"Wir können die Welt ändern"
"Das Private ist politisch", unter diesem 68er-Motto findet die letzte Berlinale unter Dieter Kosslicks Leitung statt. Der scheidende Festivalchef verspricht ein Berlinale-Programm mit vielen engagierten Filmen zu gesellschaftspolitischen Themen.
Vom 7. bis 17. Februar 2019 finden in Berlin wieder die Internationalen Filmfestspiele, die sogenannte Berlinale statt. Bei Festivalleiter Dieter Kosslick kommt da schon "ein bisschen Melancholie auf", erklärte der Festspielleiter im Deutschlandfunk Kultur: Für ihn sind es die letzten Festspiele als Festivaldirektor, ab dem Jahr 2020 wird der Italiener Carlo Chatrian dem Festival als künstlerischer Leiter voranstehen. "Aber die Tränen sind noch nicht gekullert", versichert Kosslick. Am heutigen Vormittag hatten Kosslick und sein Team in der offiziellen Pressekonferenz das diesjährige Programm vorgestellt.
"Wir können die Welt ändern"
"Das Private ist politisch", dieser Spruch der 68er-Frauenbewegung steht in diesem Jahr als Motto über dem Wettbewerb, in dem insgesamt 17 Filme um den Goldenen Bären konkurrieren. Sechs weitere Filme laufen außer Konkurrenz.
Für Kosslick ist dieses Motto heute aktueller denn je: Es verweise darauf, dass persönliche Verhaltensweisen große Auswirkungen haben. "Wir können die Welt ändern oder wir können sie einfach so laufen lassen. Und wenn wir sie so laufen lassen, nimmt es kein gutes Ende."
Großes Kino über große Themen
Entsprechend themenfreudig zeichne sich auch dieser Wettbewerbsjahrgang wieder aus, sagte Kosslick. Der Eröffnungsfilm etwa, Lone Scherfigs "The Kindness of Strangers", handle von einer Mutter, die mit ihren Kindern durch New York irrt. Erst allmählich schäle sich aus dem Geschehen heraus, dass die Familie völlig mittellos ist. Der französische Regisseur François Ozon befasst sich in seinem Film "Gelobt sei Gott" unterdessen mit dem Skandal um Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche.
Auch die restlichen Filme greifen Themen globaler Debatten auf: "Es zieht sich ein Themenband um die Welt", sagt Kosslick unter Verweis auf das wieder sehr international aufgestellte Programm. In den drängenden Fragen, zu denen sich die Filmkünstler aus aller Welt positionieren, zeigen sich auch die Problemlagen der Menschen unter den Eindrücken einer voranschreitenden Globalisierung.
Netflix im Kino
Mit Isabel Coixets Drama "Elisa & Marcela" läuft auch ein Film aus dem Netflix-Angebot bei der Berlinale – eine kontroverse Entscheidung vor dem Hintergrund aktueller Kino-Debatten: Das Filmfestival in Cannes hatte sich vergangenes Jahr explizit gegen Netflix-Filme im Programm ausgesprochen, in Venedig hingegen lief Alfonso Cuaróns Drama "Roma", der bei den Oscars Ende Februar als großer Favorit gehandelt wird. Die Streitfrage ist dabei, ob Filmfestivals einen Produzenten und Verleiher unterstützen sollten, dessen Wirtschaftsmodell eine Kinoauswertung gar nicht mehr vorsieht.
Kosslick bezieht Position: Der Film läuft in den spanischen Kinos regulär an, daher habe er mit dem Film im Wettbewerb "kein Problem. Wäre er dort nicht ins Kino gekommen, hätten wir ihn nicht im Wettbewerb gezeigt. Das ist unsere Regel. Die Filme müssen erst im Kino gezeigt werden, mindestens in einem Land, sonst würden wir sie nicht in den Wettbewerb nehmen."
(thg)