Wozu ist die Republica eigentlich gut?
Vor zehn Jahren kamen 700 Blogger, Internetaktivisten und Kreative zur ersten Republica in Berlin. Dieses Jahr waren es 8000. Es ist das größte Treffen dieser Art. Doch wozu braucht es eine Republica? Eine Spurensuche.
"Ich lerne gerade fliegen - ich bin in einer Fantasielandschaft, ich sehe verschiedene Bäume, jetzt fliege ich gerade durch Bäume."
Virtual Reality ist überall. Zumindest auf dieser zehnten Republica.
"Die Welt bewegt sich mit mir und ich schwinge nach oben, ein bisschen wie in einem schwingenden Luftballon."
An der Decke hing eine lange Schaukel, auf der sich Besucher mit einer schwarzen, klobigen Brille auf der Nase optisch ins Universum schwingen. Für die meisten sind die Virtual-Reality-Brillen noch etwas vollkommen Neues - auf dem Konferenzgelände gibt es nun einige Gelegenheiten, sie einmal auszutesten.
"So die Gadgets, die gehören halt auch schon dazu. Es wird ganz viel über Netzpolitik geredet, aber es war nie eine ganz unkommerzielle Angelegenheit."
Jens Ohlig, Softwareentwickler und Republica-Besucher der ersten Stunde. Er kennt die Republica fast von Anfang an. Mit 700 Besuchern in der Kalkscheune in Berlin-Mitte - bis heute in der Station in Berlin-Kreuzberg. Hier sind es mittlerweile 8000 geworden sind. In den Anfangsjahren, als man noch von einem Klassentreffen der Netzgemeinde sprechen konnte, war die Republica ein Ort von Experten, sagt er. Damals seien noch Politiker gekommen und hätten sich Rat geholt. Das habe sich geändert, sagt Ohlig. Das Nischenthema "Internet" sei zu einem Querschnittsthema geworden:
"Jetzt ist es halt ein bisschen unsinnig, überhaupt von Netzpolitik zu reden, weil es ist halt Gesellschaftspolitik. Die Frage, wie wollen wir Zugriff haben, wie wollen wir Bildung organisieren und solche Sachen. Und dass das mit dem Internet 2016 passiert, muss man eigentlich nicht mehr dazu sagen. Es ist fast ein bisschen retro zu sagen, wir machen Netzpolitik."
Republica: Wieder lernen, kritisch mit Technik umzugehen
Wo ist sie also hin, die Kernkompetenz der Republica? Ist es bei dem "Querschnittsthema Internet" überhaupt noch möglich, Schwerpunkte zu setzen, sich als Konferenz zu positionieren?
Die Zahl der Bühnen ist auf 17 angewachsen, dieses Jahr ist sogar ein neuer Hof hinzugekommen. Ein Ort zum Ausspannen, mit Bar, Liegestühlen und einer Menge schwarzer Matratzen, auf denen Menschen in der Sonne dösen. Hier sitzt auch Maria Reimer - sie hat das Förderprogramm "Jugend hackt" gegründet und ist mit einer klaren Botschaft auf die Republica gekommen:
"Ich habe in meinem Talk kritisiert, dass Hacken eine ehemals sehr kritische Tätigkeit war. Heute sind Hacker in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr diejenigen, die einen kritischen und konstruktiven Beitrag zu Gesellschaft leisten, sondern Leute, die Daten stehlen und hinter Gitter gehören oder die einen neuen Weg mit Technologie gefunden haben und daraus ein Start-up gründen und reich werden und dann dadurch dieser Ansatz des kritischen, mündigen Technologieanwenders verloren gegangen ist."
Reimer wünscht sich eine gesamtgesellschaftliche Rückbesinnung auf die Hackerethik. Man müsse lernen, kritisch mit Technik umzugehen, anstatt sie wie gottgegeben anzunehmen oder zu verdammen. Um mit Menschen aus anderen Branchen ins Gespräch über ihre Themen zu kommen, sei die Republica noch immer der richtige Ort.
"Das geht nicht direkt in die Gesetze, was hier besprochen wird, und es ist nicht so, dass sich die Republica ein politisches Thema gibt, dass dann die nächsten fünf Monate in den Nachrichten ist, aber die Dinge werden hier im Kleinen besprochen."
Der Weg zurück in den berühmt gewordenen Innenhof des alten Postbahnhofs führt einmal quer über das gesamte Gelände. Jens Ohlig braucht für den Weg eine halbe Stunde, sagt er. Überall bekannte Gesichter:
"Das hier sind die Open-Knowledge-Aktivisten."
"Nein, ich will nicht mit dir über dein Shampoo reden."
Zum 10. Geburtstag feiert die Republica sich selbst
Ein paar Schritte weiter steht der Blogger und Autor Michael Seeman. Noch ein Vertreter der alten Garde, die von der Republica in Wir-Form sprechen. Er hat grad eine Portion Pommes ergattert. Seemann findet, die Message der Republica, sei die Republica selbst.
"Denn, hier sind alle da um sich selbst zu feiern und das war zwar immer so, aber diesmal ist es das explizite Motto."
Das TEN wie Zehn, sieht im Spiegel aus wie NET. Die alte Netzgemeinde habe dem Internet auf der Republica die Relevanz im öffentlichen Diskurs und in der Politik gegeben, die es verdient, sagt er. Das Paradoxe: Gerade weil das Netz so wichtig geworden ist, dass es alle Lebensbereiche durchzieht, scheint sich das Anliegen der Republica auf den ersten Blick in Luft aufgelöst zu haben. Die vernetzte Kommunikation ist Realität geworden. Auf der Strecke geblieben ist der Traum von einem offenen und freien Internet.
Michael Seemann: "Ich glaube, der politische Fokus hat sich verändert hin zu einer mehr realistischen Bewertung. Weil, die Realität hat unsere Utopie eingeholt. Jetzt schauen wir auf diese Realität und jetzt schauen wir auf die Schlaglöcher, die diese Realität hat. Früher haben wir über die Straße diskutiert, jetzt diskutieren wir über die Schlaglöcher."
Überwachung, Verschlüsselung, Freie Lizenzen. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und digitale Bildung - die Schlaglöcher, über die geredet werden muss, haben auf der Republica noch immer einen prominenten Platz. Immer mehr Themen aber weichen auf eigene Konferenzen aus. Morgen beginnt die Performersion - eine Art Anschluss-Konferenz, auf der Künstler und Programmierer die Grenzen der Performance Kunst mit Virtual-Reality-Technologien verschieben. Mitte Mai findet mit der Tincon eine Republica für Jugendliche statt. Sollte es die Mutterkonferenz in zehn Jahren auch noch geben, sagt Ohlig - dann werden die auf jeden Fall eine Rolle spielen:
"Die werden dann halt eingeflogen, hier auf die Republica. Um uns, die wir dann ergraut sind zu erklären, wie das mit dem neuen Social-Media-Dienst dann funktioniert."