Dietmar Dath: "Superhelden"

Warum wir Batman, Superman und Co. so lieben

Werbung für den Film "Batman V Superman: Dawn of Justice"
In der Comicverfilmung "Dawn of Justice" treffen Batman und Superman direkt aufeinander. © imago/ZUMA Press
Von Ingo Arend |
Mit "Superhelden" ist Dietmar Dath ein überraschend pointiertes Buch gelungen, das den anhaltenden Erfolg von Superhelden-Geschichten erklärt. Nur die Ästhetik des visuellen Kosmos kommt leider etwas kurz.
"Unglücklich das Land, das Helden nötig hat": Folgt man dem berühmten Satz Galileo Galileis aus Bertolt Brechts Drama "Leben des Galilei", müssten die USA das unglücklichste Land der Welt sein. Denn was wären die Vereinigten Staaten ohne ihre Superhelden – fliegende Männer mit Masken und schmuckem Regencape, die die Welt mit übermenschlichen Kräften schützen?
In seinem neuen Buch rollt Dietmar Dath eines der faszinierendsten Phänomene der Populärkultur auf. An ihrer Spitze: "Superman" alias Clark Kent, und "Batman" alias Bruce Wayne, die für Dath die Extrema des Spektrums zwischen "Self Made Hero" und "Götterkind", oder, sozialethisch gesprochen, zwischen "Selbstermächtigung und Auserwähltsein" markieren.
Buchcover: "Superhelden" von Dietmar Dath.
Buchcover: "Superhelden" von Dietmar Dath.© Reclam
Seit die beiden 1938 von amerikanischen Comiczeichnern "erfunden" wurden, hat sich der imaginäre Kosmos, in dem sie agieren, unendlich ausdifferenziert. Und er hat seine Spuren in den anderen Künsten hinterlassen: Von Michael Bishops Roman "Count Geiger’s Blues" von 1992 über die "Superheroes"-Ausstellung 2008 im Ney Yorker Metropolitan Museum of Art bis zu Alejandro González Iñárritus Film "Birdman" von 2014.

Ein poetologisches Essay

"Superhelden" ist weder eine Einführung in noch eine Kritik an dem Genre, sondern ein poetologisches Essay. Die Wurzeln des Genres und den anhaltenden Grund für seinen Erfolg sieht Dath in der "suspension of disbelief" - der Aufhebung des Unglaubens an eine nicht vorhandene Welt.
Mit dieser Formel hatte der Poet Samuel Tylor Coleridge, einer der Gründerväter der britischen Romantik, zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ästhetische Basis der Fantasy-Literatur gelegt. Was die Superhelden-Comics für Dath, selbst Verfasser dickleibiger Zukunfts-Romane, von der Science Fiction unterscheidet.
Die Ästhetik dieses visuellen Kosmos kommt bei Dath etwas kurz. Auch die – bei dem Sujet naheliegende – Ideologiekritik streift er nur. Etwa wenn er die Wiederauferstehung der 1941 kreierten "Wonder Woman" in der 2007 erschienenen Serie "Amazons Attack!" als Ausdruck der Notlagen der Supermacht USA nach 9/11 interpretiert.

"Nichtmenschen, die wir lieben wider die Natur"

Viele Details, die Dath resümiert: Die Chronologie des Genres in "Golden" und "Silver Age", die ständige Überarbeitung der Ursprungsgeschichten, der "Civil War" der Superhelden 2007, sind nicht neu. Dennoch ist dem Viel- und Endlosschreiber ein überraschend kurzes, pointiertes, an Einsichten reiches Buch gelungen.
Überzeugend analysiert er "Superhelden" als "Nichtmenschen, die wir lieben wider die Natur" und als "mythopoetisches Vergrößerungsglas des Individualismus": Projektionsflächen für unsere Sehnsucht nach Einzigartigkeit.
Dieses Bedürfnis muss nicht zwingend bei Nietzsches Idee vom Übermenschen landen. Seit der amerikanische Comiczeichner Chris Claremont das Genre 1975 mit seinen "Uncanny X-Men" aus einer Absatzkrise rettete, so Dath, agieren die "Superhelden" im "Teamwork" und als "Orchester".
Auch wenn sie nur in der Einbildung existieren und Margarete Mitscherlich schon 1968 das "Ende der Vorbilder" propagierte: Glücklich ein Land, das solche Helden hat.

Dietmar Dath: "Superhelden"
Reclam Verlag
Stuttgart 2016, 100 Seiten
10 Euro

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