Dietzfelbinger: Reichsparteitagsgelände in Nürnberg muss bleiben
Der Historiker Eckart Dietzfelbinger spricht sich für die Erhaltung des Reichsparteitagsgeländes der NSDAP in Nürnberg aus. In Deutschland existiere kaum ein anderer Ort, an dem man das ästhetische Empfinden der Nationalsozialisten im Rahmen ihrer "terroristischen und verbrecherischen Ideologie" derart nachvollziehen könne.
Jürgen König: Wie soll man mit historisch belasteten Orten umgehen, mit dem Nürnberger Parteitagsgelände der Nazis zum Beispiel? Soll man es verfallen lassen, die Reste des 1000-jährigen Reiches sinnbildlich zusammenbrechen lassen? Soll man es abreißen oder es sanieren? Tatsache ist, das riesige Areal bröckelt vor sich hin. Wenn man es erhalten will, als Mahnmal für den Größenwahn der Nazis, dann muss es von Grund auf instand gesetzt werden und das kostet 60 bis 70 Millionen Euro. Darüber spreche ich gleich mit dem Historiker Eckart Dietzfelbinger.
Was soll mit dem früheren Reichsparteitagsgelände der Nazis in Nürnberg geschehen, will ich den Historiker Eckart Dietzfelbinger fragen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Guten Morgen, Herr Dietzfelbinger!
Eckart Dietzfelbinger: Guten Morgen!
König: Hermann Glaser, Kulturdezernent Nürnbergs von 1964 bis 1990, sagt über die Zeppelintribüne, Zitat: "Ich weiß nicht, ob der Erhalt so eines Trümmerhaufens 70 Millionen Euro wert ist." Ist er es?
Dietzfelbinger: Tja.
König: Tja.
Dietzfelbinger: Das spricht für den Hermann Glaser, weil er ein unabhängiger und freier Geist ist, und er hat sich ja in seiner Funktion als Kulturreferent der Stadt Nürnberg von den 60er-Jahren bis 1990 auf der einen Seite entscheidend verdient gemacht über eine seriöse und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Gelände der Geschichte. Er ist der Spiritus rector des Ausstellungsprojektes "Faszination und Gewalt", was ja in der Zeppelintribüne 16 Jahre zu sehen war, bevor 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände eröffnet worden ist. Glaser hat auch viel publiziert, das ist ein ernsthafter Mann.
König: Und der sagt jetzt selber: Ich habe Zweifel.
Dietzfelbinger: Ja, das kann ich ja verstehen, weil er eben unbeeindruckt bleibt von dieser Staats- und Parteitagsarchitektur, das war er immer. Und Glaser hat ja eigentlich gefordert, eine offene Diskussion über den Sinn einer solchen Sanierung mit 70 Millionen Euro. Warum? Weil das dem Laien, dem Normalmenschen kaum mehr vermittelbar ist. Das sind große Verhältnisse, große finanzielle Geschichten. Aber das Bemerkenswerte in Nürnberg ist, dass das ja alles nicht neu ist. 1973 hat das Landesamt für Denkmalschutz das Bayerische Denkmalschutzgesetz in einer Neufassung verabschiedet und hat der Stadt Nürnberg auferlegt, die Bauten so zu erhalten, wie sie sind. Und das ist eine weitsichtige Entscheidung gewesen. Es ging darum, nach dem Gesetzestext den Kolossalstil des Dritten Reiches für künftige Generationen zu transportieren, das heißt, zu erhalten. Das heißt, es geht nicht um eine Rekonstruktion, das ist mal das Erste, sondern es geht um den Erhalt des Status quo. Und die Stadt Nürnberg war damals völlig überrascht davon, sie hat lernen müssen. Es gab verschiedene Objekte, wie die Große Straße, die Sanierung 1990 bis 1995 damals schon für 15 Millionen D-Mark, da gab es großen Streit und Konflikt. Die Stadt Nürnberg wollte eigentlich die ganze Straße asphaltieren. Es gab die Diskussion um den Umbau der früheren SS-Kaserne für sage und schreibe 130 Millionen D-Mark, was schließlich der Bund übernommen hat. Also, diese Größenverordnungen sind vertraut. Das Besondere ist, dass in Nürnberg mit aller Ernsthaftigkeit aber auch mit Widersprüchen und Konflikten die ganze Diskussion über sogenannten Umgang mit NS-Architektur – so heißt die Fachsprache – geführt worden ist und sich die Stadt nach diesen langen Lernprozessen dazu entschieden hat, mit den Leitlinien 2004, die der Stadtrat einstimmig beschlossen hat, für den Erhalt der Umrisse dieser Anlagen künftig Sorge zu tragen.
König: Sagen Sie doch noch mal uns, Herr Dietzfelbinger: Warum ist das Gelände erhaltenswert?
Dietzfelbinger: Weil es kaum einen Ort in Deutschland gibt, wo man anhand der Umrisse dieser Anlagen mit der entsprechenden Information die NS-Ideologie erkennen kann und ihre Absichten dieses Ungeistes erkennen kann, wenn man die entsprechende Übersetzung besitzt. Diese Übersetzung wird geliefert in Form von Informationen einer Dauerausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, das ist ja gar nicht weit weg von der Zeppelintribüne. Aber es ist eben ein bauliches Restensemble, in Anführungszeichen, so würde ich es mal sagen, ein Restensemble, was es sonst nirgends in Deutschland gibt mit Ausnahme von Prora auf der Insel Rügen, wo es ja um ein Seebad gegangen ist.
König: Auch obwohl die Säulenhalle schon abgerissen wurde, meinen Sie, kann man das noch als Mahnmal für den Größenwahn der Nazis vermitteln?
Dietzfelbinger: Es ist ja so: Die Säulen… die Pfeilergalerie, es waren ja keine Säulen, es waren Pfeiler, wurden 1967 gesprengt, und 1973 kam das Denkmalschutzgesetz. Und dann, nach 14 Jahren – und da war Glaser natürlich auch sehr mit beteiligt und sehr ernsthaft beteiligt – hat man ja 1983 mit Stadtratsbeschluss die Eingangshalle in der Zeppelintribüne saniert, weil das das einzige Bauwerk ist, was im Original die sogenannte politische Ästhetik von Albert Speer abbildet in Original. Da war ja auch dann diese provisorische Dauerausstellung bis 2001 drin. Das heißt, ein derartiges Schauobjekt gibt es sonst nicht mehr. Und hier kann man nun vermitteln, was hier die Nationalsozialisten als besonders schön, ästhetisch empfunden haben für ihre terroristische und verbrecherische Ideologie, das kann man da sehen.
König: Wie stehen die Nürnberger zu dieser Frage?
Dietzfelbinger: Kontrovers. Dieser Umgang mit dem Gelände ist in Nürnberg immer ein Dauerthema gewesen seit Gründung der Bundesrepublik spätestens. Die Meinungen gehen auseinander. Das Dokumentationszentrum, seit 2001 geöffnet, das ist ja ein städtisches Haus, ist akzeptiert. Wir haben ein großes Besucheraufkommen, auch 40 Prozent Gäste aus dem Ausland, und man vertraut darauf, dass die Stadt den Weg gefunden hat. Und wie gesagt, es gibt so eine Art kleines Grundgesetz, das sind diese Leitlinien, verabschiedet einstimmig 2004, und da steht eben drin, dass die Stadt dafür Sorge tragen wird, die Umrisse der Anlagen zu erhalten, um den künftigen Generationen die Möglichkeiten zu geben, diese Architektur, von der der Ungeist ausging, der Europa oder die Welt angezündet hat, studieren zu können.
König: Das Reichsparteitagsgelände der Nazis in Nürnberg muss als Mahnmal erhalten bleiben, sagt der Historiker Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg .Vielen Dank!
Dietzfelbinger: Bitte schön!
Was soll mit dem früheren Reichsparteitagsgelände der Nazis in Nürnberg geschehen, will ich den Historiker Eckart Dietzfelbinger fragen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Guten Morgen, Herr Dietzfelbinger!
Eckart Dietzfelbinger: Guten Morgen!
König: Hermann Glaser, Kulturdezernent Nürnbergs von 1964 bis 1990, sagt über die Zeppelintribüne, Zitat: "Ich weiß nicht, ob der Erhalt so eines Trümmerhaufens 70 Millionen Euro wert ist." Ist er es?
Dietzfelbinger: Tja.
König: Tja.
Dietzfelbinger: Das spricht für den Hermann Glaser, weil er ein unabhängiger und freier Geist ist, und er hat sich ja in seiner Funktion als Kulturreferent der Stadt Nürnberg von den 60er-Jahren bis 1990 auf der einen Seite entscheidend verdient gemacht über eine seriöse und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Gelände der Geschichte. Er ist der Spiritus rector des Ausstellungsprojektes "Faszination und Gewalt", was ja in der Zeppelintribüne 16 Jahre zu sehen war, bevor 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände eröffnet worden ist. Glaser hat auch viel publiziert, das ist ein ernsthafter Mann.
König: Und der sagt jetzt selber: Ich habe Zweifel.
Dietzfelbinger: Ja, das kann ich ja verstehen, weil er eben unbeeindruckt bleibt von dieser Staats- und Parteitagsarchitektur, das war er immer. Und Glaser hat ja eigentlich gefordert, eine offene Diskussion über den Sinn einer solchen Sanierung mit 70 Millionen Euro. Warum? Weil das dem Laien, dem Normalmenschen kaum mehr vermittelbar ist. Das sind große Verhältnisse, große finanzielle Geschichten. Aber das Bemerkenswerte in Nürnberg ist, dass das ja alles nicht neu ist. 1973 hat das Landesamt für Denkmalschutz das Bayerische Denkmalschutzgesetz in einer Neufassung verabschiedet und hat der Stadt Nürnberg auferlegt, die Bauten so zu erhalten, wie sie sind. Und das ist eine weitsichtige Entscheidung gewesen. Es ging darum, nach dem Gesetzestext den Kolossalstil des Dritten Reiches für künftige Generationen zu transportieren, das heißt, zu erhalten. Das heißt, es geht nicht um eine Rekonstruktion, das ist mal das Erste, sondern es geht um den Erhalt des Status quo. Und die Stadt Nürnberg war damals völlig überrascht davon, sie hat lernen müssen. Es gab verschiedene Objekte, wie die Große Straße, die Sanierung 1990 bis 1995 damals schon für 15 Millionen D-Mark, da gab es großen Streit und Konflikt. Die Stadt Nürnberg wollte eigentlich die ganze Straße asphaltieren. Es gab die Diskussion um den Umbau der früheren SS-Kaserne für sage und schreibe 130 Millionen D-Mark, was schließlich der Bund übernommen hat. Also, diese Größenverordnungen sind vertraut. Das Besondere ist, dass in Nürnberg mit aller Ernsthaftigkeit aber auch mit Widersprüchen und Konflikten die ganze Diskussion über sogenannten Umgang mit NS-Architektur – so heißt die Fachsprache – geführt worden ist und sich die Stadt nach diesen langen Lernprozessen dazu entschieden hat, mit den Leitlinien 2004, die der Stadtrat einstimmig beschlossen hat, für den Erhalt der Umrisse dieser Anlagen künftig Sorge zu tragen.
König: Sagen Sie doch noch mal uns, Herr Dietzfelbinger: Warum ist das Gelände erhaltenswert?
Dietzfelbinger: Weil es kaum einen Ort in Deutschland gibt, wo man anhand der Umrisse dieser Anlagen mit der entsprechenden Information die NS-Ideologie erkennen kann und ihre Absichten dieses Ungeistes erkennen kann, wenn man die entsprechende Übersetzung besitzt. Diese Übersetzung wird geliefert in Form von Informationen einer Dauerausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, das ist ja gar nicht weit weg von der Zeppelintribüne. Aber es ist eben ein bauliches Restensemble, in Anführungszeichen, so würde ich es mal sagen, ein Restensemble, was es sonst nirgends in Deutschland gibt mit Ausnahme von Prora auf der Insel Rügen, wo es ja um ein Seebad gegangen ist.
König: Auch obwohl die Säulenhalle schon abgerissen wurde, meinen Sie, kann man das noch als Mahnmal für den Größenwahn der Nazis vermitteln?
Dietzfelbinger: Es ist ja so: Die Säulen… die Pfeilergalerie, es waren ja keine Säulen, es waren Pfeiler, wurden 1967 gesprengt, und 1973 kam das Denkmalschutzgesetz. Und dann, nach 14 Jahren – und da war Glaser natürlich auch sehr mit beteiligt und sehr ernsthaft beteiligt – hat man ja 1983 mit Stadtratsbeschluss die Eingangshalle in der Zeppelintribüne saniert, weil das das einzige Bauwerk ist, was im Original die sogenannte politische Ästhetik von Albert Speer abbildet in Original. Da war ja auch dann diese provisorische Dauerausstellung bis 2001 drin. Das heißt, ein derartiges Schauobjekt gibt es sonst nicht mehr. Und hier kann man nun vermitteln, was hier die Nationalsozialisten als besonders schön, ästhetisch empfunden haben für ihre terroristische und verbrecherische Ideologie, das kann man da sehen.
König: Wie stehen die Nürnberger zu dieser Frage?
Dietzfelbinger: Kontrovers. Dieser Umgang mit dem Gelände ist in Nürnberg immer ein Dauerthema gewesen seit Gründung der Bundesrepublik spätestens. Die Meinungen gehen auseinander. Das Dokumentationszentrum, seit 2001 geöffnet, das ist ja ein städtisches Haus, ist akzeptiert. Wir haben ein großes Besucheraufkommen, auch 40 Prozent Gäste aus dem Ausland, und man vertraut darauf, dass die Stadt den Weg gefunden hat. Und wie gesagt, es gibt so eine Art kleines Grundgesetz, das sind diese Leitlinien, verabschiedet einstimmig 2004, und da steht eben drin, dass die Stadt dafür Sorge tragen wird, die Umrisse der Anlagen zu erhalten, um den künftigen Generationen die Möglichkeiten zu geben, diese Architektur, von der der Ungeist ausging, der Europa oder die Welt angezündet hat, studieren zu können.
König: Das Reichsparteitagsgelände der Nazis in Nürnberg muss als Mahnmal erhalten bleiben, sagt der Historiker Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg .Vielen Dank!
Dietzfelbinger: Bitte schön!