Digitalisierung und Monopole

Wir brauchen eine europäische Tech-Infrastruktur

04:22 Minuten
Ein großer Fisch frisst einen kleinen Fisch, der wiederum einen noch kleineren Fisch frisst.
Friss oder Stirb: So entstehen Monopole. © imago images / Ikon Images
Ein Einwurf von Stefan Bauberger · 18.02.2021
Audio herunterladen
Größe gleich Erfolg: Bei Digital-Konzernen wie Amazon oder Apple gilt das noch mehr als sonst in der Wirtschaft. Denn Digitalisierung befördert automatisch Monopolbildung, meint Stefan Bauberger. Hinnehmen sollte man sie dennoch nicht.
Wir schreiben mit Word, wir suchen mit Google, wir kaufen bei Amazon, wir kommunizieren mit Whatsapp. Unsere digitale Welt wird von großen Konzernen beherrscht. Apple, Microsoft, Amazon und Google beziehungsweise Alphabet, diese vier großen amerikanischen Konzerne, sind gemeinsam mehr als viermal so viel wert wie alle 30 DAX-Konzerne zusammen, unter denen sich lange gewachsene Technologiekonzerne wie Linde, Siemens und Volkswagen befinden.
Alle großen Digitalkonzerne sind dagegen erst innerhalb der letzten Jahrzehnte entstanden. Ihr rasantes Wachstum beruht auf Monopolen, die sie in ihrem jeweiligen Bereich errungen haben, und das ist kein Zufall.

Hochtechnologie begünstigt Dominanz von Unternehmen

Hochtechnologie fördert die Vorherrschaft weniger Unternehmen, die sich die Entwicklung neuer und innovativer Produkte leisten können. Bei den Corona-Impfstoffen haben die Staaten durch hohe Forschungsgelder und durch großzügige Abnahmegarantien dafür gesorgt, dass mehrere Impfstoffe gleichzeitig entwickelt wurden. Ohne entsprechende öffentliche Förderung gewinnt bei komplexer Technologie schnell das einzige Unternehmen, das so groß ist, dass es sich die Forschung leisten kann.
Bei Digitalkonzernen gibt es noch weitere Faktoren, die Monopole begünstigen. Der beste Friseur oder die beste Friseuse in der Stadt wird die meisten Kunden anziehen und das beste Geschäft machen. Aber er oder sie kann nur eine begrenzte Anzahl von Kunden bedienen. Selbst Impfstoffe lassen sich nicht schnell in beliebigen Mengen herstellen. Software dagegen muss entwickelt werden und dann kann sie aber fast ohne weitere Kosten beliebig oft vervielfältigt werden.

Digitale Vorherrschaft potenziert sich

Dazu kommt der sogenannte Netzwerkeffekt: Wenn ich ein Buchmanuskript einreiche, dann nimmt es der Verlag nur, wenn es mit Microsoft Word geschrieben ist. Keinen interessiert es, dass ich normalerweise mit Open-Source-Software arbeite. Wenn alle bei Whatsapp sind, dann kann ich mich mit einem Messengerdienst wie Signal mit niemandem verständigen.
Wenn es um künstliche Intelligenz beziehungsweise maschinelles Lernen geht, ist die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens noch grundlegender. Für diese Technologien brauchen die Computer viele Trainingsdaten. Eine Software lernt zum Beispiel Gesichter auf Bildern zu erkennen, indem sie mit sehr vielen Bildern trainiert wird, die diese Gesichter zeigen.
Für das autonome Fahren muss ein Auto Gefahrensituationen erkennen können. Die Künstliche Intelligenz für das Auto lernt, indem sie mit Bildern und anderen Sensordaten trainiert wird, die bekannte Gefahrensituationen repräsentieren. Jeder Teslafahrer steuert für Tesla solche Daten bei, weil seine Fahrdaten ausgewertet werden.
Mit jeder Googlesuche lernt Google mehr darüber, was Menschen interessiert und wie sie bestimmte Begriffe verknüpfen. Mit jedem Klick lernt Amazon etwas über seine Benutzer. Die größten Konzerne gewinnen die meisten Daten und können daher die beste Künstliche Intelligenz bauen.

Europäische Alternativen schaffen

Das klassische Mittel gegen Monopole heißt Regulierung. Das ist wichtig, ist aber bei internationalen Konzernen schwierig, und es kann Innovationen abwürgen. Neben der Regulierung sollte die EU eine gemeinsame Industriepolitik mit guter Förderung betreiben, und sie sollte außerdem digitale Infrastrukturen schaffen, die nicht von Konzernen beherrscht werden.
China hat rechtzeitig und erfolgreich eigene nationale Konzerne gegen die großen amerikanischen plaziert. Die EU hat bisher geschlafen. Dabei könnte eine Digitalisierung "made in EU" ein Markenzeichen für internationalen Erfolg bei anspruchsvollen Kunden werden, wie es schon beim europäischen Datenschutz gelungen ist.

Stefan Bauberger, geb. 1960, ist Jesuit. Er hat Philosophie, Theologie und Physik studiert. Nach einer Promotion in Physik hat er in Philosophie habilitiert. Er lehrt als Professor für Naturphilosophie und Wissenschaftstheorie. Außerdem arbeitet er als Zenmeister auch im spirituellen Bereich.

Porträt des Physikers und Philosophen Stefan Bauberger.
© SJ-Bild / Christian Ender
Mehr zum Thema