Dein Feind, der Algorithmus
Das Internet kennt uns ganz genau. Über Algorithmen werden wir bis ins kleinste Detail berechnet - ohne zu wissen, wer eigentlich dahinter steht. Höchste Zeit für "flexiblere und verwirrendere Identitäten", meint der Soziologe und Autor Christian Kucklick.
Wann wir wo sind, mit wem wir uns wie austauschen, welche Vorlieben wir haben - im Internet ist vieles davon exakt rekonstruierbar. Algorithmen machen es möglich, blitzschnell kombinieren sie Daten und machen menschliches Verhalten durchschaubar.
"Zur Zeit haben tatsächlich die Leute die Macht - oder bekommen zunehmend die Macht -, die über die Verrechnung der Daten verfügen, meint Christian Kucklick, Soziologe und Autor des neuen Buchs "Der granulare Mensch - wie das Digitale uns immer feiner durchleuchtet". Niemand wisse, wer hinter all den Algorithmen stehe: "Wir werden berechnet, aber wir können nicht zurückrechnen auf die uns berechnen - und das ist natürlich ein riesiges Problem." Sinnvoll wäre daher die Einführung von Wirtschaftsprüfern für Algorithmen, "die im Auftrag der Allgemeinheit prüfen, ob da alles fair und mit rechten Dingen zugeht".
Die neue digitale Realität werde dazu führen, "dass auch wir Menschen andere werden", meint Kucklick. Man werde sich in Zukunft "wesentlich weniger auf seine Rationalität einbilden können", da man es stets mit hochintelligenten Maschinen zu tun habe. Gleichzeitig würden die Menschen wohl auch spielerischer, um die neuen Regeln überhaupt zu begreifen.
Außerdem glaubt der Autor, werden wir künftig anarchischer, "einfach weil wir zunehmend versuchen uns diesen Fremd-Berechnungen zu entziehen. Wir werden also viel flexiblere, verwirrendere Identitäten entwickeln müssen, um überhaupt noch so ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu haben."