Was Fahrverbote bisher gebracht haben
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Städte per Gerichtsbeschluss zu Dieselfahrverboten zwingen: Das war bisher die Strategie der Deutschen Umwelthilfe. Doch die Wirkung der Verbote ist umstritten. Und so verfolgt der Verband jetzt auch andere Ansätze für bessere Luft in den Städten.
Die großen Verkehrsschilder mit dem rot umrandeten Autosymbol warnen schon auf der quirligen Hermannstraße: Links abbiegen dürfen nur Dieselfahrer, deren Auto mindestens der Euro-6-Norm entspricht. Die Abbiegespur führt in die schmucklose Berliner Silbersteinstraße, die einst als dreckigste Straße der Stadt betitelt wurde. Die Belastung durch Stickoxide ist hier vergleichsweise hoch. Das Diesel-Fahrverbot soll sie unter den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel drücken. Doch alle Hoffnung für die Silbersteinstraße trifft schon an der nächsten Kreuzung auf tief sitzende Skepsis. Hier wohnt seit 28 Jahren Helga von Kolschinski.
"Hier fahren viele Autos durch, die hier nicht sein dürfen", sagt sie. "Die fahren hier schneller durch, als sie dürfen, es wird nicht kontrolliert. Wenn man abends rausgeht, sieht man nur die großen Schlitten, und nicht mit 30, sondern mehr."
"Es müsste viel mehr kontrolliert werden"
Von ihrem Balkon aus hat Helga von Kolschinski die Silbersteinstraße gut im Blick, die als eine von acht Strecken in Berlin seit November für ältere Diesel-Fahrzeuge gesperrt ist. Damit es klappt mit der besseren Luft, dürfen hier auch keine Lkw mehr fahren. Außerdem gilt Tempo 30. Aber an solche Vorgaben hält sich freiwillig gerade einmal die Hälfte der Berliner Autofahrer. Das zeigte eine Erhebung im letzten Sommer. Helga von Kolschinski erwartet nicht, dass es beim Dieselverbot anders sein wird:
"Das bringt gar nichts, es hält sich keiner daran, weil zum Kontrollieren einfach die Polizei fehlt. Es müsste viel mehr kontrolliert werden. Ist meine Meinung."
Doch ganz sollte sie den Mut noch nicht verlieren. Beispiel Hamburg: Die Hansestadt hat im Juni 2018 das erste Diesel-Fahrverbot in Deutschland verhängt. Zumindest auf einem Straßenabschnitt habe sich die Luftqualität verbessert, sagt Manfred Braasch vom BUND. Der Umweltverband hat in Hamburg die Verbote vor Gericht durchgesetzt.
"Es zeigt sich, dass an einer der beiden Straßen, wo vor allen Dingen der Lkw-Verkehr Probleme macht, das Fahrverbot wirkt. Dort sind die Stickoxidemissionen, um die es geht, um über zehn Prozent zurückgegangen. Das ist ein deutlicher Rückgang dieser Belastung. An der zweiten Straßen war das Ergebnis nicht ganz so eindeutig. Das liegt daran, dass dort mehr Pkw durchfahren und dass diese Straße auch nicht ausreichend kontrolliert wurde."
Datenrechtliche Bedenken gegen Kameraüberwachung
Auch hier gibt es offenbar ein Problem mit der Kontrolle. Die Berliner Polizei schlug vor, die Diesel-Fahrverbote automatisiert mit Kameras zu überwachen, aber der Senat sorgt sich um den Datenschutz. Jan Thomsen von der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr geht davon aus, dass die Verbote sich auch so durchsetzen lassen.
"Die müssen sich natürlich auch erstmal eine Zeit in der Stadt rumsprechen. Und die Schilder sind groß genug, die machen schon klar, was erlaubt ist und was nicht. Wenn die Polizei dann noch kontrolliert, glaube ich, wird das so laufen, wie wir uns das vorstellen."
Groß genug mögen die Hinweisschilder sein, aber zumindest an den Seitenstraßen der Silbersteinstraße fehlen sie noch gänzlich. Wer von hier aus einbiegt, erfährt nichts von einem Fahrverbot. Insgesamt wurden bis Januar bundesweit 16.000 Verstöße gegen Diesel-Fahrverbote registriert. Neben Berlin und Hamburg gelten sie auch in Stuttgart und Darmstadt. Die Luft in Deutschland war im vergangenen Jahr nach Angaben des Umweltbundesamts und der Länder sauberer als im Jahr zuvor. Was auffällt: Die Stickoxidwerte gehen vor allem dort zurück, wo besonders schmutzige Diesel nicht mehr auf die Straße dürfen. Stuttgart etwa war nicht mehr Spitzenreiter der besonders belasteten Städte. Die Messungen lassen keinen direkten Schluss zu, warum sich die Luft verbessert hat. Bundesumweltministerin Svenja Schulze rechnet dies auch den Fahrverboten zu:
"Es zeigt sich eben, die Maßnahmen wirken. Es ist nicht umsonst, wenn langsamer gefahren wird oder es Fahrverbote gibt."
Weitere Fahrverbote ab Sommer
In 19 Städten wird der zulässige Stickstoffdioxidwert aber nach wie vor überschritten. Deshalb dürften weitere Fahrverbote kommen. In Mainz etwa ab Juli. In Frankfurt womöglich ab Ende des Jahres. In Hamburg drohen nach einem neuen Urteil zusätzliche Fahrverbote. Die Stadt will in Revision gehen. Stuttgart hat die Zonen bereits ausgeweitet, weil die Stickoxid-Werte trotz Verbesserung noch immer deutlich über dem Grenzwert liegen.
Nun sind seit Beginn des Jahres vier Straßenabschnitte auch für 5er-Diesel gesperrt. Zuvor durften in der ganzen Stadt bereits Diesel der EU Norm 4 oder darunter nicht mehr fahren. Acht Städte in Nordrhein-Westfahlen versuchen das noch abzuwenden. Die Deutsche Umwelthilfe, die die meisten Fahrverbote in Deutschland eingeklagt hat, verhandelt in Münster mit Vertretern des Landes und der Städte gerade über einen richterlichen Vergleich.
"Der Vorteil einer solchen Vereinbarung ist nämlich auch, dass man nicht noch ein oder zwei Gerichtsentscheidungen abwarten muss", sagt der Geschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. "Sondern mit der Unterschrift wird das Programm rechtsgültig und muss umgesetzt werden."
Umwelthilfe strebt außergerichtliche Einigungen an
Mit Essen, Dortmund und Bonn hat er solche Vergleiche bereits geschlossen. Durch Tempo 30, Zufahrtsregelungen und Anreize für Bus und Bahn sollen die Schadstoffwerte noch in diesem Jahr unter die Höchstgrenze sinken. Über die Details haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart und wollen sie Ende der Woche vorstellen.
"Wenn die Maßnahmen, von denen wir wirklich überzeugt sind, dass sie geeignet sind, die Werte einzuhalten, dennoch nicht greifen, haben wir einen Mechanismus, der dann sehr kurzfristig und rechtlich nicht mehr angreifbar zu weiteren Maßnahmen führt", betont Resch. "Und das sind in der Regel Diesel-Fahrverbote, weil alles andere ja im Vorfeld ausprobiert worden ist."
Aus Sicht des Umweltverbands sei es befriedigender, Städte nicht per Gericht zu einem Fahrverbot zu verdonnern, sagt der Geschäftsführer der Umwelthilfe. Der Verband wolle mit am Tisch sitzen, wenn über die Verkehrswende verhandelt werde. Das eigentliche Ziel sind nämlich nicht Verbote auf einigen Strecken, sondern insgesamt weniger Autos in der Stadt. Der Streit um die Straße, scheint es, hat gerade erst begonnen.