Digitale Diagnose

Von Stephanie Kowalewski |
Ohne Computer und ohne Digitalisierung läuft in der modernen Medizin fast nichts mehr. Operationen werden am PC geplant, Diagnosen mit Hilfe digitaler Bilder gestellt. Elektronische Monitoringsysteme erlauben eine immer bessere Überwachung von Risikopatienten.
Ganz gleich, ob das Knie schmerzt, das Atmen schwerfällt oder eine Krebserkrankung vermutet wird - in den meisten Fällen schicken Ärzte ihre Patienten in die Röhre. Röntgenbilder, Computertomografie-Aufnahmen oder auch Bilder aus dem Magnetresonanztomografen sollen Aufschluss über das Problem geben. Doch alle Systeme in der bildgebenden Diagnostik leiden an dem gleichen Problem, dem sogenannten Rauschen, erklärt Christian Kistner von GE Healthcare.

"In der Technik meint man mit dem Rauschen alle Arten von Störungen, die einfach aufgrund von elektronischen Signalen in jedem System vorliegen."

Diese störenden elektronischen Signale verringern die Bildqualität. Um dennoch gestochen scharfe Aufnahmen vom inneren des Körpers zu erhalten, wurde bislang meist die Dosis der Röntgenstrahlen erhöht. Doch Röntgenstrahlen können Zellen und Erbgut schädigen und so suchte das Team um Christian Kistner nach einer anderen Lösung. Acht Jahre lang. Jetzt präsentierten sie das Ergebnis stolz auf der Medizinmesse Medica: den Computertomografen Discovery CT750HD.

"Wir haben die Quadratur des Kreises hinbekommen. Wir haben die Dosis signifikant reduziert, um über 50 Prozent für alle Anwendungen und für das Herz sogar 80 Prozent. Und damit können wir eben hervorragende Bildqualität bei minimaler Dosis gewährleisten."

Den Technikern und Informatikern ist es gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das das Rauschen, also die ungewollten Informationen im digitalen Bild, herausfiltert, sodass nur die gewünschten Bildinformationen übrig bleiben. Dank neuester Computertechnik kann so die Strahlensdosis verringert werden, erklärt Christian Kistner.

"Es ist Mathematik, insofern softwaregebunden, aber sie geht einher mit völlig neuen Rechnergenerationen, also richtige Hardware, die wir dazu benötigen. Hardware, die es nur exklusiv in unserem Hause gibt, weil wir das entwickelt haben für diese Anwendung."

Durch diese neue Computergeneration können nun gleichzeitig verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden. Das spart Zeit und Geld, denn dem chronisch unter Geldmangel leidenden Gesundheitssystem bleiben teure Mehrfachuntersuchungen erspart.

Komplett ohne schädliche Röntgenstrahlen kommt die Ultraschalluntersuchung aus. Hier werden stattdessen Schallwellen in das Körperinnere geschickt, die von weichem Gewebe teilweise geschluckt, teilweise als Echo zurückgesendet werden. Ein Computer setzt die unterschiedlichen Echos schließlich in Bilder um, auf denen die untersuchten Organe in verschiedenen Graustufen dargestellt werden. Philipps hat die als nebenwirkungsfrei geltende Technik nun in einer nur 7,5 Millimeter dicken Ultraschallsonde untergebracht, sagt Annette Halstrick:

"Und zwar haben wir die kleinste Ultraschall-Schlucksonde der Welt entwickelt, die in der Lage ist, bei Neugeborenen oder auch frühgeborenen Babys während einer Operation das Herz zu schallen und dadurch den Operationsverlauf besser kontrollieren zu können."

Bisher dienten in solchen Fällen nicht so detailreiche Röntgenbilder zur Kontrolle. Die schlanke Sonde könnte künftig auch die heute übliche fingerdicke Sonde für Erwachsene ersetzten, glaubt Annette Halstrick.

In den meisten Fällen wird bei der sogenannten Sonografie aber keine Sonde geschluckt, sondern der Arzt setzt einen Schallkopf außen auf die Haut auf, um die darunter liegenden Areale zu untersuchen. Modernste Hochleistungsgeräte sind heute sogar in der Lage, Nerven bildlich darzustellen.

"Man sieht den Nerv und die ihn umgebenden Strukturen. Wenn eine Veränderung in diesen Strukturen stattfindet, zum Beispiel durch ein Ganglion, das ist ein Überbein, oder auch ein Nerventumor oder vielleicht auch eine Verletzung durch eine Glasscherbe, dann kann man das genau erkennen."

Und die entsprechende Therapie einleiten.

Einen Blick in die Zukunft ermöglicht das Institut für Textil- und Verfahrentechnik Denkendorf. Hier werden sogenannte smarte Textilien entwickelt, Kleidungsstücke die wie normale Babybodys oder Sport-Shirts aussehen, es aber in sich haben, sagt Carsten Linti.

"Mit dem Unterschied, dass dort Sensoren fest integriert sind, die eben den Herzschlag ableiten, die Atmung im Brust- und Bauchbereich messen können, die die Oberflächentemperatur bestimmen und das Ganze eben so ausgeführt ist, dass es auch waschbar ist."

Die mit textilen Elektroden, Sensoren und Kabeln ausgestattete Kleidung kann nach dem Tragen einfach bei 60 Grad in der Waschmaschine gewaschen werden. Lediglich die über eine Steckverbindung angeschlossene Elektronikeinheit muss vorher abgezogen werden.

"Das kann man sich so groß wie ein modernes Handy vorstellen, das die Daten sammelt und zum Beispiel über Bluetooth-Schnittstellen an eine andere Auswerteinheit übergibt, die gegebenenfalls dann Alarm schlagen kann oder eben größere Mengen Daten sammelt zur späteren Auswertung."

Eltern oder erwachsene Nutzer erhalten nicht die gesammelten Daten, sondern lediglich die Auswertung in Form von farbigen Signalen. Grün heißt alles ok, gelb steht für einen technischen Defekt und rot für Alarm. Und auch der Arzt wird nicht mit einer Datenflut überhäuft.

"In dem Moment, wo es dem überwachten, gemonitorten Menschen gut geht brauchen wir ja keine Daten beobachten die ganze Zeit. Es geht nur darum, die Extremsituationen herauszufiltern und rechtzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln."

Gedacht ist die elektronische Kleidung für Frühchen, für Babys, in deren Familie Fälle von plötzlichem Kindstod vorkamen, ältere chronisch kranke Menschen, Sportler oder auch Menschen in extremen Arbeitssituationen. Sie müssten nur das hautenge, intelligente Shirt anziehen, fertig.

"Das ist einer der Hauptvorteile, wenn wir das ins Bekleidungstextil integrieren, dass eben die Position von Sensoren vorbestimmt ist. So ist es auch Laien möglich, die Sensoren anzubringen, weil man nur das Kleidungsstück anzieht und damit die Positionierung gewährleistet ist."

Für die Zukunft sind jetzt patientenbezogene Praxistests geplant, bevor die elektronischen T-Shirts und Babystrampler dann tatsächlich im Alltag eingesetzt werden können.