Frisches Geld dank Blockchain
Seit die Kryptowährung Bitcoin durch die Decke geht, ist der Hype um neue Finanzierungsmodelle groß. Vor allem in der Blockchain-Technologie, die dahinter steckt, sehen viele Fachleute revolutionäre Möglichkeiten. Die Rechtsanwältin Nina-Luisa Siedler wagt einen Blick in die Zukunft.
In der Netzgemeinde sind Blockchains und der Boom von Bitcoins gerade ein Riesenthema. Bei Blockchains handelt es sich um spezielle Datenbanken, die Transaktionsdaten ohne eine zentrale Kontrollinstanz mit großer Transparenz verwalten können sollen. Das eröffnet auch auf dem Kreditmarkt neue Möglichkeiten.
Neue Wege bei Krediten
Die Rechtsanwältin Nina-Luisa Siedler sieht vor allem große Chancen, mit dieser Technologie neuen Ideen in einer sehr früheren Phase bereits neue Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten, die es bisher in Deutschland noch nicht gebe. "Wenn Sie heute in einer so frühen Phase Geld einsammeln wollen, dann können Sie eigentlich nur zu den drei F's gehen: Familiy, Friends and Fools", sagte Siedler im Deutschlandfunk Kultur. Offizielle Stellen würden in dieser Phase keine Kredite gewähren.
Unüberschaubare Risiken
Siedler hält auf der in Köln beginnenden Konferenz "Blockchain PreMasters" einen Vortrag zum Thema "Crowdfunding auf der Blockchain" und ist Mitbegründerin des Blockchain Bundesverbandes. Durch den rasanten Anstieg von Bitcoin und anderen Kryptowährungen gebe es viele Leute, die auf hohen Werten säßen und nach neuen Anlagemöglichkeiten suchten. "So trifft sich die Suche nach Finanzierung für die Unternehmen in den Frühphasen einerseits mit den verfügbaren Mitteln in dieser Szene andererseits."
Diese Finanzierungsmöglichkeiten seien nur für Spezialisten geeignet, sagte Siedler und wies auf die unüberschaubaren Risiken hin. "Aber die Technologie als solches ist sicherlich etwas, was derzeit schon anfängt, in unseren Alltag einzudringen und was dort auch sicher in Zukunft seinen festen Platz haben wird." Die Blockchain-Technologie sei eine Grundlagen-Technologie, die wie das Internet überall mit reinspielen werde.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Alle reden über den fast schon unheimlichen Erfolg der Internetwährung Bitcoin, aber nur wenige verstehen wirklich die Technologie, die dahinter steckt. Sie nennt sich Blockchain, und sie ermöglicht viel mehr als nur das Geldverdienen mit Internetwährungen. Einzelheiten von unserem Hauptstadtjournalisten Falk Steiner:
Falk Steiner: Blockchain, das ist derzeit das große Hypewort der Digitalisierung. Alles wird mit dieser Technologie gleich viel spannender. Doch was ist sie eigentlich überhaupt? Eine beispielhafte Erklärung.
Wer über Blockchain-Technologie spricht, der meint damit in aller Regel eine vergleichsweise einfache und daher so bestechende Idee: das dauerhafte, vielfache, dezentrale und schwer manipulierbare Abspeichern von Informationen und Eigentümerverhältnissen.
Das folgt einem einfachen Grundprinzip: Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Verzeichnis der Besitzer von Gemälden. Ein Gemälde, ein Eintrag in der Blockchain, verknüpft mit einer Besitzerinformation.
Und diese Informationen werden miteinander logisch verknüpft und sind über ganz viele verschiedene Instanzen verteilt, wie ein vielfach kopiertes Verzeichnis, das per mathematischem Verfahren sicherstellt, dass diese Einträge erstens richtig und zweitens in den Kopien identisch sind.
Wechselt ein Picasso oder Renoir nun den Besitzer, wird auch diese Transaktionsinformation dort abgespeichert: das Objekt X mit dem Namen Y gehört nun nicht mehr zu einem Herrn oder Frau A sondern zu einem Herrn oder Frau B.
Alle künftigen Transaktionen werden dort nun auch miterfasst, wenn B an C verschenkt, ist allen mit Zugriff auf diese Blockchain klar, dass weder A noch B weiterhin Rechte daran halten, auch wenn ihre Transaktion weiterhin vermerkt bleibt.
Wer A, B oder C tatsächlich ist, ist für die Blockchain selbst dabei gar nicht relevant: es ist schlicht derjenige mit dem passenden Schlüssel für eben diese Information.
Wer über Blockchain-Technologie spricht, der meint damit in aller Regel eine vergleichsweise einfache und daher so bestechende Idee: das dauerhafte, vielfache, dezentrale und schwer manipulierbare Abspeichern von Informationen und Eigentümerverhältnissen.
Das folgt einem einfachen Grundprinzip: Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Verzeichnis der Besitzer von Gemälden. Ein Gemälde, ein Eintrag in der Blockchain, verknüpft mit einer Besitzerinformation.
Und diese Informationen werden miteinander logisch verknüpft und sind über ganz viele verschiedene Instanzen verteilt, wie ein vielfach kopiertes Verzeichnis, das per mathematischem Verfahren sicherstellt, dass diese Einträge erstens richtig und zweitens in den Kopien identisch sind.
Wechselt ein Picasso oder Renoir nun den Besitzer, wird auch diese Transaktionsinformation dort abgespeichert: das Objekt X mit dem Namen Y gehört nun nicht mehr zu einem Herrn oder Frau A sondern zu einem Herrn oder Frau B.
Alle künftigen Transaktionen werden dort nun auch miterfasst, wenn B an C verschenkt, ist allen mit Zugriff auf diese Blockchain klar, dass weder A noch B weiterhin Rechte daran halten, auch wenn ihre Transaktion weiterhin vermerkt bleibt.
Wer A, B oder C tatsächlich ist, ist für die Blockchain selbst dabei gar nicht relevant: es ist schlicht derjenige mit dem passenden Schlüssel für eben diese Information.
Kassel: Soweit die Theorie, jetzt kommen wir zur Praxis, und über die sprechen wir mit Nina Siedler. Sie ist Rechtsanwältin und Fintech-Expertin, also Expertin für Finanztechnologien, und sie spricht morgen auf der Konferenz "Blockchain PreMasters" in Köln zum Thema Crowdfunding auf der Blockchain. Schönen guten Morgen, Frau Siedler!
Frühe Finanzierung möglich
Nina-Luisa Siedler: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Dann bleiben wir doch mal bei dem Thema, über das Sie morgen sprechen. Wo liegen denn die Chancen dieser Technologie für das Crowdfunding?
Siedler: Bei dem Crowdfunding, dem sogenannten Token Sale oder auch ICOs, Initial Coin Offerings, geht es um den Verkauf von elektronischen Daten letztendlich bei den Coins, bei den Bitcoins oder eben auch anderen elektronisierten Zuordnungen von Gegenständen oder auch Rechten, die zumeist erst in der Zukunft gebaut oder erstellt werden sollen. Das heißt, jemand verkauft etwas, was in der Regel heute noch gar nicht existent ist, was er aber beabsichtigt zu bauen, und diese sehr frühen Finanzierungen sind ansonsten sehr, sehr schwer zu bekommen.
Kassel: Können wir das mal praktischer beschreiben. Nehmen wir an, Sie hätten jetzt so eine Idee, aus der etwas werden soll, was Sie aber noch gar nicht gemacht haben, und ich entscheide mich, Sie finanziell zu unterstützen. Nehmen wir an, ich gebe Ihnen tausend Euro, was läuft dann weiter ab, wie funktioniert das?
Siedler: Nach Erhalt dieser tausend Euro, die typischerweise auch in Form einer der gängigen Cryptocurrencys, also Bitcoin oder Ether, zur Verfügung gestellt werden, erhalten Sie einen Token zurück. Ein Token ist letztendlich nichts anderes als ein Eintrag in der Blockchain, über den Sie mit Hilfe Ihrer Keys verfügen können, und das ist genau das, was eben mit diesem sogenannten Eigentumseintrag für den Picasso auf der Blockchain gemeint war.
Kassel: Technisch ist es was vollkommen anderes, aber ich frage mich trotzdem praktisch, was sind die Vorteile im Vergleich zu der althergebrachten Methode: Sie nehmen mein Geld für Ihre Firma, Sie nehmen meine tausend Euro, und wenn die Firma funktioniert, geben Sie mir irgendwann 1.600 Euro, denn mir gehören 1.600 Euro von Ihrem Unternehmen. Wie gesagt, technisch, Blockchain völlig anders, aber im Alltag, wo ist der große Unterschied und der Vorteil?
Siedler: Na ja, wenn Sie heute in einer so frühen Phase Geld einsammeln wollen, dann können Sie eigentlich nur zu den drei F´s gehen – Family, Friends and Fools – und dort bitten, dass man Ihnen Geld zur Verfügung stellt, weil institutionelles Geld in dieser frühen Phase ist so gut wie nicht erhältlich. Wenn Sie über diese ganz frühe Phase hinaus sind, dann können Sie zu den Venture-Capitalist-Firmen gehen und dort um Geld bitten. Dann müssen Sie aber auch immer Anteile an der jeweiligen Firma abgeben. Das führt eben dazu, dass es de facto solche Frühphasenfinanzierung in Deutschland fast gar nicht gibt. Die sind praktisch nicht erhältlich.
Statt Darlehen von der Bank
Kassel: Das heißt, ich kann eine Idee finanzieren und aus einer Idee ein Unternehmen, im idealen Fall irgendwann ein erfolgreiches Unternehmen, machen, auch wenn ich in der Phase keine Chancen hätte, eine Bank oder so etwas zu überzeugen.
Siedler: Genau. Also eine Bank würden Sie in der Phase sowieso nicht finden. Ein Darlehen, ein Fremdkapitalinstrument erhalten Sie erst sehr viel später, dann, wenn schon ein positiver Cashflow vorhanden ist. Aber Sie kriegen in der Regel in diesen sehr frühen Phasen noch nicht mal einen Eigenkapitalgeber wie eben ein Startup-Finanzierer, und hinzu kommt, dass diese Token eben in der Cryptowelt, wie wir immer so schön sagen, sehr beliebt sind und durch den rasanten Anstieg von Bitcoin und auch anderen Cryptocurrency es momentan, gerade in dem Bereich, viele Leute gibt, die auf hohen Werten sitzen und nach Anlagemöglichkeiten suchen, und so trifft sich eben die Suche nach Finanzierungen für die Unternehmen in den Frühphasen einerseits mit den verfügbaren Mitteln in dieser Szene andererseits.
Kassel: Ist das eigentlich schon jetzt und auch in naher Zukunft etwas für quasi prinzipiell jede Branche, jede Idee oder ist das …, weil es ist ja kompliziert. Sie haben mehrere Begriffe genannt, von denen wahrscheinlich viele noch nie gehört haben – die ICOs zum Beispiel und überhaupt den Begriff Blockchain –, ist das doch noch etwas für Spezialisten, die nicht nur eine Idee haben, sondern die sich auch wirklich auskennen in dieser Szene.
Siedler: Also diese Finanzierungsmöglichkeiten sind nur etwas für Spezialisten, und ich sage mal, jemand, der sich damit noch nicht näher befasst hat, sollte auch besser die Finger davon lassen, weil die Risiken unüberschaubar sind. Aber die Technologie als solche ist sicherlich etwas, was derzeit schon anfängt, in unseren Alltag einzudringen und was dort auch ganz sicher in Zukunft seinen festen Platz haben wird. Die Blockchain-Technologie als solche ist eine Grundlagentechnologie, so wie das Internet auch. Die wird im Prinzip überall mit reinspielen.
Besonders relevant ist sie immer da, wenn es nicht um physische Gegenstände geht, also wie Immobilien oder auch Kunstwerke. Also physische Kunstwerke, wie der gemalte Picasso, sind nicht ganz so leicht zu digitalisieren. Leichter ist es immer dann, wenn es nur um Daten geht, also zum Beispiel bei Musik kann man drüber nachdenken oder auch bei anderen digitalen Kunstwerken, oder um Daten geht es zum Beispiel auch vor allen Dingen im Finanzierungsbereich eigentlich immer nur, und wenn wir an den Bereich Energie denken, weil dort das Asset selbst eben auch schon elektronisch ist.
Kassel: Frage zum Schluss mal ganz pragmatisch in die Zukunft geblickt. Sie haben ja Musik als Beispiel genannt und andere Dinge, die man auf diese Art und Weise handeln, mitfinanzieren und miteignen kann: Wird das in Zukunft sogar sein, dass ich meine Musik direkt beim Musiker kaufen kann? Nicht heute schon, aber dann will der meine Kreditkartennummer, und ich kriege wahrscheinlich einen Link für irgendeinen Download, aber dass ich in Zukunft mit Hilfe von Blockchain-Technologie, Cryptowährung quasi einen Mitbesitz zum Beispiel an einem Musikstück mir kaufe und dann einfach Zugriff auf dieses Stück habe?
Siedler: Ja, also gerade im Musikbereich gibt es da sehr, sehr viele Modelle. Einige sind auch schon live. Ich denke insbesondere an ein Startup aus Irland, die quasi eine Art Genossenschaft gegründet haben und wo eben die Musiker ihre Stücke einstellen können, und für die ersten, glaube, zehnmal hören zahlt dann der Nutzer etwas, und anschließend gehört ihm das Stück dann quasi. Gleichzeitig bekommt der Musiker unmittelbare Kontaktmöglichkeiten zu seiner Fangemeinde, weil ja durch die Blockchain dann auch die Inhaber sozusagen bestimmter Lizenzen miteinander verknüpfbar sind. Das finden die meisten Musiker sehr attraktiv.
Kassel: Ich freue mich jetzt schon darauf, mich – manche Entwicklungen gehen ja relativ schnell – in ein bis zwei Jahren mit Ihnen darüber zu unterhalten und bin ganz gespannt, ob wir beide dann feststellen, Gott, was haben wir alles geglaubt, ist nix draus geworden oder vielleicht ganz im Gegenteil. Das ist ja das Schlimme mit der Zukunft: Man weiß nicht genau, was kommt.
Siedler: Genau. Man weiß nicht so genau, was kommt. Also ich glaube schon, wir werden irgendwann wieder eine Delle sehen, weil momentan sind alle so euphorisch. Das wird sicherlich nicht alles genau so werden wie jetzt erwartet, aber ich glaube schon, dass es dauerhafte Entwicklung ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.