Endpunkte als Chance

Zur Jahrtausendwende hatten wir verschiedene Komponisten gebeten, eine Auswahl von Stücken zusammenzustellen und unter dem Stichwort "Musikalische Strategien für eine Musik des 21. Jahrhunderts" zu kommentieren.

Das Ziel war eine sehr persönliche Bestandsaufnahme, die den Stand der Reflexion des Komponierens in der Auseinandersetzung mit Gegenwart spiegelt.

Dieter Schnebel thematisiert den Begriff "Sackgasse" in Bezug auf sieben Quartette – Streichquartette zumeist –, die den Anspruch vertreten, die Quintessenz der Arbeit eines jeden Komponisten zu zeigen.

Bei Janáceks Quartett "Intime Briefe" geht es um einen Höhepunkt an musikalischer Expressivität, in Wyschnegradskys Streichquartetten ist es die Ausbildung eines eigenen Ausdrucks mittels der Mikrotonalität, während Schnebel in John Cages "String Quartett in Four Parts" die faszinierende Kühle abstrakter Kunst hervorhebt, die die Komposition in die Nähe der abstrakten Malerei der Moderne rückt.

Dieter Schnebels eigene Stücke für Streichquartett bilden einen Endpunkt im Hinblick auf die Konzentration des Materials, während Giacinto Scelsi die Reduktion auf einen einzelnen Ton betreibt.

In Hans Wüthrichs und Olivier Messiaens Quartetten geht es um die Adäquanz von ästhetischer Haltung und musikalischem Ausdruck.

Der aus Lahr im Schwarzwald stammende Dieter Schnebel (1930-2018) war nach vielfältigen Studien zunächst im Pfarrdienst und als Religionslehrer im Gymnasium tätig. Mit seinen experimentellen Werkreihen der 60er-Jahre wurde er zu einer zentralen Figur der musikalischen Nachkriegsavantgarde.

Bis zu seiner Emeritierung 1996 war Schnebel Professor für Experimentelle Musik und Musikwissenschaft an der Hochschule der Künste (HdK) in Berlin.

(nau)