"Dieser Hitler ist keine für die Komödie zuträgliche Figur"

Moderation: Gabi Wuttke · 10.01.2007
Mit Dani Levys Film "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" stoße die Komödie an ihre Grenzen, meint Rainer Rother, Leiter der Deutschen Kinemathek Berlin. Erfolgreiche Hitler-Parodien wie Chaplins "Der große Diktator" hätten stärkere Reflexionselemente in der Konstruktion der Geschichte.
Wuttke: Herr Rother, ist das für Sie nun gelungene Satire, Klamauk oder einfach der falsche Griff in die Kiste?

Rother: Also von den ersten beiden hat er ein bisschen was jeweils, aber ein falscher Griff in die Kiste ist es, glaube ich nicht. Ich finde ihn am Anfang sehr gelungen, man hört da Gags, wo man sagt: Oh, gut, das ist ganz toll! Dann, denke ich, kriegt der Film mit sich selber auch ein Problem und fragt sich auf eine sehr verdeckte Art und Weise, ob es geht, eine Komödie mit diesem Hitler oder überhaupt eine Komödie mit Hitler zu machen.

Wuttke: Was ist das Problem dieses Films?

Rother: Das Problem ist, dass er eine Ausgangskonstellation hat wie jede Komödie, an die glaubt man oder glaubt man nicht, aber man darf sie eigentlich nicht auf die Realität befragen, und das ist die Ausgangsposition. Hitler ist nicht mehr der effektivste Redner, also muss er geschult werden, und man holt jemanden aus dem KZ, um ihn zu schulen. Das müsste man so stehen lassen, aber dass der Film dann innerhalb der jüdischen Familie die Diskussion lostritt, solltest du ihn nicht lieber umbringen und bist du nicht bloß ein blöder Humanist, wenn du das nicht tust, also ein moralisches Problem an der Voraussetzung der Komödie aufhängt, das kann man eigentlich nicht machen, da kommt die Komödie an ihre Grenzen, dann wird nämlich die Ausgangsposition, von der wir alle wissen, sie ist irreal, plötzlich wie Realität behandelt und die Komödie mit einem moralischen Problem befrachtet, das sie letztlich nicht lösen kann. Und das ist, glaube ich, auch eine schwache Seite des Films.

Wuttke: Das meint auch Henrik M. Broder im "Spiegel", da beklagt er, dass Levys Film in zwei Teile zerfalle, in einen absurden und einen moralischen, und beide gingen nicht zusammen. Das ging zusammen bei Lubitsch und bei Chaplin. Warum?

Rother: Die haben natürlich eine andere Voraussetzung gehabt. Das sind Filme, die noch während des Krieges entstehen, wo die Informationen über die deutsche Vernichtungspolitik den Regisseuren durchaus noch nicht bewusst sind. Lubitsch hat auch später gesagt, wenn er es gewusst hätte, hätte er es vielleicht nicht so gemacht, und Chaplin hätte vielleicht den Film überhaupt nicht gemacht, wenn er es gewusst hätte. Das heißt, man kann noch mit einem Diktator, mit einem unmenschlichen Diktator als eine Komödienfigur umgehen, aber man geht nicht mit dem größten Verbrecher der deutschen Geschichte um, weil diese Wahrheit nicht bekannt war, und da fällt es leichter, sich über ihn lächerlich zu machen. Außerdem gibt es dann sehr elegante Konstruktionen, die Komödie einzuführen. Bei Lubitsch, ein Schauspieler spielt einen schlechten Theaterschauspieler, der Hitler spielt, da ist sehr viel Reflexion in der Konstruktion drin. Bei Chaplin, es gibt einen Doppelgänger, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, ein Friseur, der das Gedächtnis verliert und wie Hitler aussieht, ohne es zu wissen, und deswegen auch mit Hitler verwechselt werden kann. Auch da ist ein Reflexionselement in der Konstruktion drin, das gibt dem Film eine gewisse Leichtigkeit und natürlich auch eine Unschuld, die auf dem Nichtwissen noch beruht. Das ist ohnehin, glaube ich, für die Komödien oder die sarkastischen, manchmal auch übertriebenen Formen, in denen mit Hitler während des Krieges umgegangen wurde, kennzeichnend. "Lambeth walk" aus Großbritannien benutzt Aufnahmen aus Leni Riefenstahls Film und lässt Hitler tanzen und macht sich auf die Art und Weise über ihn lustig, oder unmittelbar nach dem Kriegsende kommt Ciaurelis "Der Fall von Berlin" in die Kinos, und Stalin ist der große, weiße, strahlende Held, und Hitler ist eigentlich eine Chargenfigur, der nur rumschreit, der nur Tobsuchtsanfälle hat. Das geht vielleicht gerade noch bis dann, und dann ändert sich aber auch im Film das Hitlerbild.

Wuttke: Aber jetzt ist es doch auch so, dass Hitler in dieser späten Phase, in der er schon seine Macht verloren hat, wieder zur Charge wird, aber ganz offensichtlich fehlt dem Film dann die Reflexion und das, was er natürlich nicht mehr haben kann, die Unschuld der Unwissenheit.

Rother: Ja, und ich glaube, ehrlich gesagt, diese moralische Komponente des Films, diese Thematisierung müsste man, wenn man in der Situation ist, Hitler nicht töten, ist eine Form, in der Dani Levy mit dem Unbehagen umgeht. Er thematisiert im Grunde die Voraussetzung, ich mache eine Komödie über Hitler, in diesem Diskurs noch einmal mit, und fragt sich, war es richtig, das zu machen. Das ist für eine Komödie eine schwierige Situation.

Wuttke: Das heißt, wo würden Sie dann diesen Film einordnen, wenn er nicht das ist, was er vorgibt, sein zu wollen?

Rother: Ich glaube, er ist genau das. Er ist der Versuch, eine Komödie über Hitler zu machen mit dem Wissen darum, dass dieser Hitler, dieser Verbrecher letztlich keine für die Komödie mehr zuträgliche Figur ist. Darum kann man nur auf dem Seil tanzen.

Wuttke: Das heißt aber, inwiefern unterscheidet sich dann Levys Film vom "Untergang"?

Rother: An einer Stelle unterscheidet er sich gar nicht, und das ist schon auch das Faszinierende, wenn man die beiden Filme vergleicht. Beide behandeln die letzten Tage, den letztlich machtlosen Hitler, und beide versuchen dieses Phänomen in irgendeiner Form zu greifen. Es gibt zwei Schlüsselszenen: Im "Untergang" schreit Hitler seine Generale an und sagt, jetzt bringt mir endlich die Armeen auf Trab, und die gucken sich an und versuchen, irgendwas zu tun, obwohl sie wissen, es funktioniert nicht. Und in "Mein Führer" schreit Hitler seine Entourage an und sagt, ich will meinen Juden wiederhaben, und auch die versuchen zu folgen. Also diese Struktur der Gefolgschaft, Hitler schreit und alle tun alles, um ihn zufriedenzustellen, die ja auch in den letzten Tagen noch funktioniert hat, ist in beiden Filmen Thema. Und beide Filme haben aber eine Situation, in der die eigentliche Kernfrage, nämlich warum, was auch Fest umgetrieben hat, warum kann jemand, der so wenig vorzuweisen hatte, so wenig Talente sozusagen, wie schafft er es, ein ganzes Volk nicht nur zu faszinieren, sondern in Gefolgschaft zu bringen. Diese Frage am Ende zu stellen ist, glaube ich, der falsche Punkt. Interessant wird es, wenn man sie auf dem Höhepunkt der Macht Hitlers stellt, wenn man auch noch seine Erfolge sozusagen, diese Bestätigung hat, sagen wir mal '41, '42. Hitler war, und das müssen wir anerkennen, sicher eine Möglichkeit des Bösen im Menschen, aber der war auch zur Zeit, als die Endlösung beschlossen wurde, genauso nett zu Traudel Junge wie 1944/'45, und das ist ein Problem, was Filme wahrscheinlich überhaupt nicht fassen können. Daher auch der Versuch, in den letzten Tagen, wo Hitler ein Wrack ist, wo er eine Figur ist, mit der man möglicherweise sogar Mitleid empfinden kann, ihn da zu fassen, aber ich glaube, da fasst man ihn am wenigsten, weil das Faszinosum fehlt.

Wuttke: Glauben Sie dann also, es ist unmöglich, einen Hitler-Film zu drehen, der komisch ist und nicht nur diese letzten Tage, sondern die ganzen zwölf Jahre dieser Schreckensherrschaft umfasst, oder haben sowohl Eichinger als auch Dani Levy der Mut gefehlt, von dem auch Joachim Kaiser spricht, wenn er den großen Diktator von Chaplin oder Lubitsch so sehr lobt als ein Wunder auch der Kinemathek?

Rother: Ja, ich glaube, man kann jetzt "Untergang" und "Mein Führer" das nicht wirklich vorwerfen, weil das historische Wissen ist natürlich auch eine Belastung für einen Storyentwurf. Man weiß eigentlich, dass man den Verbrecher thematisieren muss, und weiß auch, im Grunde geht es nicht. Man kann ihn nicht so menschlich machen, wie man ihn machen müsste. Menschlich ist er fassbar eigentlich nur in der Phase der Machtlosigkeit, weil all das, was er angerichtet hat, schon geschehen ist. Ich glaube, eine wirkliche Herausforderung wäre sozusagen, das Verhältnis des deutschen Volkes zum Führer zu einer Komödie zu machen oder auch zum ernsthaften Film, weil in dieser Projektion auf ihn, auf die zentrale Figur, da kommt vielleicht in der Tat, wie Dani Levy sagt, sehr viel schwarze Pädagogik ins Spiel. Und es ist eine schwarze Pädagogik, die ein ganzes Volk deformiert hat, dass es sich in ihm spiegeln wollte.

Wuttke: Vielen Dank für das Gespräch.