen sie eine eigene Wohnung im Haus im Bergsundsstrand 23, die Flüchtlingen durch die Jüdische Gemeinde mietfrei zur Verfügung gestellt wurde. Die Gemeinde half den Berlinerinnen auch mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aus, die von anderen Flüchtlingen, die in die USA weiter gereist waren, zurück gelassen worden waren. Die auf diese Weise geerbte Sofagarnitur, bestehend aus einer Schlafcouch mit zwei Sesseln, steht heute in der Königlichen Bibliothek in Stockholm, denn Nelly Sachs lebte mit diesen einfachen Möbelstücken bis zuletzt. Lediglich die Polster hatte sie einmal neu beziehen lassen - in ihrer Lieblingsfarbe blau.
Ausstellungshinweis
Flucht und Verwandlung
Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm
25. März 2010 bis 27. Juni 2010
Jüdisches Museum Berlin, Eric F. Ross Gallerie, Libeskindbau
Nelly Sachs erhielt 1966 als erste deutsche Dichterin den Nobelpreis für Literatur. Damals war die jüdische Lyrikerin deutscher Abstammung 75 Jahre alt und hatte fast dreißig Jahre im Exil verbracht. Mit einer der letzten Passagiermaschinen war sie 1940 gemeinsam mit ihrer Mutter aus Berlin nach Stockholm geflohen. In allerletzter Minute - den Befehl für den Abtransport in ein Konzentrationslager hatte sie schon erhalten.
Zum ersten Mal wird das bedeutende dichterische Werk Nelly Sachs´ in einer großen Wanderausstellung gewürdigt.
"Du wirst . . . meine wiederholt ausgesprochene Bitte
verstanden haben, daß ich hinter meinem Werk
verschwinden will, daß ich anonym bleiben will ...
[Ich] will, daß man mich gänzlich ausschaltet -
nur eine Stimme, ein Seufzer für die, die lauschen
wollen."
Nelly Sachs in einem Brief an Walter A. Berendsohn vom 25. Juni 1959 -
aus:
www.nellysachs.com
Zum ersten Mal wurde 2010 das bedeutende dichterische Werk Nelly Sachs' in einer großen Wanderausstellung gewürdigt
Nelly Sachs erhielt 1966 als erste deutsche Dichterin den Nobelpreis für Literatur. Damals war die jüdische Lyrikerin deutscher Abstammung 75 Jahre alt und hatte fast dreißig Jahre im Exil verbracht. Mit einer der letzten Passagiermaschinen war sie 1940 gemeinsam mit ihrer Mutter aus Berlin nach Stockholm geflohen. In allerletzter Minute - den Befehl für den Abtransport in ein Konzentrationslager hatte sie schon erhalten.
speak low
Vera Teichmann
Produzentin
Vera Teichmann studierte Literatur- und Sprachwissenschaften in Lausanne, Göttingen und Wien. Während des Studiums Dramaturgin und Produktionsleiterin für freie Opernproduktionen in Wien. Anschließend in der Produktionsabteilung von ECM Records München tätig. Aufbaustudium Kultur- und Medienmanagement in Berlin; Leitung der Berliner Dependance der Veranstaltungsagentur Nexus Event. Seit Ende 2002 selbstständige Produzentin von Hörbüchern.
Harald Krewer
Regisseur
Harald Krewer studierte am Max Reinhardt-Seminar in Wien Theaterregie und erhielt anschließend vom deutsch-französischen Kulturrat ein Arbeitsstipendium an der Pariser Comedie Française. Neben zahlreichen Theaterarbeiten als Regisseur und Dramaturg in Deutschland und Österreich, arbeitet er seit 1997 als freier Mitarbeiter in der Hörspielabteilung des Österreichischen Rundfunks. Als Hörspielregisseur ist er für den ORF und verschiedene ARD-Sendeanstalten tätig. Seit 2003 Dozent am Wiener Max Reinhardt Seminar.
Besprechung auf Deutschlandradio Kultur
"Für Nelly Sachs":
Gedichte von Paul Celan, Johannes Bobrowski, Hans Magnus Enzensberger, Ingeborg Bachmann und anderen:
Auszug aus dem Manuskript:
Nelly Sachs, die 1953 die schwedische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, scheint endlich in ihrer neuen Heimat angekommen zu sein. Sie schreibt an eine Freundin:
"Es ist alles wie ein Wunder. Nach furchtbaren Jahren, die ich immer am Tod lebend verbrachte und sehr einsam, kommt nun aus aller Welt eine solche Zustimmung. Ein kleiner Kreis geliebter Freunde waren die letzten fünf Jahre um mich. Einer der führenden skandinavischen Literaturkritiker entdeckte mich, einige der größten schwedischen Lyriker übersetzten, und so wurde es hier Heimat in der Freundschaft. Denn ein Land kann uns niemals mehr Heimat sein, nur wo wir Liebe finden sind wir zuhause. Vor zwei Tagen war wieder ein großer Abend mit einigen meiner kurzen dramatischen Szenen. Mit jungen Schauspielern las man "Was ist ein Opfer", "Der magische Tänzer", "Verzauberung" und "Eine Scheidelinie". Ein deutscher Literaturhistoriker war eingeladen, über mein geträumtes Theater der Zukunft zu sprechen. Trotz aller Verschiedenheit, betonte er, ist die Verwandtschaft mit Beckett da. Die Jugend war gänzlich gefangen und verstand, meine eigene Generation findet mich dunkel und rätselhaft."
Die Jahre nach dem Nobelpreis waren von zunehmenden Beschwerden geprägt. Nelly Sachs erlitt einen Herzanfall und die Anzeichen von Paranoia verstärkten sich, zeitweilig begab sie sich wieder ins Krankenhaus. Sie schrieb regelmäßig, aber nicht mehr viel. Das letzte Jahr war von ihrer Krebserkrankung geprägt: Operation, kurzfristige Besserung des Allgemeinzustandes, erneute Einweisung ins Krankenhaus. Dort erfährt Nelly Sachs durch einen Besucher vom Freitod Paul Celans. Am 12. Mai 1970, dem Tag der Beerdigung von Paul Celan, starb Nelly Sachs.
" Schon hast du dein Fluchtgepäck
hinüber -
die Grenze ist offen
aber vorher
werfen sie alle deine "zu Hause"
wie Sterne durchs Fenster
komm nicht mehr zurück
im Unbewohnten wohne
und stirb - "
Ihre materielle Hinterlassenschaft vererbte Nelly Sachs den Freunden Bengt und Margaretha Holmqvist, die immateriellen Rechte an ihrem Werk dessen Wegbereiter Hans Magnus Enzensberger. Die Holmqvists beschlossen, die Einrichtung der Wohnung, Bücher und Manuskripte der schwedischen Nationalbibliothek zu übergeben. Am 10. Dezember 1970 wurde dort in Anwesenheit von Olof Palme ein fast exakter Nachbau von Nelly Sachs' Apartment am Bergsundsstrand 23 eingeweiht.
EVA DILLMAN
"We are 50 meters below the ground floor in the old building of the rayal library [...] only the library and the furniture are down here.
Wer die Wohnung von Nelly Sachs besichtigen möchte, kann bei der Königlichen Bibliothek einen Termin vereinbaren und in Begleitung von Eva Dillman mit dem Fahrstuhl 50 Meter in die Tiefe fahren. Dort befindet sich das Wohnzimmer mit den Bücherregalen und dem Esstisch auf der einen, und der Sofagarnitur auf der anderen Seite. Und die Kajüte, jene 4 Quadratmeter große Nische hinter der Küche, die Nelly Sachs als Schlaf- und Arbeitszimmer diente. Auf dem kleinen Tischchen vor dem Bett steht ihre Schreibmaschine, im Regal liegen die wenigen Dinge, die sie aus Deutschland mitgebracht hat. Fotos von den Eltern, ein Oblatenalbum von der Großmutter, die Seiten beklebt mit kitschigen Glanzbildern. Margaretha Holmqvist und Eva Dillmann zeigen die Steinsammlung, die auf dem Fensterbrett gelegen hat, die Kette, die Nelly Sachs zur Nobelpreisverleihung trug, ihre Handtasche.
EVA DILLMAN
" When Frau Holmqvist and her husband donated the archive [...] so it was a unity the archive and the apartment."
Das Werk von Nelly Sachs hat seit fünfzig Jahren seine Heimat im Suhrkamp Verlag, an den Hans Magnus Enzensberger es seinerzeit vermittelt hat. In diesem Jahr erscheint dort, herausgegeben von Aris Fioretos, eine vierbändige Werkausgabe, die neben der lyrischen und dramatischen Dichtung auch Prosatexte und Briefe umfasst.
HANS-MAGNUS ENZENSBERGER:
Ich höre, was ein Gedicht ist. Das kann ich hören. Das trägt, das lebt, da ist eine Energie drin, solche Kriterien, die man nicht nachmessen kann. Und wenn man selbst auch Gedichte schreibt, dann entstehen sofort solche vielleicht nicht Wahlverwandtschaften, aber da ist etwas. Da schwingt irgendeine Seite bei dir mit. Das ist auch sprachlich nicht etwas, was du irgendwo schon hundertmal gehört hast. Das hat auch einen eigenen Sprachzauber. Manchmal nehme ich ein dickes Buch, eine neue Ausgabe; manches erkenne ich wieder, manches kenne ich gar nicht. Dann bewege ich mich in diese ganz andere Welt, als es meine alltägliche Welt ist. Manchmal muss ich mich sogar ein bisschen rein lesen, da es auch nicht immer auf Anhieb geht. Da muss man ein bisschen Zeit haben und ein bisschen zuhören. Warum macht sie das jetzt so? Das ist eine Frage des Tonfalls, also auch der Prosodie im Gedicht. Das kann man wirklich am besten nachprüfen, wenn man es laut liest. Manches hört man auch ohne es laut zu lesen. So ein Tonfall. Dann höre ich etwas Bestimmtes. Es gibt so Bilder von Bosch und Patinir wo so Kristallkuppeln sind. Man ist in einem anderen Raum.
" Dies ist übrig -
mit meiner Welt zogst du hinaus
Komet des Todes.
Übrig ist die Umarmung
der Leere
ein kreisender Ring
der seinen Finger verlor.
Wieder Schwärze
vor der Schöpfung
Trauergesetz.
Abgeblättert die leichtsinnige Vergoldung
der Nacht
die sich der Tag erlaubte.
Der Schatten Kalligraphie
als Nachlaß.
Grüngefärbte Landschaften
mit ihren wahrsagenden Gewässern
ertrunken
in den Sackgassen der Finsternis.
Bett Stuhl und Tisch
schlichen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer
dem Haar der Trennung nach -
Alles ist ausgewandert mit dir
mein ganzer Besitz enteignet -
nun trinkst du Geliebtestes mir
die Worte vom Atem
bis ich verstumme - "