Wie sportlich ist Computer spielen?
E-Sport ist ein riesiger Markt, mehr als 100 Millionen Menschen verfolgen weltweit E-Sport-Turniere: Das heißt, sie schauen Computerspielen zu. Nun springt der VfL Wolfsburg auf den Zug auf - als erster Bundesligaverein überhaupt arbeitet er an einer "Digital-Strategie".
"Benzemaaaa! Great Goal!"
Karim Benzema trifft per Kopf zum 2:0 für Real Madrid. Wobei: Viel eher trifft Benedikt Saltzer. Er ist es, der Karim Benzema auf dem Bildschirm steuert. Saltzer ist E-Sportler - professioneller Computerspieler. Sein Spiel: Die Fußballsimulation FIFA. Es gibt in Deutschland nur wenige, die ihm bei FIFA das Wasser reichen können. Er ist mehrfacher Deutscher FIFA-Meister und seit Mai der erste E-Sportler, der bei einem Fußball-Bundesligisten unter Vertrag steht - beim VfL Wolfsburg.
"Alle haben einen beglückwünscht, alle haben auch den VfL Wolfsburg beglückwünscht. Weil es einfach ein riesen Schritt für den E-Sport in Deutschland ist."
Ein riesen Schritt, weil das Engagement des VfL Wolfsburg dem E-Sport hierzulande mehr Aufmerksamkeit verschafft. Und, so die Hoffnung vieler E-Sportler: Damit auch für mehr Akzeptanz in einer Gesellschaft, in der Computerspiele von vielen immer noch als Zeitvertreib gesehen werden. Dabei ist der E-Sport zu einem unglaublichen Markt angewachsen. Laut den Marktforschern von Superdata Research schauen sich über 130 Millionen Menschen weltweit E-Sport-Turniere an - live und via Stream. Der Umsatz der E-Sport-Branche im letzten Jahr betrug über 550 Millionen Euro. Und trotzdem ist es nach wie vor ein absoluter Einzelfall, dass sich ein Bundesligist auch für den digitalen Fußball auf der Konsole interessiert.
Keine "eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität"
"Die anderen sind da glaube ich noch nicht so weit, dass sie auch akzeptieren, dass das auch ein Sport ist. Wir sehen das mittlerweile so. Wir verstehen digitalen Fußball auch als Teil des gesamten Fußballs und wollen den Leuten auch das Gefühl geben, dass wir das ernst nehmen. Deshalb engagieren wir uns im E-Sports-Bereich."
Sagt Christopher Schielke, beim VfL Wolfsburg zuständig für die "Digitale Strategie". Länder wie China, Südkorea, Brasilien oder Russland unterscheiden schon lange nicht mehr zwischen Sport und E-Sport. Dort haben auch Computerspieler offiziell den Status von Sportlern. Und in Deutschland? Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB erteilt dem E-Sport eine Absage - mit Sport habe das nicht viel zu tun. E-Sport sei nicht gemeinnützig, es gäbe in vielen Computerspielen "tatsächliche oder simulierte Körperverletzung", die nicht den ethischen Werten des DOSB entspreche, und E-Sport besitze keine "eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität".
Der Sportwissenschaftler Ingo Froböse forscht seit einigen Jahren im Bereich E-Sport und misst die körperlichen und geistigen Leistungen, die E-Sportler beim Computerspielen erbringen. Er widerspricht den Vorbehalten des DOSB.
"Es gibt andere sportliche Aktivitäten, wo man sagt, die sind Sport. Nehmen wir mal Bogenschießen oder Schießen überhaupt, wo ja kaum eine motorische Komponente zu erkennen ist. Tolle Performance, tolle Leistung, aber sicher nicht mehr als E-Sportler. Das bedeutet - auch der Stressfaktor, auch die Konzentration ist mit ganz anderen Sportarten vergleichbar. Und mich bin mir sicher: Viel mehr als Schach, viel mehr als Kart."
Sehr traditionelle Sichtweise auf Sport
Für Ingo Froböse hat es andere Gründe, dass E-Sport vom DOSB noch nicht als Sport anerkannt wurde. Das liege zum einen an fehlenden Strukturen wie etwa Landesverbände. Zum anderen aber hauptsächlich am Sportverständnis der Funktionäre:
"Es ist einfach eine Sichtweise, die sehr durch Tradition geprägt ist und die viele Facetten und die neue Möglichkeiten die im E-Sport stecken einfach nicht akzeptieren möchte. Es ist eine Frage des Willens und nicht der echten Argumente."
Für ihn ist es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis E-Sport den Sportstatus zugesprochen bekommt. Eine Hoffnung, die auch FIFA-Spieler Benedikt Seltzer hat.
"Man merkt ja, dass die ganzen Jugendlichen nachkommen, zocken, sich mit E-Sport beschäftigen. Die älteren, die das Thema nicht so verstehen, werden irgendwann nicht mehr in den Positionen sein, in denen sie sich dagegen äußern können."
Den FIFA-Spieler Seltzer wird es dann wohl nicht mehr geben. Profi-Gamer über 30 gibt es kaum: Konzentration und Reaktionsvermögen sind dann nicht mehr gut genug.
"Eventuell werde ich dann irgendwo in der Organistation im E-Sport tätig sein. Das wird man dann sehen. Aber ich werde immer von mir behaupten können, dass ich ein Vorbote war vom E-Sport."
"Wir laufen nicht jedem Trend hinterher"
Hermann Latz, DOSB-Justitiar im Interview zu E-Sport in Deutschland