"Dieses Leitkultur-Geplärre, das hat mit mir nichts zu tun“
Fahri Yardim ist in der Kinderladen-Zeit in Hamburg groß geworden. Türkisch spricht er nur holprig. Jetzt spielt er in der Komödie "Almanya - Willkommen in Deutschland" einen Gastarbeiter aus den 60er-Jahren - mit Schlägermütze und Schnauzbart.
"Ich bin ein absoluter Hamburger Jung!"
Der 30-jährige Schauspieler und bekennende St. Pauli-Fan mit den kurzen dunkelbraunen gelockten Haaren ist überraschend ernsthaft, trägt eine schmale Brille auf der Charakternase und ist so ganz anders als der Clown, den er gerne in der Öffentlichkeit oder bei Pressekonferenzen gibt. Fahri Yardim trägt einen blauen Schal. Er ist erkältet und etwas verkatert von der Premierenparty.
Filmausschnitt: "Sehr verehrte Gastarbeiter, dieser Tag ist ein wichtiger Tag für uns alle, und wir hoffen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit."
In der Mehrgenerationenkomödie "Almanya" spielt Fahri Yardim als Hüseyin Yilmaz einen Türken, der Mitte der 60er-Jahre aus Anatolien als Gastarbeiter mit seiner Familie nach Deutschland geht. Dass ausgerechnet er, der selbst nur holprig Türkisch spricht, einen traditionellen Türken mit Schlägermütze und Schnauzbart mimt, sei schon merkwürdig gewesen, erzählt Fahri Yardim lachend.
"Das war auch schön, ich musste ja die ganze Zeit mit diesem Schnauzbart rumrennen, auch im Privaten. Das hatte dann schon was, so 50er-Jahre-Kanake zu sein eine zeitlang."
Das Gefühl der Fremde kennt der Schauspieler mit den dunkelbraunen Augen aus eigener Erfahrung. Solange seine Großeltern lebten, ist er mit seinen Eltern im Sommer häufiger nach Adana im Südosten der Türkei gefahren. Während er in Hamburg als Türke abgestempelt war, merkte er in der Türkei wie deutsch und assimiliert er doch ist.
"Und das war für mich dann immer die Migrationserfahrung im Sinne von meiner Sprachlosigkeit in diesem Land, das mir doch so vertraut sein soll. Und jetzt bin ich dann in der Türkei bei diesen Besuchen gerade als Kind und wundere mich, dass ich da eigentlich viel schlechter zurechtkomme als in Hamburg."
Erst durch die Dreharbeiten in einem kleinen türkischen Dorf hatte er plötzlich das dringende Bedürfnis, mehr über seine Wurzeln zu erfahren und sich die Migrationsgeschichte seiner Eltern anzuhören, die in den 70ern nicht als Gastarbeiter, sondern als Studenten nach Hamburg kamen. Und er möchte jetzt unbedingt richtig Türkisch lernen.
"Ich habe als Kind sehr schnell sensibel mitbekommen, dass das, was unter Türkisch verstanden wird, nicht so gut ist irgendwie, dass das Image nicht so gut ist. Und ich habe es meinen Eltern verboten, mit mir Türkisch zu sprechen. Und jetzt mache ich ihnen den Vorwurf, warum sie mit mir nicht Türkisch gesprochen haben. Aber in dieser 80er-Kinderladen-Zeit bin ich halt groß geworden, und da gab es keine Hierarchien zwischen Eltern und Kind."
Fahri Yardim kommt aus einem linksalternativen Elternhaus, der Vater ist Lehrer, die Mutter Künstlerin. Beide sind politisch engagiert.
"Meine Mutter hatte teilweise noch Dreadlocks, und mein Vater sieht aus wie der türkische Karl Marx."
Diese anti-autoritäre Sozialisation im selbstverwalteten Kindergarten, der freien Kinderschule und der Gesamtschule sage mehr über ihn aus als sein türkischer Migrationshintergrund, meint Yardim. Er hat grundsätzlich ein Problem mit Verallgemeinerungen, mit Pauschalurteilen über Deutsche und Türken:
"Die Varianz innerhalb dieser Gruppen, dieser Kategorien ist viel größer als die Varianz zwischen den Gruppen. Und darauf sollte man hinweisen, dass wir anfangen sollten, wieder zu differenzieren und wieder mehr Menschen draus zu machen. Das klingt zwar kitschig, aber ich meine es so. Ich bin ich und geprägt durch unterschiedlichste Kulturen. Ich bin Multikultur in einer Person. Dieses Leitkultur-Geplärre, das hat mit mir und meinem Menschenbild nichts zu tun."
Fahri Yardims ursprüngliche Motivation, Schauspieler zu werden, war der Erfolg bei den Mädchen, der sich nach seinen Bühnenauftritten im Schultheater einstellte. Seinem Vater zuliebe studierte er nach dem Abitur neben der privaten Schauspielschule noch Germanistik, Erziehungswissenschaften und Ethnologie, besuchte aber aus Interesse auch Philosophie- und Psychologie-Kurse.
"Es tut unheimlich gut, diesem Schauspielerischen auch noch so eine kognitive Beschäftigung zur Seite zu stellen. Das hat mir immer sehr geholfen, auch zu reflektieren, was ich tue, was mir gut tut, und nicht einfach nur ein Unterhaltungsindustrie-Werkzeug zu sein."
Nach Theaterengagements in Hamburg und Berlin spielte er 2005 den Berliner Dönerbuden-Besitzer Attila in der Sat.1-Sitcom "Der König von Kreuzberg". Demnächst wird der Schauspieler wohl für seine große Liebe, die mit der Filmbranche nichts zu tun, privat nach Berlin-Kreuzberg zurückkehren.
Seit der Sitcom hat sich Fahri Yardim zu einem der vielversprechendsten deutsch-türkischen Darsteller entwickelt. Er ist charismatisch, wandelbar, ein kraftvoller Typ, dem man gerne zuschaut und der sich auch für kleinste Nebenrollen in Til-Schweiger-Filmen oder Krimis nicht zu schade ist.
"Ich bin auch – hoffentlich nur auch – eine ziemlich gute Nebenrolle, jemand, der unheimlich toll ergänzen kann und zuspielen kann. Und oft sind Nebenrollen ja auch die schrägen und interessanten Charaktere. Da kann so eine Hauptrolle viel öder sein, die dann so den roten Faden abgeben muss und drum herum ist das ganze Feuerwerk. Ich bin lieber Feuerwerk."
Fahri Yardim hat oft die typischen Türken-Klischee-Rollen gespielt, war der Kleinkriminelle oder Döner-Verkäufer, er bekommt diese Rollen immer noch angeboten. Film sei schon auch ein Integrationskiller, sagt Yardim nachdenklich, ein Deutschtürke wird nur äußerst selten als Chef einer Bank besetzt.
"Aber insofern bildet Film auch das ab, was es in der gelebten Realität gibt, nämlich immer noch diese starke Einteilung, immer noch dieses Denken in diesen Kategorien."
Fahri Yardim steckt in der Komödien-Schublade, dabei würde er gerne häufiger ernsthafte Rollen spielen und zeigen, dass er noch viel mehr kann. Aber in aller erster Linie will er in Rollen schlüpfen, sich ausprobieren und vor allem dazulernen.
"Ich mag es, Menschen zu berühren, indem ich spiele und Geschichten lebendig werden zu lassen. Das ist etwas, was mich immer begleitet als Schauspieler, auch wenn ich mal mit mehr Herzblut drin bin oder weniger, ist es trotzdem die Liebe zum Spiel."
Der 30-jährige Schauspieler und bekennende St. Pauli-Fan mit den kurzen dunkelbraunen gelockten Haaren ist überraschend ernsthaft, trägt eine schmale Brille auf der Charakternase und ist so ganz anders als der Clown, den er gerne in der Öffentlichkeit oder bei Pressekonferenzen gibt. Fahri Yardim trägt einen blauen Schal. Er ist erkältet und etwas verkatert von der Premierenparty.
Filmausschnitt: "Sehr verehrte Gastarbeiter, dieser Tag ist ein wichtiger Tag für uns alle, und wir hoffen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit."
In der Mehrgenerationenkomödie "Almanya" spielt Fahri Yardim als Hüseyin Yilmaz einen Türken, der Mitte der 60er-Jahre aus Anatolien als Gastarbeiter mit seiner Familie nach Deutschland geht. Dass ausgerechnet er, der selbst nur holprig Türkisch spricht, einen traditionellen Türken mit Schlägermütze und Schnauzbart mimt, sei schon merkwürdig gewesen, erzählt Fahri Yardim lachend.
"Das war auch schön, ich musste ja die ganze Zeit mit diesem Schnauzbart rumrennen, auch im Privaten. Das hatte dann schon was, so 50er-Jahre-Kanake zu sein eine zeitlang."
Das Gefühl der Fremde kennt der Schauspieler mit den dunkelbraunen Augen aus eigener Erfahrung. Solange seine Großeltern lebten, ist er mit seinen Eltern im Sommer häufiger nach Adana im Südosten der Türkei gefahren. Während er in Hamburg als Türke abgestempelt war, merkte er in der Türkei wie deutsch und assimiliert er doch ist.
"Und das war für mich dann immer die Migrationserfahrung im Sinne von meiner Sprachlosigkeit in diesem Land, das mir doch so vertraut sein soll. Und jetzt bin ich dann in der Türkei bei diesen Besuchen gerade als Kind und wundere mich, dass ich da eigentlich viel schlechter zurechtkomme als in Hamburg."
Erst durch die Dreharbeiten in einem kleinen türkischen Dorf hatte er plötzlich das dringende Bedürfnis, mehr über seine Wurzeln zu erfahren und sich die Migrationsgeschichte seiner Eltern anzuhören, die in den 70ern nicht als Gastarbeiter, sondern als Studenten nach Hamburg kamen. Und er möchte jetzt unbedingt richtig Türkisch lernen.
"Ich habe als Kind sehr schnell sensibel mitbekommen, dass das, was unter Türkisch verstanden wird, nicht so gut ist irgendwie, dass das Image nicht so gut ist. Und ich habe es meinen Eltern verboten, mit mir Türkisch zu sprechen. Und jetzt mache ich ihnen den Vorwurf, warum sie mit mir nicht Türkisch gesprochen haben. Aber in dieser 80er-Kinderladen-Zeit bin ich halt groß geworden, und da gab es keine Hierarchien zwischen Eltern und Kind."
Fahri Yardim kommt aus einem linksalternativen Elternhaus, der Vater ist Lehrer, die Mutter Künstlerin. Beide sind politisch engagiert.
"Meine Mutter hatte teilweise noch Dreadlocks, und mein Vater sieht aus wie der türkische Karl Marx."
Diese anti-autoritäre Sozialisation im selbstverwalteten Kindergarten, der freien Kinderschule und der Gesamtschule sage mehr über ihn aus als sein türkischer Migrationshintergrund, meint Yardim. Er hat grundsätzlich ein Problem mit Verallgemeinerungen, mit Pauschalurteilen über Deutsche und Türken:
"Die Varianz innerhalb dieser Gruppen, dieser Kategorien ist viel größer als die Varianz zwischen den Gruppen. Und darauf sollte man hinweisen, dass wir anfangen sollten, wieder zu differenzieren und wieder mehr Menschen draus zu machen. Das klingt zwar kitschig, aber ich meine es so. Ich bin ich und geprägt durch unterschiedlichste Kulturen. Ich bin Multikultur in einer Person. Dieses Leitkultur-Geplärre, das hat mit mir und meinem Menschenbild nichts zu tun."
Fahri Yardims ursprüngliche Motivation, Schauspieler zu werden, war der Erfolg bei den Mädchen, der sich nach seinen Bühnenauftritten im Schultheater einstellte. Seinem Vater zuliebe studierte er nach dem Abitur neben der privaten Schauspielschule noch Germanistik, Erziehungswissenschaften und Ethnologie, besuchte aber aus Interesse auch Philosophie- und Psychologie-Kurse.
"Es tut unheimlich gut, diesem Schauspielerischen auch noch so eine kognitive Beschäftigung zur Seite zu stellen. Das hat mir immer sehr geholfen, auch zu reflektieren, was ich tue, was mir gut tut, und nicht einfach nur ein Unterhaltungsindustrie-Werkzeug zu sein."
Nach Theaterengagements in Hamburg und Berlin spielte er 2005 den Berliner Dönerbuden-Besitzer Attila in der Sat.1-Sitcom "Der König von Kreuzberg". Demnächst wird der Schauspieler wohl für seine große Liebe, die mit der Filmbranche nichts zu tun, privat nach Berlin-Kreuzberg zurückkehren.
Seit der Sitcom hat sich Fahri Yardim zu einem der vielversprechendsten deutsch-türkischen Darsteller entwickelt. Er ist charismatisch, wandelbar, ein kraftvoller Typ, dem man gerne zuschaut und der sich auch für kleinste Nebenrollen in Til-Schweiger-Filmen oder Krimis nicht zu schade ist.
"Ich bin auch – hoffentlich nur auch – eine ziemlich gute Nebenrolle, jemand, der unheimlich toll ergänzen kann und zuspielen kann. Und oft sind Nebenrollen ja auch die schrägen und interessanten Charaktere. Da kann so eine Hauptrolle viel öder sein, die dann so den roten Faden abgeben muss und drum herum ist das ganze Feuerwerk. Ich bin lieber Feuerwerk."
Fahri Yardim hat oft die typischen Türken-Klischee-Rollen gespielt, war der Kleinkriminelle oder Döner-Verkäufer, er bekommt diese Rollen immer noch angeboten. Film sei schon auch ein Integrationskiller, sagt Yardim nachdenklich, ein Deutschtürke wird nur äußerst selten als Chef einer Bank besetzt.
"Aber insofern bildet Film auch das ab, was es in der gelebten Realität gibt, nämlich immer noch diese starke Einteilung, immer noch dieses Denken in diesen Kategorien."
Fahri Yardim steckt in der Komödien-Schublade, dabei würde er gerne häufiger ernsthafte Rollen spielen und zeigen, dass er noch viel mehr kann. Aber in aller erster Linie will er in Rollen schlüpfen, sich ausprobieren und vor allem dazulernen.
"Ich mag es, Menschen zu berühren, indem ich spiele und Geschichten lebendig werden zu lassen. Das ist etwas, was mich immer begleitet als Schauspieler, auch wenn ich mal mit mehr Herzblut drin bin oder weniger, ist es trotzdem die Liebe zum Spiel."