Konzern-Chef Winterkorn will Abgas-Skandal aussitzen
Pfusch im Großformat: Die betrügerische Software des VW-Konzerns wurde, wie mittlerweile bekannt, in elf Millionen Fahrzeugen verbaut. Das Unternehmen sah sich heute gezwungen, eine Gewinnwarnung herauszugeben. Doch Konzern-Chef Martin Winterkorn will keine persönlichen Konsequenzen ziehen.
Krisensitzungen am laufenden Band, das Vertrauen von Anlegern und Kunden im freien Fall, persönliche Erklärungen des Konzernchefs. Der Weltkonzern Volkswagen steht infolge seiner raffinierten Manipulationen von Abgaswerten vor einem Scherbenhaufen.
In den dürren Zeilen einer Pressemitteilung musste der Konzern einräumen, dass die betrügerische Steuerungssoftware weltweit in insgesamt elf Millionen Fahrzeugen verbaut ist. Bei internen Prüfungen seien bei einem bestimmten älteren Motorentyp so wörtlich "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und dem realen Fahrbetrieb" festgestellt worden, verlautet aus Wolfsburg.
Volkswagen betont, dass Dieselmotoren in Neuwagen, die aktuell in der EU auf dem Markt sind, die Umweltnormen erfüllen, die von den US-Behörden beanstandete Software habe keinen Einfluss auf Schadstoffausstoß und Fahrverhalten. Im Klartext: Selbst in den modernsten Motoren ist die Software noch immer verbaut, beeinflusst aber angeblich nicht die Messwerte.
Sorge um Arbeitsplätze
Der Skandal zieht immer weitere Kreise, Volkswagen sieht sich zur Gewinnwarnung gezwungen. sechseinhalb Milliarden Euro legt der Konzern allein im laufenden Quartal an die Seite. Damit rüstet sich Volkswagen für mögliche milliardenteure Strafzahlungen an US-Behörden, für eventuelle Rückrufaktionen und drohende Regressansprüche geprellter Diesel-Käufer.
Auch in der niedersächsischen Staatskanzlei glühen die Drähte, im Land wächst die Sorge, dass die Manipulationen Kunden verschrecken und damit letztlich auch Arbeitsplätze gefährden könnte.
Stephan Weil: "Der wirtschaftliche Schaden ist ganz sicher entstanden, und zwar in den vereinigten Staaten, aber ich denke auch auf den europäischen Kernmärkten, auch bei uns in Deutschland. Da muss Volkswagen Vertrauen zurückgewinnen – das steht für mich außer Frage!"
Sagt Ministerpräsident Stephan Weil, der für den Großaktionär Niedersachen im VW-Aufsichtsrat sitzt. Allein am Stammwerk Wolfsburg sind Zehntausende Arbeitsplätze mittelbar vom Markterfolg des Weltkonzerns abhängig. Im Vorjahr hatte die 20-prozentige Beteiligung an Niedersachsens größtem Arbeitgeber fast 300 Millionen Euro in die Landeskasse gespült.
An der Börse ging es heute erneut Abwärts für Volkswagen. Inzwischen mehren sich die Stimmen die persönliche Konsequenzen des VW-Chefs verlangen. Sie reichen vom früheren BdI-Chef Hans-Olaf Henkel bis zu den Linken im Bundestag die von einem Totalschaden für Volkswagen sprechen.
Bundesverkehrsminister Dobrindt will eine Untersuchungskommission einsetzen und Dieselfahrzeuge in Deutschland strenger überprüfen lassen. Auch Bundesumweltministerin Hendricks spricht sich inzwischen dafür aus, die Abgas-Tests anzupassen – weg von reinen Laborbedingungen und hin zum Normalbetrieb.
"Über Messen und Prüfen neu nachdenken"
Hendricks: "Ich glaube, dass wir tatsächlich den Mechanismus noch einmal nachschärfen müssen. Wir wissen schon, dass also die Testergebnisse meistens wohl nicht übereinstimmen mit dem tatsächlichen Verbrauch. Über Messen und Prüfen müssen wir höchstwahrscheinlich noch einmal neu nachdenken.
In einer persönlichen Erklärung erteilte Konzernchef Martin Winterkorn am Nachmittag allen Forderungen nach seinem Rücktritt eine Absage. Die Manipulationen widersprächen allem, wofür die Marke Volkswagen stehe. Er entschuldige sich dafür, alle Fakten würden schonungslos auf den Tisch gelegt. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates will bei einer Krisensitzung morgen über das weitere Vorgehen beraten.