Digitalisierung in der Landwirtschaft

Potenziale und Hemmnisse des digitalen Wandels

Tierwirt Thomas Druskat steht in Arbeitskleidung vor seinen Kühen im Stall
Tierwirt Thomas Druskat soll in Kitzen die Digitalisierung voranbringen. © Marie-Sophie Rudolph / Deutschlandradio
Von Marie-Sophie Rudolph |
Die Digitalisierung macht auch vor einem der ältesten Wirtschaftsbereiche der Welt nicht halt: Viele Landwirte setzen bereits auf digitale Lösungen. Die Bundespolitik hält sich mit Initiativen bislang allerdings zurück. Ein Stimmungsbild aus Sachsen.
Thomas Druskat, 60 Jahre alt, ist Tierwirt. Im Agrarunternehmen im sächsischen Kitzen sorgt er dafür, dass alles rund läuft im Kuhstall. Mit Kühen ist er schon aufgewachsen. In den 70er Jahren dann hat er eine Ausbildung zum Melker absolviert. Man könnte also sagen: Mit Kühen kennt er sich aus.
Jetzt soll er hier die Digitalisierung im Stall voranbringen. Denn bald sollen vor allem Sensoren prüfen, wie oft sich eine Kuh bewegt, wie viel sie kaut oder wie hoch die Körpertemperatur ist. Vier Millionen Euro will das Agrarunternehmen in die Erweiterung des Kuhstalls investieren: "Im ersten Moment ist es erstmal Neuland", sagt er. "Es ist Wissen, das wir uns aneignen müssen, und wenn wir das beherrschen, ist es für uns eine echte Arbeitshilfe."

Digital überwachte Kühe

Hier sollen die Kühe ab Ende 2019 dann digital überwacht werden, ablesbar auf dem Computer oder iPad. Aber sich allein auf die neue Technik verlassen, das will Thomas Druskat dann auch nicht:
"Man darf bei aller Datenerfassung nicht vergessen: Das Auge wird immer, die Aufmerksamkeit wird immer dem Tier gelten. Das sind Lebewesen, und die brauchen unsere Aufmerksamkeit"

Landwirtschaft im Wandel

Insgesamt begreifen zwei Drittel der Landwirte digitale Technologien als Chance, und mehr als die Hälfte wendet sie auch schon an. Das fand eine Befragung des Digitalverbands Bitkom heraus. Melkanalagen mit Robotik, autonom fahrende Landmaschinen, oder so genannte AgrarCopter – Drohnen, die Pflanzen und eventuellen Schädlingsbefall aus der Luft überprüfen und Pestizide sprühen. Vorangetrieben wird diese Entwicklung vor allem von denen, die diese Technologien herstellen, sagt Miriam Taenzer, Landwirtschaftsreferentin bei Bitkom.
"In der Regel sind das tatsächlich die wirtschaftlichen Unternehmen, also die Agrarindustrie, die diese Themen vorantreibt, die aber auch im starken Austausch mit den Landwirten sind."

Agrar-Software mit reisendem Absatz

Eine der erfolgreichsten Firmen in Deutschland für großflächige Digitallösungen im Bereich Landwirtschaft ist die Firma 365 FarmNet. Im Geschäftsviertel in Berlin Mitte arbeiten die Mitarbeiter an Managementsystemen für Agarunternehmen.
Nach eigener Angabe nutzen bereits 30.000 Betriebe in Deutschland und Polen diese Software. Die Zahl der Kunden habe sich zuletzt verdreifacht – die Entwicklung also ist rasant.
Das Versprechen solch digitaler Lösungen: Der Landwirt spart nicht nur Zeit durch die Bündelung an Informationen. Auch präziser Ackerbau gehört zu den wichtigsten Vorteilen. Sensoren helfen, Wasser, Saatgut oder Düngemittel nur da einzusetzen, wo es wirklich gebraucht wird. Das spart Ressourcen und der Ertrag wächst, sagt der Geschäftsführer Maximilian von Löbbecke:
"Bisher ist es so, dass ich mein Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel über den ganzen Acker sprühe. Wenn ich aber weiß, wo genau die Problemzellen sind des Ackers, dann sprühe ich eben nur noch 10 Prozent aus. Und damit hab ich einen Rieseneffekt auch auf Umwelt, auf den Boden, auf die Gewässer, aber natürlich auch auf mein Portemonnaie."
Doch Miriam Taenzer vom Digitalverband Bitkom erklärt: "365 FarmNet ist eine Tochter von Claas. Und Claas ist einer der größten Landtechnikhersteller in Deutschland. Wahrscheinlich ist das auch so ein bisschen das Problem dahinter: 356 FarmNet hat ein super Farm-Managementsystem – nur: Es wird von den Landwirten nicht wirklich als neutral angesehen. Generell gesprochen."

Datenschutz-Bedenken und andere Vorbehalte

Taenzer wünscht sich eine schnelle Digitalisierung der Branche, kennt aber auch die Hürden der Landwirte. Skepsis beim Thema Datenschutz. Hemmungen vor den großen Investitionskosten und…
"Die größte Herausforderung wird sein, kompetente Mitarbeiter zu finden, die noch Lust haben, auf dem Land zu leben und die gleichzeitig die Digitalkompetenz mitbringen, die vonnöten sein wird."
Im sächsischen Kitzen ist Vorstand Hans-Uwe Heilmann zwar bereit, seinen Kuhstall für erhebliche Summen umzurüsten, aber er findet: Nicht alles, was heute möglich ist, könne er auch gebrauchen:
"Der Computer oder die Digitalisierung soll eigentlich helfen, Probleme zu lösen. Meistens ist es aber selbst das Problem. Die muss so einfach sein, dass ein Fahrer, der einen Traktor fährt, sie auch versteht."

Die Politik hält sich bislang zurück

Neben Herstellern und Landwirten gibt es einen weiteren Akteur in der Digitalisierung der Landwirtschaft: die Politik. Während die EU vor allem Druck aufbaut, etwa durch Auflagen für die Anwendung von Pestiziden, ist die Bundespolitik bislang eher zurückhaltend, meint auch Miriam Taenzer:
"Es wäre wichtig, dass zum einen im Ministerium ausreichend Kompetenz vorhanden ist für das Thema Digitalisierung. Da ist in den letzten Jahren nicht genug passiert."
Die dringendsten Aufgaben seien frei zugängliche Daten – etwa mit staatlichen Mitteln erhobene Wetterdaten, die den Landwirten helfen. Und vor allem die digitale Infrastruktur. Damit kämpft auch Hans Uwe-Heilmann in Sachsen jeden Tag:
"Vor zwanzig Jahren ist hier das modernste Kabelnetz gelegt worden, bloß angeschlossen ist es bis heute nicht."
Hans-Uwe Heilmann wünscht sich, dass das bald vorbei ist. Dass die Infrastruktur dann auch zu den neuen Möglichkeiten passt. Denn die Landwirtschaft, einer der ältesten Wirtschaftsbereiche der Welt, steckt schon mitten drin in der digitalen Transformation. Laut der Bitkom-Studie glauben 40 bis 50 Prozent der Landwirte: Schon im Jahr 2030 sehen wir auf unseren Äckern und Feldern vor allem Roboter und Drohnen statt Traktoren.
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