"Dieser amerikanische Traum wird mehr und mehr zum Albtraum"
Nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom Mittelständler zum Obdachlosen verliefen derzeit die Karrieren in den USA, sagt der Armutsforscher Christoph Butterwege. Dennoch richte sich der Wahlkampf der US-Politiker eher an Privilegierte, da arme Menschen kaum wählen gingen, kritisiert der Politikwissenschaftler.
Hanns Ostermann: Ganz sicher sind sie stolz auf ihn, die Afroamerikaner: Vor vier Jahren wählten sie ganz überwältigend Barack Obama. Das dürfte auch in der kommenden Woche der Fall sein. Allerdings, ihre Lage ist nach wie vor schwierig, etwa jeder Dritte von ihnen lebt unter der Armutsgrenze, im nationalen Durschnitt sind es 15 Prozent, 46 Millionen Menschen. Entscheidet die soziale Frage die Wahl zwischen Mitt Romney und Barack Obama, und wie groß ist generell das Konfliktpotenzial für eine Demokratie, wenn Millionen am Rand stehen? Darüber spreche ich mit Professor Christoph Butterwegge, er ist Armutsforscher an der Universität in Köln. Guten Morgen, Herr Butterwegge!
Christoph Butterwegge: Ja, guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Die Kirchen in den USA kritisieren, dass zu wenig direkt über Armut gesprochen wird, aber stimmt das überhaupt? Denn immer wieder ging es doch um die Rolle des Staates, und damit indirekt auch um die Armut.
Butterwegge: Ja, aber wenn man sieht, wie dramatisch sich die Situation darstellt, dass sich der Reichtum immer stärker konzentriert bei ganz wenigen – ein Prozent der Bevölkerung dort besitzen fast 40 Prozent des Vermögens, und auf der anderen Seite haben wir fast 50 Millionen Amerikaner unterhalb der offiziellen Armutsgrenze –, dann müsste das eigentlich das entscheidende Thema des Wahlkampfes sein, und überhaupt die Kardinalfrage in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Aber in den USA gilt Armut noch viel stärker als bei uns als Strafe für Leistungsverweigerung und Reichtum als Belohnung für die Leistungsträger, sodass sich im Grunde viele zumindest beruhigen, jedenfalls dann, wenn sie nicht selber Angst haben, von Armut betroffen zu sein.
Ostermann: Trotzdem, warum scheuen dann die Protagonisten die Auseinandersetzung gerade in dieser Frage?
Butterwegge: Armut ist ein Thema, was gerade im Wahlkampf eher weggedrängt wird, aus dem einfachen Grunde: Die Armen wählen kaum, und deswegen muss man eigentlich diejenigen als amerikanischer Politiker erreichen, die nicht zu den Armen gehören, und da macht es eigentlich wenig Sinn, die Betroffenen anzusprechen oder deren Probleme aufzugreifen oder an deren Interessen anzusetzen, und das geschieht ja auch sehr, sehr wenig. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass die Reichen in die Wahlkämpfe sehr massiv eingreifen, dass das Geld eine ganz wesentliche Rolle spielt bei der Frage, wer wird US-Präsident. Ich würde so weit gehen zu sagen, in den USA haben wir eigentlich schon eher eine Plutokratie als eine Demokratie, denn wer das Geld hat im Wahlkampf, der schaltet Spots, der kauft sich entsprechende Sendungen, der ist in der Öffentlichkeit präsent, und aus diesem Grund alleine schon werden diejenigen angesprochen, die das Geld haben beziehungsweise diejenigen, die wie die Mittelschicht Angst haben, abzustürzen. Und ich glaube, das ist in den USA geradezu panikartig, wie da die Mittelschicht fürchtet, nach unten zu sinken. Und die Strategie ist meistenteils, sich abzugrenzen von den Minderheiten, von den sozial Benachteiligten, von denjenigen, die schon arm sind, und die Hoffnung weiter zu hegen nach dem Amerikanischen Traum, nach oben aufsteigen zu können, aber dieser amerikanische Traum wird mehr und mehr zum Albtraum. Nicht mehr vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vielfach ist es jetzt umgekehrt, vom Kleinaktionär wird man zum Müllsammler oder auch zum Obdachlosen.
Ostermann: Geht es nach Paul Ryan, dem republikanischen Vizekandidaten, dann soll ein Viertel des föderalen Haushaltes eingespart werden, fast 900 Milliarden Dollar. Wie groß ist der Zündstoff für die amerikanische Gesellschaft?
Butterwegge: Man sieht schon jetzt, dass die Infrastruktur in den USA zerfällt, dass die Städte zerfallen, die Kommunen haben kaum Geld, und wenn jetzt noch Sozialprogramme, insbesondere für die Rentnerinnen und Rentner zusammengestrichen werden – bei einem republikanischen Wahlsieg ist das ja zu befürchten –, dann wird die soziale Lage natürlich noch viel katastrophaler. Ich fürchte, dass das gesellschaftliche Leben in den USA sich in eine Richtung entwickelt, dass nur noch für Privatinitiative Platz bleibt und der Staat mehr und mehr seine Rolle verliert, denn das ist ja das neoliberale Gesellschaftsbild der Republikaner, und natürlich auch des Präsidentschaftskandidaten und seines Vize, nämlich den Staat zurückzudrängen und dem Markt noch mehr Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Dieses Konzept ist eigentlich in der Finanzkrise gescheitert, aber jetzt wird nach der Devise, noch mehr vom ohnehin schon Schlechten, nämlich die Dosis zu erhöhen, als Medikament – dabei ist das Medikament selbst die Krankheit.
Ostermann: Herr Butterwegge, die Republikaner argumentieren: Erreicht man Vollbeschäftigung, dann gibt es keine Armut mehr, und außerdem gibt es ja auch private Wohltäter. Stimmt eigentlich diese Rechnung, die ja auch bei uns hin und wieder von Leuten aufgemacht wird?
Butterwegge: Die Arbeitslosigkeit konsequent zu bekämpfen, das wäre sicherlich ein möglicher Weg für viele jedenfalls aus der Armut, nur ich sehe nicht, dass konsequent die Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Was die Republikaner fordern, ist ja ein Weg, der über Steuersenkungen funktionieren soll, also man will bei den Reichen, bei den Unternehmen die Steuer noch weiter senken und hofft auf diese Art und Weise, wenn man es denn wirklich hofft, mehr Jobs zu bekommen. Das ist natürlich eine Illusion, weil solange gerade diejenigen, die als Underclass gelten, auch die Working Poor, also diejenigen, die arbeiten, aber ganz, ganz wenig verdienen, so lange die nicht konsumieren können, weil ihnen das Geld fehlt, werden auch die Unternehmen nicht investieren und werden auch keine Arbeitsplätze schaffen. Und alles den Gönnern, den Spendern und denjenigen zu überlassen, die eben per Mildtätigkeit und durch Stiftungen das Elend bekämpfen, das scheint mir auch kein richtiger Weg zu sein. Man braucht einen funktionierenden Staat, einen funktionierenden Steuer- und Sozialstaat, der eben mit den ausreichenden Finanzmitteln versehen ist, um soziale Ungleichheiten zu beheben, um auch zwischen den Regionen ausgleichend zu wirken – wenn man das alles dem Markt und den privaten Großspendern überlässt, dann wird man sehen, dass die Spaltung des Landes und auch der Zerfall der Städte weitergehen wird.
Ostermann: Was bedeutet es für eine Demokratie generell, wenn immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und möglicherweise an politischen Entscheidungen kaum noch teilnehmen?
Butterwegge: Die soziale Ungleichheit untergräbt die Demokratie. Für mich hängen demokratische und soziale Frage sehr eng zusammen. Demokratie ist für mich mehr als alle vier oder alle fünf Jahre zu einer Wahlurne gehen zu können. Das gehört natürlich auch dazu, aber Demokratie bedeutet eigentlich, dass die Bewohner und Bewohnerinnen eines Landes sich beteiligen können am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, dass sie über das Schicksal des Landes bestimmen, und das kann man natürlich nur, wenn man nicht die Befürchtung hat, am 20. des Monats nichts Warmes mehr auf den Tisch zu bekommen für die Kinder. Also ist ein funktionierender Sozialstaat das Fundament für die Demokratie, und in den USA geht eben das, was dort als Welfare State bezeichnet wird, immer mehr verloren. Wir haben das Problem, dass die Armen immer weniger partizipieren, dass sie nicht teilnehmen an Wahlen, und wir haben in Deutschland – natürlich nicht so ausgeprägt wie dort, jenseits des Atlantiks –, aber wir haben es auch hier schon ansatzweise, dass mehr Menschen abgehängt werden. Und Armut bedeutet eben, nicht nur wenig Geld zu haben, Armut bedeutet auch, politisch ohnmächtig zu sein, entmündigt zu werden, wenn Sie so wollen. Und bei der letzten Bundestagswahl hat es hier in Köln eine Wahlbeteiligung gegeben in zwei Stadtvierteln, die mir sehr zu denken gegeben hat: Ein Villenviertel, Hahnwald, mit 87 Prozent Wahlbeteiligung, und auf der anderen Seite Chorweiler, eine Hochhaussiedlung mit 43 Prozent, also weniger als der Hälfte an Wahlbeteiligung. Und das zeigt, die eher Privilegierten nehmen ihre politischen Bestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten wahr, während diejenigen, die eher nach unten abgesunken sind, resigniert haben, die Politik für ein schmutziges Geschäft halten, von den Politikern enttäuscht sind. Und sie werden natürlich, wenn sie die Millionensummen von Peer Steinbrücks Vorträgen hören, dann werden sie natürlich in dieser Meinung bestätigt, egal ob die richtig oder nicht richtig ist, dass Politiker korrupt sind, dass sie käuflich sind. Und in den USA kann man ja auch ein Essen mit dem Präsidenten kaufen im Wahlkampf, das zeigt, wie stark Ökonomisches und Soziales zusammenhängen.
Ostermann: Dieses Fass können wir leider nicht mehr aufmachen – Professor Christoph Butterwegge war das, Armutsforscher an der Universität in Köln. Herr Butterwegge, danke Ihnen für das Gespräch!
Butterwegge: Bitte schön, Herr Ostermann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr bei dradio.de:
Portal USA-Wahl 2012 auf dradio.de
USA-Wahl 2012 in den Programmen des Deutschlandradios
USA-Blog: Die geteilten Staaten von Amerika Hinter den Kulissen der US-Präsidentenwahl 2012
Christoph Butterwegge: Ja, guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Die Kirchen in den USA kritisieren, dass zu wenig direkt über Armut gesprochen wird, aber stimmt das überhaupt? Denn immer wieder ging es doch um die Rolle des Staates, und damit indirekt auch um die Armut.
Butterwegge: Ja, aber wenn man sieht, wie dramatisch sich die Situation darstellt, dass sich der Reichtum immer stärker konzentriert bei ganz wenigen – ein Prozent der Bevölkerung dort besitzen fast 40 Prozent des Vermögens, und auf der anderen Seite haben wir fast 50 Millionen Amerikaner unterhalb der offiziellen Armutsgrenze –, dann müsste das eigentlich das entscheidende Thema des Wahlkampfes sein, und überhaupt die Kardinalfrage in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Aber in den USA gilt Armut noch viel stärker als bei uns als Strafe für Leistungsverweigerung und Reichtum als Belohnung für die Leistungsträger, sodass sich im Grunde viele zumindest beruhigen, jedenfalls dann, wenn sie nicht selber Angst haben, von Armut betroffen zu sein.
Ostermann: Trotzdem, warum scheuen dann die Protagonisten die Auseinandersetzung gerade in dieser Frage?
Butterwegge: Armut ist ein Thema, was gerade im Wahlkampf eher weggedrängt wird, aus dem einfachen Grunde: Die Armen wählen kaum, und deswegen muss man eigentlich diejenigen als amerikanischer Politiker erreichen, die nicht zu den Armen gehören, und da macht es eigentlich wenig Sinn, die Betroffenen anzusprechen oder deren Probleme aufzugreifen oder an deren Interessen anzusetzen, und das geschieht ja auch sehr, sehr wenig. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass die Reichen in die Wahlkämpfe sehr massiv eingreifen, dass das Geld eine ganz wesentliche Rolle spielt bei der Frage, wer wird US-Präsident. Ich würde so weit gehen zu sagen, in den USA haben wir eigentlich schon eher eine Plutokratie als eine Demokratie, denn wer das Geld hat im Wahlkampf, der schaltet Spots, der kauft sich entsprechende Sendungen, der ist in der Öffentlichkeit präsent, und aus diesem Grund alleine schon werden diejenigen angesprochen, die das Geld haben beziehungsweise diejenigen, die wie die Mittelschicht Angst haben, abzustürzen. Und ich glaube, das ist in den USA geradezu panikartig, wie da die Mittelschicht fürchtet, nach unten zu sinken. Und die Strategie ist meistenteils, sich abzugrenzen von den Minderheiten, von den sozial Benachteiligten, von denjenigen, die schon arm sind, und die Hoffnung weiter zu hegen nach dem Amerikanischen Traum, nach oben aufsteigen zu können, aber dieser amerikanische Traum wird mehr und mehr zum Albtraum. Nicht mehr vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vielfach ist es jetzt umgekehrt, vom Kleinaktionär wird man zum Müllsammler oder auch zum Obdachlosen.
Ostermann: Geht es nach Paul Ryan, dem republikanischen Vizekandidaten, dann soll ein Viertel des föderalen Haushaltes eingespart werden, fast 900 Milliarden Dollar. Wie groß ist der Zündstoff für die amerikanische Gesellschaft?
Butterwegge: Man sieht schon jetzt, dass die Infrastruktur in den USA zerfällt, dass die Städte zerfallen, die Kommunen haben kaum Geld, und wenn jetzt noch Sozialprogramme, insbesondere für die Rentnerinnen und Rentner zusammengestrichen werden – bei einem republikanischen Wahlsieg ist das ja zu befürchten –, dann wird die soziale Lage natürlich noch viel katastrophaler. Ich fürchte, dass das gesellschaftliche Leben in den USA sich in eine Richtung entwickelt, dass nur noch für Privatinitiative Platz bleibt und der Staat mehr und mehr seine Rolle verliert, denn das ist ja das neoliberale Gesellschaftsbild der Republikaner, und natürlich auch des Präsidentschaftskandidaten und seines Vize, nämlich den Staat zurückzudrängen und dem Markt noch mehr Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Dieses Konzept ist eigentlich in der Finanzkrise gescheitert, aber jetzt wird nach der Devise, noch mehr vom ohnehin schon Schlechten, nämlich die Dosis zu erhöhen, als Medikament – dabei ist das Medikament selbst die Krankheit.
Ostermann: Herr Butterwegge, die Republikaner argumentieren: Erreicht man Vollbeschäftigung, dann gibt es keine Armut mehr, und außerdem gibt es ja auch private Wohltäter. Stimmt eigentlich diese Rechnung, die ja auch bei uns hin und wieder von Leuten aufgemacht wird?
Butterwegge: Die Arbeitslosigkeit konsequent zu bekämpfen, das wäre sicherlich ein möglicher Weg für viele jedenfalls aus der Armut, nur ich sehe nicht, dass konsequent die Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Was die Republikaner fordern, ist ja ein Weg, der über Steuersenkungen funktionieren soll, also man will bei den Reichen, bei den Unternehmen die Steuer noch weiter senken und hofft auf diese Art und Weise, wenn man es denn wirklich hofft, mehr Jobs zu bekommen. Das ist natürlich eine Illusion, weil solange gerade diejenigen, die als Underclass gelten, auch die Working Poor, also diejenigen, die arbeiten, aber ganz, ganz wenig verdienen, so lange die nicht konsumieren können, weil ihnen das Geld fehlt, werden auch die Unternehmen nicht investieren und werden auch keine Arbeitsplätze schaffen. Und alles den Gönnern, den Spendern und denjenigen zu überlassen, die eben per Mildtätigkeit und durch Stiftungen das Elend bekämpfen, das scheint mir auch kein richtiger Weg zu sein. Man braucht einen funktionierenden Staat, einen funktionierenden Steuer- und Sozialstaat, der eben mit den ausreichenden Finanzmitteln versehen ist, um soziale Ungleichheiten zu beheben, um auch zwischen den Regionen ausgleichend zu wirken – wenn man das alles dem Markt und den privaten Großspendern überlässt, dann wird man sehen, dass die Spaltung des Landes und auch der Zerfall der Städte weitergehen wird.
Ostermann: Was bedeutet es für eine Demokratie generell, wenn immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und möglicherweise an politischen Entscheidungen kaum noch teilnehmen?
Butterwegge: Die soziale Ungleichheit untergräbt die Demokratie. Für mich hängen demokratische und soziale Frage sehr eng zusammen. Demokratie ist für mich mehr als alle vier oder alle fünf Jahre zu einer Wahlurne gehen zu können. Das gehört natürlich auch dazu, aber Demokratie bedeutet eigentlich, dass die Bewohner und Bewohnerinnen eines Landes sich beteiligen können am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, dass sie über das Schicksal des Landes bestimmen, und das kann man natürlich nur, wenn man nicht die Befürchtung hat, am 20. des Monats nichts Warmes mehr auf den Tisch zu bekommen für die Kinder. Also ist ein funktionierender Sozialstaat das Fundament für die Demokratie, und in den USA geht eben das, was dort als Welfare State bezeichnet wird, immer mehr verloren. Wir haben das Problem, dass die Armen immer weniger partizipieren, dass sie nicht teilnehmen an Wahlen, und wir haben in Deutschland – natürlich nicht so ausgeprägt wie dort, jenseits des Atlantiks –, aber wir haben es auch hier schon ansatzweise, dass mehr Menschen abgehängt werden. Und Armut bedeutet eben, nicht nur wenig Geld zu haben, Armut bedeutet auch, politisch ohnmächtig zu sein, entmündigt zu werden, wenn Sie so wollen. Und bei der letzten Bundestagswahl hat es hier in Köln eine Wahlbeteiligung gegeben in zwei Stadtvierteln, die mir sehr zu denken gegeben hat: Ein Villenviertel, Hahnwald, mit 87 Prozent Wahlbeteiligung, und auf der anderen Seite Chorweiler, eine Hochhaussiedlung mit 43 Prozent, also weniger als der Hälfte an Wahlbeteiligung. Und das zeigt, die eher Privilegierten nehmen ihre politischen Bestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten wahr, während diejenigen, die eher nach unten abgesunken sind, resigniert haben, die Politik für ein schmutziges Geschäft halten, von den Politikern enttäuscht sind. Und sie werden natürlich, wenn sie die Millionensummen von Peer Steinbrücks Vorträgen hören, dann werden sie natürlich in dieser Meinung bestätigt, egal ob die richtig oder nicht richtig ist, dass Politiker korrupt sind, dass sie käuflich sind. Und in den USA kann man ja auch ein Essen mit dem Präsidenten kaufen im Wahlkampf, das zeigt, wie stark Ökonomisches und Soziales zusammenhängen.
Ostermann: Dieses Fass können wir leider nicht mehr aufmachen – Professor Christoph Butterwegge war das, Armutsforscher an der Universität in Köln. Herr Butterwegge, danke Ihnen für das Gespräch!
Butterwegge: Bitte schön, Herr Ostermann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Portal USA-Wahl 2012 auf dradio.de
USA-Wahl 2012 in den Programmen des Deutschlandradios
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