Dieter Lenzen über Hamburgs Uni

"Zu wenig Geld bleibt zu wenig Geld"

Der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, im Porträt. Er stützt eine Hand im Gesicht auf, im Hintergrund ist ein rotes Plakat zu sehen.
Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und Präsident der Universität Hamburg Dieter Lenzen © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Moderation: Ute Welty |
Herunterfallende Fassadenteile und undichte Dächer: Die bauliche Situation der Universitätsgebäude sei katastrophal, sagt Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg. Man benötige 640 Millionen Euro für die Sanierung.
Der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, hat vor den morgigen Hamburger Bürgerschafswahlen die desolate bauliche Situation der Hamburger Universitätsgebäude beklagt.
Man benötige rund 640 Millionen Euro, um diese Bauten wieder in einen verwendungsfähigen Zustand zu versetzen, sagte Lenzen im Deutschlandradio Kultur. Über viele Jahre seien wegen des ursprünglich geplanten Umzugs der Hamburger Universität keine Investitionen in vorhandene Gebäude getätigt worden. Deren Zustand habe sich über die Jahrzehnte hinweg immer weiter verschlechtert:

"Es ist vollkommen klar, dass eine Universität, die sich selbst ernst nehmen möchte – und das tun wir - auch die jungen Leute ernst nehmen muss. Und das heißt, dass sie in vernünftigen Zuständen, unter vernünftigen Umständen studieren können. Es kann nicht sein, dass Gebäude mit Zäunen versehen werden, um die Menschen vor herunterfallenden Teilen zu schützen."
Der Vergleich mit Bayern und Baden-Württemberg
Lenzen verwies darauf, dass das Budget der Universität Hamburg derzeit um rund 25 Prozent unter den Ausstattungsstandards von Bayern und Baden-Württemberg liege. Es sei zwar erfreulich, dass es mit Kampagnen gelungen sei, die Hochschul- und Bildungspolitik überhaupt zu einem Wahlkampfthema zu machen:

"Jetzt wird es natürlich darauf ankommen, dass diese Zusagen auch tatsächlich unterlegt werden. Wir wünschen uns als Hochschulen dann auch sehr bald in Gespräche einzutreten über die Budgets des Zeitraums nach 2016."
Die allgemeine Klage der deutschen Hochschulen über die chronische Unterfinanzierung sei berechtigt, äußerte Lenzen. Es habe in dieser Frage keine fundamentale Veränderung gegeben, die es den deutschen Hochschulen erlauben würde, mit dem internationalen Spitzenstandard gleichzuziehen. Die Universitäten und Hochschulen wirtschafteten in "exzellenter Weise", betonte Lenzen:

"Aber es ist natürlich so: Zu wenig Geld bleibt zu wenig Geld."
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Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Deutschlandradio Kultur mit "Studio 9", Kultur und Politik am Morgen, und das einen Tag vor der Hamburg-Wahl. Und da ist eines mal klar: Forschung und Bildung haben alle Parteien auf dem Zettel, die dort um Stimmen kämpfen. Die CDU will Hamburg zur Wissens- und Gründermetropole ausbauen, die FDP sieht die Stadt als Wissenschaftsmetropole, und die regierende SPD beeilt sich, auf Erreichtes hinzuweisen, wie auf den diese Woche eröffneten Energie-Campus der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Auf der anderen Seite konstatiert der Präsident der Universität Hamburg einen Sanierungsstau, der sich auf 640 Millionen Euro belaufen soll. Guten Morgen, Dieter Lenzen!
Dieter Lenzen: Guten Morgen!
Welty: Wo brennt es Ihnen auf den Nägeln, beziehungsweise wo läuft es in den Eimer, weil es reinregnet?
Lenzen: Ja, in der Tat ist es so, dass wegen der ursprünglichen Pläne, die gesamte Universität auf den Kleinen Grasbrook, das ist ein Inselbereich in der Elbe, zu verlegen, über viele, viele Jahre keine Investitionen in vorhandene Gebäude getätigt wurden, so dass der Zustand dieser Gebäude sich über Jahrzehnte sich immer verschlechtert hat. Das bedeutet unter dem Strich, dass wir etwa 640 Millionen benötigen, um diese wieder in einen verwendungsfähigen Zustand zu versetzen. Das beginnt mit inzwischen veränderten Brandbestimmungen, geht hin bis zu herunterfallenden Fassadenteilen – und zu den von Ihnen schon mal erwähnten Wassereimern.
Welty: Ich mach es mir mal ein bisschen einfach und frage provozierend, inwieweit behindert ein undichtes Dach Forschung und Lehre?
Lenzen: Na ja, um es konkret zu machen, natürlich, wenn Ihnen Wasser in die Geräte tropft, können Sie keine Messungen mehr machen. Es ist vollkommen klar, dass eine Universität, die sich selbst ernst nehmen möchte, und das tun wir, auch die jungen Leute ernst nehmen muss. Und das heißt, dass sie in vernünftigen Zuständen, unter vernünftigen Umständen studieren können. Es kann nicht sein, dass Gebäude mit Zäunen versehen werden, um die Menschen vor herunterfallenden Teilen zu schützen.
Welty: Wo Sie die jungen Leute, die Studenten angesprochen haben. Der AStA in Hamburg beklagt sich darüber, dass es zu viel um bauliche Mängel geht und zu wenig um inhaltliche Diskussionen. Wo und wie müsste diesbezüglich investiert werden?
Lenzen: Also die inhaltlichen Diskussionen sind natürlich, und darauf bestehen wir, eine Angelegenheit der Universität selber. Mit dem neuen Hochschulgesetz ist es bedauerlicherweise so, dass der Staat sich neuerdings viele Einspruchsmöglichkeiten reserviert hat, auch im inhaltlichen Bereich, so dass das Risiko besteht, dass inhaltliche Wünsche konterkariert werden. Zumindest besteht die Möglichkeit dafür. Wir haben in den zurückliegenden Jahren den Unfug der Bologna-Reform ein Stück weit zurückdrehen können, um wieder normale Verhältnisse zu schaffen. Darauf sind wir stolz, darüber freuen wir uns, übrigens mit den Studierenden, Seite an Seite, und da gibt es aber noch sehr viel zu tun. Das ist nicht primär Aufgabe der Politik, sondern wichtig ist, dass man uns den Freiraum lässt, das auch machen zu können.
Welty: Jetzt steht ja nicht nur in Hamburg mehr Geld zur Verfügung, weil der Bund die BAföG-Kosten ja vollständig übernommen hat. Ich fürchte, Sie rechnen mir gleich vor, dass auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Lenzen: Nein, ich glaube, das ist nicht das Thema. Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern hieß, dass die Ersparnisse, die durch das Bundesengagement in den Ländern zustande kommen, Schulen und Hochschulen zugute kommen sollen, also beiden Einrichtungstypen. Von diesen Mitteln sind keine Mittel in Hamburg in die Hochschulen geflossen. Das sind ja dauerhaft, also jedes Jahr zur Verfügung stehende mindestens 30 Millionen. Das ist in anderen Bundesländern anders. Hessen beispielsweise hat den gesamten BAföG-Gewinn zu hundert Prozent in die Hochschulen gesteckt, weil sie mit den beiden südlicher liegenden Ländern Bayern und Baden-Württemberg gleichziehen wollen. Das ist eine kluge Politik, die im Süden unserer Republik sehr erfolgreich gewesen ist.
Welty: Aber profitieren nicht auch die Hamburger Hochschulen davon, wenn die Hamburger Schulen besser sind?
Lenzen: Nein, es ist ja auch nicht in die Schulen gegeben worden. Die Argumente wechseln. Gelegentlich wird gesagt, es sei so, dass es in die Schulen gegeben worden sei. Dann wird wiederum gesagt, man werde es künftig für die Bauten verwenden. Für die Bürger ist das alles nicht verständlich. Bauten zu sanieren, sind Investitionskosten. Die haben mit diesen konsumtiven Kosten nichts zu tun, das sind ganz andere Haushalte. Und insofern geht es schlicht um die Frage: Wie sehen die Budgets der Hochschulen in Hamburg künftig aus? Liegen sie weiter 25 Prozent unter dem Ausstattungsstandard, wie er in Bayern und Baden-Württemberg der Fall ist, oder nicht?
Welty: Die Klage, dass das Bildungssystem chronisch unterfinanziert ist, die wird ja schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten geführt. Wäre es nicht auch an der Zeit, dass Hochschulen besser Wirtschaften lernen?
Lenzen: Dass diese Klage immerzu geführt wird, liegt daran, dass sie in der Tat berechtigt ist, und es eine wirklich fundamentale Veränderung, die es den deutschen Hochschulen erlauben würde, mit dem internationalen Spitzenstandard gleichzuziehen, nie gegeben hat. Die Universitäten und Hochschulen wirtschaften inzwischen, weil ihnen in den meisten Bundesländern diese Möglichkeit gegeben worden ist, auf exzellente Weise, weil es möglich geworden ist, kaufmännisches Rechnungswesen einzuführen. Aber es ist natürlich so: Zu wenig Geld bleibt zu wenig Geld. Im Übrigen gelten für den gesamten staatlichen Hochschulbereich die Bestimmungen der staatlichen Beschäftigungssysteme. Man kann also nicht mit Erwartungen herangehen, wie sie für ein Unternehmen üblich sein mögen, aber vielleicht auch nicht immer wünschenswert sind.
Welty: Ich habe es eben gesagt, das Thema Wissenschaft steht in großen Lettern auf roten, schwarzen und blau-gelben Wahlplakaten. Was muss Politik denn leisten, dass man insgesamt über den Status des Wahlversprechens hinauskommt?
Lenzen: Also, wir freuen uns natürlich zunächst einmal als Hochschulen in Hamburg, dass es überhaupt gelungen ist, durch unsere Kampagnen Wissenschaft zu einem Wahlkampfthema zu machen. Das ist ja keineswegs immer der Fall gewesen, zum Beispiel bei der letzten Wahl fast nicht. Jetzt wird es natürlich darauf ankommen, dass diese Zusagen auch tatsächlich unterlegt werden. Wir werden sehen, wer dann die Verantwortung übernehmen wird. Und wir wünschen als Hochschulen, dann auch sehr bald in Gespräch einzutreten über die Budgets des Zeitraums nach 2016, denn bis 2016 liegen sie bereits fest. Nach 2016 muss es dann über die Sanierungspläne für die Hochschulen gehen, auch über konkrete zeitliche Pläne, das wird nicht über Nacht möglich sein. Wir rechnen damit, dass zehn, 15, 20 Jahre ins Land gehen werden, bis eine Totalsanierung stattgefunden hat. Und da müssen Sie im Grunde schon wieder bei den davor liegenden ansetzen. Im Übrigen gibt es auch eine Reihe von Neubauten, die unterwegs sind. Grundsätzlich ist eine Menge möglich. Nie war so viel Geld in den öffentlichen Kassen wie jetzt. Also, wir hoffen sehr, dass die Versprechungen dann auch unterlegt werden.
Welty: Vor der Wahl der Ausblick auf die Zeiten nach der Wahl, von und mit Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg und Sprecher der dortigen Landeshochschulkonferenz. Ich danke sehr für dieses Gespräch!
Lenzen: Gerne, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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