Dieter Borchmeyer: Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst
Rowohlt, 1056 Seiten, 39,95 Euro
Mit deutschem Geist gegen die Rechtspopulisten
27:55 Minuten
Es passe nicht zur Begriffsbestimmung des Deutschen, jemanden auszuschließen, betont der Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer, Autor des Buches "Was ist deutsch?" Er mobilisiert "beste deutsche Traditionen" gegen Rechts.
Der Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer ist Träger des Bayerischen Literaturpreises und war bis 2006 Professor für Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. Borchmeyer geht in seinem neuen Buch der Frage nach der deutschen Identität nach und wie sie über die Jahrhunderte beantwortet wurde.
Aktualität durch die Flüchtlingskrise
Das Buch sei eigentlich die "Summe eines gelehrten Lebens", sagte Borchmeyer im Deutschlandradio Kultur. Doch dann sei ihm plötzlich Aktualität zugewachsen, als die Flüchtlingskrise ausgebrochen sei und in der Folgezeit die Rechtspopulisten erstarkten.
"Und da habe ich mir gedacht: die Leuten wissen ja gar nicht, was deutsch eigentlich ist", so Borchmeyer. "Denn bei allen, die das Deutsche definiert haben – von Wagner bis Adorno – die haben immer diese inklusive, meta-nationale, europäische… diese Weltläufigkeit des Deutschen hervorgehoben. Es passt absolut nicht zur Begriffsbestimmung des Deutschen, jemand auszuschließen."
Borchmeyer beruft sich dabei vor allem auf zwei Autoren mit Migrationshintergrund: Navid Kermani und Zafer Şenocak. "Das sind also nun Autoren, die kommen nicht aus Deutschland. Aber die kennen die große deutsche Tradition. Die wissen ganz genau, was für wunderbare kosmopolitische, weltbürgerliche Traditionen in Deutschland sind."
Das Volk der Mitte
Diese "besten deutschen Traditionen" könne man als geistiges Gegenmittel einsetzten gegen das, was sich leider heute bei uns an den Schmutzrändern der Gesellschaft abspielt."
Heute sei Deutschland zum ersten Mal in seiner Geschichte "das, was es immer gerne sein wollte und nie gewesen ist: nämlich das Volk der Mitte", betont Borchmeyer. Geografisch, dass es eine Mitte ist zwischen Ost und West. Dass es eine Mitte ist zwischen dem Nationalen und dem Europäischen. Und das ist ja doch heute das Kernproblem für uns. Und ich glaube, dazu .. dieser Kerngedanke, auch der heutigen Politik, der wäre nie möglich gewesen, wenn nicht diese gewaltige Tradition im Hintergrund stünde."