Caroline Fetscher ist Redakteurin des Berliner "Tagesspiegel". Zu ihren Themen gehören gesellschaftliche Debatten in den Bereichen Kultur und Politik, insbesondere Menschenrechte und Kinderschutz.
In der ethischen Grauzone
Bei Diesel-Schadstofftests wurde mit Menschen und Affen experimentiert. Die "Tagesspiegel"-Journalistin Caroline Fetscher warnt bei der ethischen Bewertung vor doppelten Standards und zu viel "Empörungslust".
Im Abgasskandal soll es Diesel-Schadstofftests nicht nur mit Affen, sondern auch mit Menschen gegeben haben. Das geht aus einem Bericht der Lobby-Vereinigung der Autoindustrie EUGT hervor. Den Berichten zufolge soll die von den Konzernen VW, Daimler und BMW gegründete Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) eine "Kurzzeit-Inhalationsstudie mit Stickstoffdioxid bei gesunden Menschen gefördert" haben. Dies stehe in einem als Tätigkeitsbericht für die Jahre 2012 bis 2015 herausgegebenen Report, über den verschiedene Zeitungen berichteten.
25 Testpersonen
Dabei seien an einem Institut des Universitätsklinikums Aachen 19 junge Männer und sechs Frauen untersucht worden, nachdem sie jeweils über mehrere Stunden Stickoxid (NO2) in unterschiedlichen Konzentrationen eingeatmet hätten. Dabei sei keine Wirkung festgestellt worden, hieß es. Der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus sagte der "Stuttgarter Zeitung" jedoch, die 2016 veröffentlichte Studie sei nur eingeschränkt aussagekräftig. Zum einen ließen sich die Befunde nicht auf die gesamte Bevölkerung übertragen, zum anderen sei Stickstoffdioxid nur ein Teil der gesamten Luftbelastung. Stickstoffdioxid (NO2) ist der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten.
Großexperiment Straßenverkehr
"Das ist natürlich auf den ersten Blick skandalös, unmoralisch, unethisch etc.", sagte die Tagesspiegel-Redakteurin Caroline Fetscher im Deutschlandfunk Kultur. "Man muss sich nur fragen, ob wir da nicht auch doppelte Standards haben." Im Grunde sei der gesamte Straßenverkehr ein Großexperiment mit Millionen von Menschen, die das einatmen. Sie könnten nicht einwilligen, wie die Testpersonen. "Kinder und Kinderwagen sind auf der Höhe der Auspuffrohre." Die 25 erwachsenen Probanden hätten sich selbst bereit erklärt, wie das auch bei Medikamententests üblich sei.
Unlösbare Frage
Über die Frage von Tierexperimenten werde bereits seit Jahrzehnten ethisch diskutiert, unter welchen Bedingungen sie möglich seien und ob die Tiere dabei Schmerzen erlitten. "Ich fürchte, das ist fast eine unlösbare Frage", sagte Fetscher. Man könne das Leid der Versuchstiere verringern und sollte das auch tun. Wenn man herausfinden wolle, wie schädlich solche Abgase seien, dann müsse das in irgendeiner Weise getestet werden, sagte Fetscher. "Das bleibt immer in einer ethischen Grauzone." Sie könne nur tendenziell kleiner werden. Man müsse aber aufpassen, dass daraus keine "Empörungslust" oder kein "Empörungsgenuss" werde.
Die ganze Sendung mit der Journalistin Caroline Fetscher hören Sie hier: Audio Player