Digitalisierung von Kulturschätzen

"Wettlauf gegen die Zeit"

Die rückwärtige Ansicht des Baal-Tempels in Palmyra in Syrien
Der Baal-Tempel in Palmyra vor seiner Zerstörung © dpa/picture-alliance/Matthias Tödt
Elizabeth Lee im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Bedeutende Kulturschätze digital zu erfassen - das ist das Ziel von CyArk. Bisher habe man 90 Kulturstätten digitalisiert, sagt Elizabeth Lee, Vize-Präsidentin der Organisation. Vor allem solche, die von Krieg, Terror oder Naturkatastrophen bedroht sind.
Terroristen und Extremisten haben es nicht nur auf Menschen abgesehen, sondern immer öfter gehört auch die Zerstörung von Kulturschätzen zu ihrer Kriegsführung. Vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika seien sehr viele Kulturstätten zerstört worden, sagt Elizabeth Lee, Vizepräsidentin der Non-Profit-Organisation CyArk.
Ziel ist die Digitalisierung von 500 Kulturstätten
"Gerade in den letzten sechs bis neun Monaten hat dieser Wettlauf gegen die Zeit doch dramatisch zugenommen", sagt Lee. 2013 hat sich CyArk zum Ziel gesetzt, 500 Kulturstätten digital zu erfassen und so zu bewahren. Bisher habe man 90 davon digital erhalten können.
Der wichtigste Faktor bei der Auswahl der Stätten sei natürlich das Risiko, dem diese ausgesetzt seien, sagt Lee. Aber auch deren Bedeutung spiele eine Rolle. Aus diesem Grund steht auch das Brandenburger Tor auf der Liste:
"Sicherlich ist das Brandenburger Tor weltweit sehr bedeutend und sehr beliebt, und es besitzt auch einen Symbolwert, nicht nur für die Stadt, sondern auch für das Land, eben als Symbol der deutschen Einheit."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Der Versuch des US-amerikanischen Laserpioniers Ben Kacyra, der mit seiner 3D-Technologie viel Geld verdient hat und nun das Weltkulturerbe digital sichern will. Immer wieder werden ja Kulturgüter von Terroristen gesprengt. Kacyra hat eine Non-Profit-Organisation gegründet, CyArk heißt sie, und mit deren Vizepräsidentin, mit Elizabeth Lee, habe ich vor unserer Sendung gesprochen, an dem Tag, an dem sie mit einer Konferenz, dem CyArk Summit, in Berlin Politiker und Denkmalschützer und Geldgeber auf das Thema aufmerksam machen wollen. Elizabeth Lee, was war der Auslöser für die Idee, Kulturerbe zu digitalisieren?
Elizabeth Lee: Ein Jahr, nachdem Ben Kacyra sein sehr florierendes Laserunternehmen verkauft hatte, gab es die Zerstörung der afghanischen Buddhastatuen in Bamiyan, und das war ein Ereignis, was ihn sehr aufgewühlt hat, und daraufhin hat er beschlossen, diese Technik eben auch für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Seitdem können Regierungen, aber auch Organisationen diese Technik mit ihm zusammen dafür nutzen, dass man das Weltkulturerbe digital sichern kann.
90 Stätten sind bereits digitalisiert
von Billerbeck: Vor zwei Jahren hat Ben Kacyra uns seine Organisation CyArk verkündet, innerhalb von fünf Jahren 500 dieser Stätten digital zu sichern. Wie weit sind Sie denn jetzt?
Lee: 2013 haben wir uns dieses Ziel gesetzt der 500 Stätten und wir haben jetzt sozusagen unseren zweiten Gipfel hier in Berlin, den wir in der kommenden Woche abhalten werden, und es sind 200 Vorschläge eingereicht worden, wovon etwa ein Drittel von unserem Vault, aber auch von den Leuten, die uns beratschlagen, akzeptiert worden sind, und bisher haben wir 90 Kulturstätten wirklich auch digital erhalten können.
von Billerbeck: Interessant ist ja, dass darunter auch Stätten sind, die man nicht gerade als vom Verfall bedroht einschätzen müsste, wie beispielsweise das Brandenburger Tor in Berlin. Wonach wählen Sie denn aus, was da digital gesichert wird?
Lee: Dabei spielen drei Faktoren eine Rolle, wobei der wichtigste Faktor natürlich das Risiko ist, in der sich diese Stätte befindet, beispielsweise können das Naturgewalten sein, wie Überfluten oder Erdbeben, solche Geschichten, aber sehr oft befinden sich solche Kulturstätten eben auch in Kriegsgebieten, ihnen droht die Zerstörung durch Krieg oder durch Terroristen. Der zweite Faktor ist dann die Bedeutung eines Standorts, und sicherlich ist das Brandenburger Tor weltweit sehr bedeutend und sehr beliebt, und es besitzt auch einen Symbolwert nicht nur für die Stadt, sondern auch für das Land als Symbol der Deutschen Einheit. Dann kommt auch der dritte Faktor dort zum Tragen, nämlich was wir mit der Technologie für die einzelnen Stätten erreichen können, und zum Beispiel im Falle des Brandenburger Tores, da kann man dann auch virtuelle Modelle kreieren, man kann anhand dieser virtuellen Modelle aber auch diverse Rekonstruktionsphasen, die dieses Bauwerk hatte, auch noch einmal darstellen.
In den letzten Monaten Zunahme der Zerstörungen
von Billerbeck: Wie erschreckend schnell Schätze der Menschheit verloren gehen können, das sehen wir ja gerade im syrischen Palmyra, wo die Terrorbanden des IS wüten und da große Zerstörung angerichtet haben. Fürchten Sie nicht auch, dass Ihnen die Zeit davonläuft?
Lee: Ja, gerade in den letzten sechs bis neun Monaten hat dieser Wettlauf mit der Zeit doch dramatisch zugenommen. Gerade im Nahen Osten, in Nordafrika, sind sehr viele Kulturstätten zerstört worden, manchmal durch sogenannten collateral damage, aber sehr viel öfter eben auch durch ganz bewusste Zerstörung von extremistischen Gruppen, die ganz bewusst gewisse Symbole und auch gewisse Historien damit zerstören wollten. Wir bemühen uns schon, in Gebiete vorzudringen, in denen ein Risiko herrscht, aber natürlich müssen das auch Gebiete sein, in denen noch kein Krieg ist. Dann arbeiten wir mit lokalen Regierungen zusammen, mit Experten, mit Wissenschaftlern und versuchen erst mal die Technik ins Land zu bringen, damit man diese Stätten dann auch digital sichern kann, und falls dann etwas geschieht, gibt es ja auch die Möglichkeit des Wiederaufbaus dank unserer Arbeit.
von Billerbeck: Das ist ja auch sicher nicht unschwierig, mit lokalen Behörden zusammen zu arbeiten, gerade wenn man sich in Kriegs- und Krisengebieten bewegt. Wie machen Sie das?
Lee: Es ist so, dass wir mit einer internationalen Organisation zusammenarbeiten, ???, die sich darauf versteht, dass Weltkulturerbe gesichert wird, dass Kulturstätten erhalten bleiben, und davon sind sehr viele Vertreter auch in diesen Krisenregionen nach wie vor vor Ort und leisten auch eine sehr wichtige Arbeit, trotz der Risiken, die sie damit eingehen, und über diese Vertreter dieser Organisation gelingt es uns dann auch, an Regierungsvertreter heranzugehen und mit ihnen zusammen zu arbeiten, das ist der Weg, den wir gehen.
Virtuelle Erfahrung manchmal besser als die reale
von Billerbeck: Der Gründer von CyArk, Ben Kacyra, hat ja erzählt als gebürtiger Iraker, dass er mit seinem Vater als Junge in das verfallene Ninive in der Nähe von Mossul besucht hat und dass ihn dieses Erlebnis sehr geprägt und bewegt hat. Wie kann aber so ein Erlebnis wie dieses in Ninive, was jemand als Kind gemacht hat, tatsächlich dann auch in einem Scan transportiert werden? Es ist ja doch etwas anderes, eine digitale Datei zu sehen, als ein tatsächliches Erlebnis eines Kunstwerkes zu haben.
Lee: Natürlich kann eine digitale Erfahrung niemals eine physische oder eine reale Erfahrung ersetzen, aber es ist ja auch so, dass wir es vielen Menschen ermöglichen, Stätte wenigstens virtuell zu besichtigen, die dort niemals hinreisen würden, beispielsweise haben wir doch jetzt einige Stätten auch im Irak virtuell aufgearbeitet, und der Irak ist nach wie vor nicht ein Land, in das man jetzt so ohne Weiteres reisen könnte. Dann kommt noch hinzu, dass sich die Technik ja immer weiter entwickelt und dass wir versuchen, unsere Daten soweit zu archivieren und soweit auch immer wieder zu erneuern, dass wir sie auch neuen Techniken zur Verfügung stellen können. Mittlerweile, die virtuelle Realität ermöglicht ja auch, dass man eine Art virtuelle Begehung machen kann, und das ist dann eine andere Erfahrung, die manchmal vielleicht sogar besser ist als die reale Erfahrung.
von Billerbeck: Elizabeth Lee war das, die Vizepräsidentin der Non-Profit-Organisation CyArk, gegründet vom 3D-Laserpionier Ben Kacyra. Jetzt findet in Berlin die Jahrestagung der Organisation statt, wo weiter Politiker und Personen des öffentlichen Lebens gewonnen werden wollen für dieses Projekt, Kunstwerke, Weltkulturerbe digital zu sichern. Herzlichen Dank für das Gespräch, das Jörg Taschmann übersetzt hat!
Lee: Thank you!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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