Der Zeuge kommt per Videostream
08:35 Minuten
Weil die Pandemie auch die Justiz blockiert, will Bayern die Gerichtssäle flächendeckend mit Videoanlagen ausstatten. Die Vorsitzende des Bayrischen Richtervereins, Andrea Titz, befürchtet, dass Strafprozesse schwieriger werden könnten.
Corona hat auch die Gerichte in Deutschland über Monate weitgehend lahmgelegt, nur wirklich dringende Fälle wurden verhandelt. Das Bundesland Bayern hat darauf reagiert: Landesjustizminister Georg Eisenreich (CSU) will die Gerichte in Bayern "flächendeckend" mit Videoanlagen ausstatten.
Eisenreich will Videotechnik nicht nur in Zivil-, sondern auch vermehrt in Strafprozessen einsetzen. Wie und wo ist Digitalisierung im Gerichtssaal machbar und wann ist sie sinnvoll?
Die Glaubwürdigkeit beurteilen wird schwieriger
Die Vizepräsidentin des Landgerichtes Traunstein und Vorsitzende des Bayrischen Richtervereins, Andrea Titz, beantwortet diese Frage differenziert. Videotechnik könne durchaus hilfreich sein, meint sie – aber nur im Einzelfall, zum Beispiel bei einem schwer traumatisierten Zeugen.
Grundsätzlich betrachtet Titz den Einsatz der Videotechnik eher kritisch. Das Gericht müsse sich von allen Beteiligten ein unmittelbares Bild machen können, betont sie. Besonders Strafprozesse lebten davon.
Das sei aber sehr schwierig, wenn sich ein Zeuge oder ein Angeklagter an einem anderen Ort befinde und nur gefiltert durch die Bilder einer Kamera mit dem Gericht korrespondiere. Die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen, sei ohnehin schon schwierig und werde durch eine Videoschaltung noch schwieriger.
Auch für den Zeugen werde es im Übrigen nicht einfacher, wenn er nur in eine Kamera spreche und nicht den direkten Kontakt zum Gericht habe, "weil er nicht die Reaktionen des Gerichts und der anderen Verfahrensbeteiligten auf seine Aussage erleben kann".
Ein normales Konferenztool reicht nicht aus
Im Landgericht Traunstein werde die Technik in seltenen Fällen bereits genutzt, berichtet Titz. Sie eigne sich aber eben nicht für jedes Verfahren. Und sei auch nicht überall vorhanden.
Ein gängiges webbasiertes Konferenztool reiche aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht, es bedürfe sicherer Anlagen, so Titz. Und die müssten dann sowohl bei den Anwälten der Kläger als auch bei denen der Beklagten vorhanden sein.
(ahe)