DIHK-Präsident: Erbschaftssteuer für Firmen abschaffen
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, hat für die Zeit nach der Bundestagswahl ein "Bündnis für Reformen" angeregt. Es sei wichtig, dass Positionen miteinander ausgetauscht würden.
Deutschlandradio Kultur: Kurz vor der Bundestagswahl fordern Sie als DIHK-Präsident mehr Netto vom Brutto. Herr Driftmann, machen Sie jetzt Wahlkampf für die FDP?
Hans Heinrich Driftmann: Nein, das hat damit auch gar nichts zu tun. Der Spruch ist platt, aber er trifft eigentlich den Punkt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungsträger in unserer Gesellschaft Anreize bekommen, mehr zu tun, mehr zu arbeiten, mehr für besteuerbare Gewinne zu sorgen. Und auch die Löhne und Gehälter der Facharbeiter, derjenigen, die die Leistung in diesem Lande tragen, müssen wieder zum Anreizsystem werden, damit die Wirtschaft wächst. Ohne Wirtschaftswachstum kommen wir nicht aus dieser Krise raus. Und deswegen muss bei aller Berechtigung des Sparens an allen Ecken und Enden die Leistungsbereitschaft herausgefordert werden, damit das Wirtschaftswachstum in nennenswertem Umfang wieder stattfindet.
Deutschlandradio Kultur: Also, Arbeit muss sich wieder lohnen, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Hans Heinrich Driftmann: Arbeit muss sich ohne Zweifel wieder lohnen. Es gibt eine gewaltige Diskrepanz zwischen den Personalkosten, die die Unternehmen haben, und das, was die Mitarbeiter im Geldbeutel vorfinden. Und diese Lücke muss stärker geschlossen werden.
Deutschlandradio Kultur: Dann ist es ja so, dass der Niedriglohnsektor Ihnen eigentlich ein Dorn im Auge sein muss? Das heißt, Sie könnten ja dann auch flächendeckend Mindestlöhne fordern.
Hans Heinrich Driftmann: Das werden wir ganz sicher nicht tun. Denn das ist eine Hürde, gerade für Berufsanfänger, eine Hürde für Startup-Unternehmen und eine Hürde für Minderqualifizierte. Die müssen wir schließlich auch mitnehmen. Die können nicht alle zu Sozialfällen werden. Die müssen arbeiten dürfen und arbeiten können, ohne dass sie gleich einen Riesenkostenblock verursachen.
Deutschlandradio Kultur: Also bleiben wir noch mal bei mehr Netto vom Brutto, mehr Lohn in der Tüte. Dagegen hat eigentlich niemand was. Stellt sich aber trotzdem die Frage: Wie soll das denn finanziert werden? Sie sagen: mehr Wachstum. Wie groß muss das Wachstum sein, damit tatsächlich die Arbeitnehmer wieder mehr Netto für Brutto haben?
Hans Heinrich Driftmann: Das lässt sich eindimensional gar nicht erklären, weil es von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Tatsache ist nur, dass wir die Leistungsträger entlasten müssen, einfach um sie zu motivieren. Wenn wir das nicht tun, dann wird es eine Bunkerhaltung geben. Dann wird jeder das Notwendige zwar tun, aber er wird nicht angeregt werden, besonders kreativ zu sein, besonders dynamisch zu sein, besonders flexibel zu sein.
Deutschlandradio Kultur: Aber jeder Bundesfinanzminister, auch nach der Bundestagswahl, wird Ihnen sagen: Gut gebrüllt, aber wir können es nicht finanzieren. Und wenn Sie es finanzieren wollen, dann sagen Sie mir mal, wie Sie es machen wollen.
Hans Heinrich Driftmann: Wir sind gerne bereit, hier zu einer Veranstaltung einzuladen und unsere Überlegungen darzulegen. Selbstverständlich gehört Politikberatung auch zu unserem Geschäft. Und ich rege an, dass es ohnehin zu einer Runde kommt, zu einem "Bündnis für Reformen", in dem wir dann diese Fragen besprechen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie ein "Bündnis für Reformen" fordern, ist das dann nicht wieder ein Schritt zurück in die rot-grüne Zeit. Wir hatten damals ein Bündnis für Arbeit. Richtig funktioniert hat das auch nicht.
Hans Heinrich Driftmann: Es kommt darauf an, dass wir unsere Positionen austauschen. Ich sage Ihnen als DIHK-Präsident, dass ja nicht alles, was der DGB vorträgt, falsch ist. Wir müssen aufeinander zugehen. Wir müssen die Informationen zusammentragen. Wir müssen auch Positionen aufeinander zu bewegen. Das kann auch die Politik nicht ganz alleine. Natürlich kann man viele Kompetenzen in Ministerien bündeln, aber nicht alle. Die Dinge müssen zusammengetragen werden. Man muss gegenseitig Verständnis wecken. Dann werden wir sicher einiges in dieser Republik noch bewegen können.
Deutschlandradio Kultur: Aber Rot-Grün hat es doch versucht. Gerhard Schröder hat es versucht mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitgebern. Und Olaf Henkel - damals BDI-Chef - sagte: Am Schluss war eigentlich gar nichts. Wir hätten eher Reformen verschleppt mit diesen Bündnissen, als dass wir was vorangetrieben hätten. Warum dieses Bündnis?
Hans Heinrich Driftmann: Einfach, um die Kräfte in diesem Lande stärker zu bündeln. Ich weise darauf hin, dass ein Misserfolg, wenn man ihn denn konstatieren will, auf Vorgängerveranstaltungen natürlich auch davon abhing, welche Personen damit befasst waren.
Deutschlandradio Kultur: Sind die Personen jetzt kompetenter als damals?
Hans Heinrich Driftmann: Nein, sie sind vor allen Dingen stärker bereit, aufeinander zu hören und miteinander zu arbeiten. Ich habe ja Herrn Schröder auch kennen gelernt als Bundeskanzler. Eine Zusammenarbeit war sehr, sehr schwierig, weil er ja immer mit der Attitüde auftrat, die Dinge besser zu wissen als alle anderen.
Deutschlandradio Kultur: Was müsste denn hinten rauskommen nach so einem Bündnis, das Sie einklagen oder das Sie sich wünschen? Wäre das beispielsweise ein transparentes einfaches Steuersystem? Wäre das ein Ergebnis, was dieser Republik helfen könnte und dem Aufschwung auch?
Hans Heinrich Driftmann: Wir brauchen in der Tat ein transparentes einfacheres Steuersystem. Ich wünsch mir seit vielen Jahren, die Steuererklärung, die ich unterschreiben muss, auch zu verstehen. Möglicherweise könnte ich das sogar, aber dann dürfte ich mich nur noch mit der Steuererklärung befassen und keine Geschäfte mehr abschließen. Hier müssen wir vorankommen.
Aber es gibt auch viele andere Gebiete, auf denen wir etwas bewegen können, wenn wir denn Konsens erzielen. Am Ende einer solchen Veranstaltung muss natürlich eine Strategie stehen, die letztlich von der Bundesregierung zu erarbeiten wäre, in die wir uns aber einbringen können - in der Konstruktion und nachher auch in der Umsetzung. Die ganze Kammerorganisation besteht ja auch nicht zuletzt deshalb, weil wir die Politik nicht nur beraten, sondern das, was dort dann als richtig beschlossen wird, helfen in den Regionen umzusetzen.
Deutschlandradio Kultur: Wir reden über Weltwirtschaftsgipfel. Wir versuchen den Kapitalismus weltweit zu bändigen. Jetzt kommen Sie mit einem Bündnis für Reformen auf nationaler Ebene, das sicherlich Aufgaben hat - aber welche?
Hans Heinrich Driftmann: Vor allen Dingen den Austausch von Informationen, den Austausch von fachlicher Kompetenz und natürlich auch die Abstimmung international. Unsere Auslandshandelskammerorganisation, die wir einzubringen haben, verfügt über eine Vielzahl sehr konkreter Informationen, verfügt über die Möglichkeiten, in die Wirtschaftsentwicklung ganz anderer Volkswirtschaften einzusteigen, sich zu informieren. Das kann in so konkreter Weise etwa der Handelsattaché einer Botschaft nicht.
Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns noch mal zurückkommen zu Ihrer Forderung nach einem einfachen Steuersystem. Wenn Sie sagen, es soll transparent sein und es soll einfach sein, kann es denn auch gerecht sein?
Hans Heinrich Driftmann: Absolute Gerechtigkeit gibt es ebenso wenig, wie absolute Sicherheit. Aber wir können natürlich ein System schaffen, das hinreichend gerecht ist, aber so einfach, dass es der Steuerpflichtige auch noch versteht. Dann ist die Motivation zur Steuergerechtigkeit, aber auch zur Steuerehrlichkeit viel größer. Und das möchten wir erreichen.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt sind Sie ja seit 25 Jahren auch CDU-Mitglied. Bedauern Sie es denn dann, dass Leute, die ein einfaches Steuersystem vorgeschlagen haben, wie zum Beispiel Friedrich Merz oder Paul Kirchhof, dass die jetzt gar keine Rolle mehr spielen?
Hans Heinrich Driftmann: Ich bedaure das lebhaft.
Deutschlandradio Kultur: Eine versteckte Kritik zumindest an der Arbeit der schwarz-roten Regierung, auch an der Kanzlerin?
Hans Heinrich Driftmann: Dass die Wirtschaft sich an der einen oder anderen Stelle mehr gewünscht hätte, liegt auf der Hand. Andererseits sage ich noch mal ausdrücklich: Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist durch das rechtzeitige Engagement der Bundesregierung durchaus entschärft worden. Viele Dinge, die sehr zügig eingeleitet worden sind, weisen auf die Führungskompetenz der Bundeskanzlerin hin. Das will ich nicht klein reden. Ich bin mit dem, was im Zusammenhang mit der Krise eingeleitet worden ist - bis auf zwei Ausnahmen - sehr wohl zufrieden.
Deutschlandradio Kultur: Reden Sie jetzt eigentlich als Privatmann, als CDU-Politiker oder als DIHK-Präsident? Da vertreten Sie 3,6 Millionen Unternehmen, Betriebe, wo man sich die Frage stellt, wie kann man überhaupt da die Interessen bündeln.
Hans Heinrich Driftmann: Das ist eben das große Spezifikum der Kammerorganisation, dass wir für fast alle Branchen und für alle Unternehmensgrößen und Konstruktionen zuständig sind. Man kann das, weil es so große Schnittmengen gibt und auch große Kongruenzen auch an Interessen, dass das mit Kompetenz wahrgenommen werden kann.
Deutschlandradio Kultur: Das müssen Sie noch mal deutlich machen. Nehmen wir mal ein großes Unternehmen wie Siemens und einen kleinen Kiosk-Besitzer. Beide sind in der IHK drin. Beide haben Interessen, möglicherweise sehr unterschiedliche. Wie arbeiten Sie da? Wie können Sie da eine gemeinsame Lösung finden und dann gegenüber der Politik auch die Interessen der Unternehmer vertreten?
Hans Heinrich Driftmann: Grundsätzlich gilt: One company, one vote. Der Kiosk-Besitzer hat den gleichen Anspruch wie der Vorstand eines DAX-Unternehmens, seine Position deutlich zu machen und seine Interessen zu formulieren. Wir können nur das vertreten, was im Gesamtinteresse ist.
Deutschlandradio Kultur: Aber manche Interessen fallen doch dann hintüber, wie zum Beispiel die eines Kiosk-Besitzers.
Hans Heinrich Driftmann: Es ist seltener, dass die Interessen eines Kiosk-Besitzers geschmälert werden, als dass wir Großunternehmen bitten müssen, von bestimmten Standpunkten zurückzutreten oder sie zu mildern.
Deutschlandradio Kultur: Der größte gemeinsame Nenner wäre möglicherweise für alle Unternehmen, dass sie sagen, wir zahlen weniger Steuern. Das hilft Großunternehmen wie kleinen Kiosk-Besitzern. Wenn wir das machen wollen, dann bekommen wir einen zusätzlichen Schuldenberg beim Bund, wie bei den Ländern, den man eigentlich in der Zeit, in der wir uns befinden, überhaupt nicht verkraften kann. Oder können wir uns noch mal ein paar Milliarden mehr Schulden leisten, weil es ohnehin egal ist?
Hans Heinrich Driftmann: Auf den ersten Blick scheint das so zu sein. Es ist aber nicht richtig. Es ist auch volkswirtschaftlich längst nachgewiesen, dass man durch Ankurbelung der Konjunktur, dass man durch deutliches Wirtschaftswachstum, gepaart mit Einsparungen etwa in der öffentlichen Verwaltung dadurch, dass man Aufgaben reduziert, dass man einfachere Gesetze schafft, dass man einen Gesetzes-TÜV einführt, viele Dinge verschlankt, also auf der einen Seite Geld spart, auf der anderen Seite die Konjunktur anreizt, Wirtschaftswachstum fördert. Beides zusammen bringt eine vernünftige Auffüllung der öffentlichen Kassen, führt zu Haushaltskonsolidierung. Wirtschaftswachstum erzielt man nicht durch Steuererhöhungen, sondern dadurch, dass man gezielt und mit aller Vernunft Anreize schafft - auch für die Wirtschaft.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie von Wachstum sprechen und man die Äußerungen des Bundesbankpräsidenten sieht, von Axel Weber, der sagt, "ein selbsttragender Aufschwung ist trotz Konjunkturerholung nicht in Sicht", die EZB erwartet für 2010 ein kleines Wachstum für den Euroraum von sagen wir mal durchschnittlich 0,2 Prozent. Frühestens 2013 werden wir wieder das Niveau von heute erreichen, was sagen Sie dazu?
Hans Heinrich Driftmann: Alle diese Prognosen gehen von unveränderten Rahmenbedingungen aus. Ich plädiere dafür, die Rahmenbedingungen anzupassen und zu verbessern. Dann werden wir sicher vieles schneller erreichen können.
Es geht immer um die Dualität, auf der einen Seite Kosten einzusparen, auf der anderen Seite das Auffüllen der Haushalte zu verbessern und zu beschleunigen. Nur im Doppelpack kann so etwas in vernünftiger Weise gelingen. Ich sage auch nicht, quer durch die Last Steuern reduzieren, sondern sehr genau zu überprüfen, an welcher Stelle müssen wir welche Maßnahme treffen, um eben diese notwendigen Anreize zu liefern.
Deutschlandradio Kultur: So ein kleines bisschen konkreter hätten wir es schon gern. Sie haben ja auch einen Vorschlag gemacht. Sie sagen beispielsweise, die Sozialausgaben bei den Lohnnebenkosten müssen zu einem größeren Teil über Steuern finanziert werden.
Hans Heinrich Driftmann: Es wäre natürlich eine Entlastung, sowohl von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, wenn wir einen Teil der bisherigen Sozialabgaben über Steuern finanzieren würden oder durch Steuern ersetzen würden. Aber auch das muss richtig kalibriert werden.
Deutschlandradio Kultur: Was muss raus aus den Lohnnebenkosten? Was muss über Steuer finanziert werden?
Hans Heinrich Driftmann: Ich weigere mich, vor einer entsprechenden Analyse hier konkreter zu werden. Wir haben sicher eine ganze Reihe von Vorschlägen, die wir da machen können.
Deutschlandradio Kultur: Nennen Sie doch ein Beispiel.
Hans Heinrich Driftmann: Bezogen auf das Gesundheitswesen zum Beispiel, da ist ein Feld, das müssen wir uns sehr genau überlegen, ob es so weitergehen kann. Die Vorschläge der Frau Gesundheitsministerin machen ja nach wie vor Probleme, greifen nicht so richtig. Wir müssen nur – wie gesagt – systemisch denken. Es hat keinen Sinn jetzt zu sagen, wir reduzieren an der einen oder anderen Stelle Abgaben, aber das System, das dahinter steht, ist damit gar nicht kompatibel.
Deutschlandradio Kultur: In der besten aller Welten - wie sähe denn Ihrer Meinung ein gutes Gesundheitssystem dann aus?
Hans Heinrich Driftmann: Wenn ich Ihnen das jetzt in der zur Verfügung stehenden Zeit auch nur skizzieren wollte, wäre ich nobelpreisverdächtig.
Deutschlandradio Kultur: Aber wir können ja ein Beispiel nehmen - Krankenversicherung. Die Opposition, in dem Fall die Grünen, sagt, wir hätten gern ein Bürgergeld. Damit sind die Lohnnebenkosten möglicherweise auch etwas günstiger.
Hans Heinrich Driftmann: Ich bin sehr dafür, den Faktor Arbeit günstiger zu machen. Ich glaube auch, dass wir darum nicht herum kommen. Ob dieses Modell nun trägt, ist gar nicht richtig durchgerechnet. Wir müssen die Dinge schon zu Ende denken. Welche Nebenwirkungen sind da? Wir müssen tatsächlich nach der Wahl einen Kassensturz machen und die Dinge wirklich bis zum tz ausrechnen.
Deutschlandradio Kultur: Ja wir können ein zweites Beispiel nehmen - Arbeitslosenversicherung. Da könnte man auch sagen: Alle versicherungsfremden Leistungen raus, die muss der Steuerzahler insgesamt übernehmen, damit der Faktor Arbeit günstiger wird. Ist das die Position, die Sie vertreten?
Hans Heinrich Driftmann: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, ob ich diese Position vertreten werde. In diese Richtung denken wir sehr wohl. Aber auch hier steht vor der Entscheidung eine Untersuchung.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn Sie es über Steuern finanzieren wollten, dann würde das ja auch wieder Steuererhöhungen bedeuten.
Hans Heinrich Driftmann: Nein, nicht zwangsläufig. Ich habe ja versucht Ihnen deutlich zu machen, was wir tun können, um zu einer Entlastung zu kommen, zu einer Entlastung der Leistungsträger, die dann wiederum zur Verbesserung der Ertragslage des Staates führen würde. Das muss man alles im Kontext sehen. Man muss das im Zusammenhang beurteilen. Wir greifen jetzt hier, was ich verstehen kann, bestimmte Dinge heraus. Nur man darf sie nicht alleine sehen. Man muss sie im Gesamtzusammenhang sehen. Sie sind nur Faktoren eines in sich geschlossenen Systems. Und das müssen wir konstruieren.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt wünschen sich natürlich alle, dass der Aufschwung stattfindet. Es gibt erste Indikatoren, dass das stattfinden könnte. Nur sagen viele, aufgrund der restriktiven Geldpolitik der Banken läuft es nicht so, wie es eigentlich laufen sollte. Erleben Sie das als Unternehmer auch, dass es im Moment schwer ist an Geld zu kommen, um mögliche Engpässe zu überbrücken, obwohl eigentlich genügend Geld da ist?
Hans Heinrich Driftmann: Als Unternehmer spüre ich es nicht. Ich weiß auch von entsprechenden Erhebungen, die wir gemacht haben, dass es eine flächendeckende Kreditklemme zurzeit noch nicht gibt. Ich weiß aber, dass viele Unternehmen - und leider gerade die Mittelständler - das eine oder andere Problem haben an Kredite zu kommen, weil Sicherheiten zum Beispiel anders bewertet, abgewertet werden. Es kommen Spezialitäten hinzu, Sonderprobleme in einzelnen Regionen, zum Beispiel dass bestimmte Unternehmen Geschäftsimmobilien als Sicherheit bieten, die werden dann plötzlich unter Denkmalschutz gestellt und sind als Sicherheiten nichts mehr wert. Ganze Unternehmensfinanzierungen geraten plötzlich ins Rutschen. Aber das sind Marginalien.
Insgesamt besteht die Gefahr, dass die Schwierigkeiten bei der Kreditgewährung zunehmen. Das hat etwas damit zu tun, dass natürlich Basel II in der Welt ist und auch eine Sinnhaftigkeit hat. Es ist ja durchaus ein in sich vernünftiges System. Nur es ist konstruiert worden in Zeiten eines normalen Konjunkturzyklus. Wir sind aber jetzt nicht in einer normalen Zeit, sondern wir stecken in der Krise. Das heißt, die mit Basel II verbundenen Ratingkriterien müssen sinnvoll angepasst werden. Es hilft nicht viel, die letzten paar Jahre zu raten, um dann zu sagen, hier ist Bonität gegeben und hier nicht. Sondern was jetzt zählt, sind vernünftige Zukunftsprojektionen. Stimmt das Geschäftsmodell? Ist das Management in der Lage, dieses Geschäftsmodell zu bewegen, auszubauen? Stimmen die Kapazitäten? Ist die Marktlage so, dass man erfolgreich sein kann? Ich plädiere also mehr für Kopf und weniger für Maschine bei den Banken. Dann, denke ich, werden wir diese Klippen der Kreditgewährung ganz gut umschiffen können.
Deutschlandradio Kultur: Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es mittlerweile Unternehmen, die müssen ihre Bilanzen der letzten Monate vorlegen, die nicht unbedingt schön sind, weil wir in diese Finanzkrise gekommen sind. Und aufgrund dessen bekommen sie nicht die Kredite, die sie haben wollen. Sie fordern eine völlig andere Bewertung bei der Vergabe von Krediten?
Hans Heinrich Driftmann: Also wir müssen ohne Zweifel natürlich auch anschauen, wie ist dieses Unternehmen aufgestellt. Was haben die eigentlich die letzten Jahre gemacht? Aber das darf nicht den besonderen Akzent haben, der ausschlaggebend wird für die weitere Kreditgewährung. Hinzukommen müssen eben Bewertungen von Zukunftsprojektionen. Das ist schwer. Das hört sich einfacher an, als es ist, weil natürlich Banker dann nicht nur über Bankprodukte Bescheid wissen müssen, sondern sich auch in den Märkten auskennen müssen von Unternehmen, denen Sie gegebenenfalls Kredite gewähren müssen. Also, da ist eine Menge Know-how erforderlich. Auch das sind so Felder, an denen wir erst noch arbeiten müssen. Die können wir nicht durch Fingerschnippen von jetzt auf sofort in Ordnung bringen, klären und zum Erfolg führen.
Deutschlandradio Kultur: Wie wollen Sie denn die Banken zu einem anderen Verhalten zwingen dann?
Hans Heinrich Driftmann: Ich will zunächst mal gar nicht zwingen. Die Banken wissen natürlich, wo ihre Zukunft liegt. Cayman Islands ist oder sollte out sein. Bestimmte Produkte, die sowieso früher keiner verstanden hat, aber mit denen gehandelt wurde, sind auch out. Was aber in ist, das sind Firmenfinanzierungen. Die Banken sind darauf angewiesen, dass es die Realwirtschaft weiter gibt. Die Banken brauchen die Realwirtschaft als Partner, also sollten sie sich doch Gedanken darüber machen, wie man den Bestand an Unternehmen, an gesunden Unternehmen auch erhalten kann.
Deutschlandradio Kultur: Wäre das denn auch ein Thema für Ihr Bündnis für Reformen?
Hans Heinrich Driftmann: Das ist in der Tat eines der wesentlichen Themen, um das hinzukriegen. Wobei ich sagen muss, es hat ja auf meine Einladung hin zwei Spitzentreffen auch mit dem Bundesfinanzminister und mit dem Bundeswirtschaftsminister beziehungsweise seinem Staatssekretär gegeben. Hier ist schon einiges an Verständnis geweckt worden. Nur wir müssen das Ganze jetzt auch einfügen in einen etwas größeren Rahmen. Und ich sage Ihnen auch ganz offen: Es ist gut, wenn sich die Finanzwirtschaft und die Realwirtschaft mit der Regierung trifft, aber auch unsere Mitarbeiter wollen sich vertreten sehen. Insofern gehören Gewerkschaften mit dazu. Und die müssen eingebunden werden und auch mit in die Pflicht genommen werden.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt hat die Politik in den letzten Jahren versucht durchaus Unternehmen zu entlasten. Nehmen wir mal das Beispiel Vererbung von firmeneigenem Vermögen, diese Erbschaftssteuerreform. Mit der sind Sie nicht glücklich, obwohl man doch eigentlich sagen könnte: Wer sein Unternehmen hält, und längerfristig hält, wird steuerbefreit, wer es kurz nach dem Erbe verkauft, müsste es eigentlich auch versteuern -- wäre mehr als fair. Trotzdem gefällt Ihnen die ganze Konstruktion nicht so richtig.
Hans Heinrich Driftmann: Weil sie leider realitätsfern ist.
Deutschlandradio Kultur: Warum denn?
Hans Heinrich Driftmann: Wir sind zum Beispiel jetzt in der aktuellen Situation krisenhaften Erscheinungen ausgesetzt. Alle diejenigen, die als Unternehmer ihre Pflicht tun und mit Kurzarbeit umgehen, werden merken, dass die Lohnsumme schon nicht mehr stimmt. Wenn der Erbfall eintritt, werden sie zur Kasse gebeten. Zweite Sache: Wenn der Erbfall eintritt, etwa in einem familiengeführten mittelständischen Unternehmen, das sind die Unternehmen, auf die wir in der Krise jetzt besonders angewiesen sind, dann hat das ja den Effekt, dass nun nicht alle Gesellschafter aus der Familie zur selben Zeit sterben. Das heißt, die Überwachung durch die Finanzbehörde läuft dann nicht nur zehn Jahre, sondern setzt mitten drin unter Umständen, wenn ein weiterer Erbfall eintritt, wieder ein. Das heißt, ein Großteil der Unternehmen, die davon betroffen sind, wird die Überwachung durch irgendeine konstruierte Administration nie wieder los.
Deutschlandradio Kultur: Aber grundsätzlich sind sie doch entlastet worden durch dieses Gesetz - die Unternehmen hier in Deutschland.
Hans Heinrich Driftmann: Die Unternehmen sind durch die Unternehmenssteuerreform auf der einen Seite entlastet worden, auf der andere Seite sind sie aber zusätzlich belastet worden. Wenn Sie nur daran denken, dass zum Beispiel Kosten besteuert werden, was ja von der Steuerlogik her schon völlig abstrus ist. Dann haben wir auf der einen Seite die Situation, dass etwa große Industrieunternehmen durchaus eine Entlastung spüren, dass aber alle die wichtigen Handelsunternehmen, die Ladenmiete bezahlen müssen, die eine Menge von Kosten haben, die entstehen - auch Leasinggebühren und Ähnliches – die entstehen, auch wenn gar keine Gewinne da sind, die haben es da in der Krise mit einem Brandbeschleuniger zu tun.
Deutschlandradio Kultur: Aber da könnte man doch Ausnahmeregelungen finden in der Krise. Deutschlandfond - ein Beispiel. Firmen, die in die Krise geraten sind wegen Finanzierungsschwierigkeiten, die sind dann ausgenommen und können in Ruhe versuchen, wieder in gutes Fahrwasser zu kommen. Oder wollen Sie das ganze Gesetz kippen und sagen, wir wollen einfach als Unternehmen keine Erbschaftssteuer für Unternehmen bezahlen?
Hans Heinrich Driftmann: Das Beste wäre ganz ohne Zweifel, wenn wir uns am österreichischen Beispiel orientieren würden, wir würden die Erbschaftssteuer abschaffen. Das, was sie bringt, wird im weit überwiegenden Teil durch die überbordende Administration längst aufgefressen.
Deutschlandradio Kultur: Der Bundesfinanzminister wird Ihnen wahrscheinlich entgegnen: So richtig stimmt das nicht. Ein paar Milliarden sind das schon.
Hans Heinrich Driftmann: Der Bundesfinanzminister hat da überhaupt keine Interessen. Dies ist eine Ländersteuer. Das interessiert ihn weiter gar nicht. Die Länder sind es eher, die sagen, wir können auf die Steuer nicht verzichten. Da gäbe es aber andere Möglichkeit, die Länder steuerlich zu begünstigen, um das auszugleichen. Es gibt andere Steuerarten, die man da heranziehen könnte.
Deutschlandradio Kultur: Beispiel?
Hans Heinrich Driftmann: Ganz unterschiedliche, ich möchte mich da jetzt nicht festlegen. Es hat keinen Sinn, hier Rosinenpickerei zu betreiben. Das Ganze muss ein Gesamtsystem werden. Und deswegen verbietet es sich, jetzt einzelne Dinge herauszugreifen.
Ich sage nur so viel: Es gibt Entlastungsmöglichkeiten auch für die Länder. Es ist nicht notwendig, eine in sich nicht logische Steuerart zu halten, nur um des Prinzips willen oder, wie ich unterstelle, um ein fiktives Gerechtigkeitsempfinden zu streicheln. Das ist nicht erforderlich.
Deutschlandradio Kultur: Herr Driftmann, jetzt sind Sie ja auch Chef eines mittelständischen Familienunternehmens. In sechster Generation wird das geführt. Sie haben gesagt: Man denkt in Generationen bei Ihnen und nicht in Geschäftsjahren. Wie ist denn bei Ihnen jetzt die Nachfolge geregelt?
Hans Heinrich Driftmann: Die Nachfolge ist natürlich geregelt. Ich habe, wenn Sie nur auf mich zielen, vier Kinder, sechs Enkel. Da ist gar keine Not.
Deutschlandradio Kultur: Ist denn eigentlich dieses Familienunternehmen in sechster Generation, das in Generationen und nicht in Geschäftsjahren denkt, genau das Gegenmodell zu Landesbanken, die in Zweimonatsabständen versuchen Geld zu gewinnen, nicht ne völlig andere Welt?
Hans Heinrich Driftmann: Ja.
Deutschlandradio Kultur: Sie selbst waren aber mal Aufsichtsratsmitglied bei der HSH-Nordbank, die es nicht einfach hat. Wie haben Sie diese zwei Welten zusammengekriegt? Einerseits dieses Traditionsunternehmen Köllnflocken, andererseits diese Bank, die möglicherweise Geschäfte macht, wo Sie sagen, ich müsste eigentlich da raus gehen, das kann man gar nicht so machen.
Hans Heinrich Driftmann: Ich habe das Problem, dass ich nach Recht und Gesetz ich Ihnen über Interna der Bank nichts sagen darf. Und ich halte mich an Recht und Gesetz. Nur ganz unabhängig davon sage ich Ihnen: Es gibt nicht nur eine Spezialisierung auf Seiten des Vorstandes, sondern natürlich auch auf Seiten des Aufsichtsrats. Ich bin gebeten worden von der Landesregierung einen Sitz wahrzunehmen, um dafür zu sorgen, dass die mittelständische Wirtschaft in Schleswig-Holstein keine Probleme hat, an Investitions- und Betriebsmittelkredite heranzukommen.
Deutschlandradio Kultur: Aber genau die Probleme hat sie ja jetzt.
Hans Heinrich Driftmann: Ich habe während meiner ganzen Zeit damit nie Schwierigkeiten gehabt.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben nie Magenkrämpfe bekommen bei irgendwelchen Entscheidungen und gesagt, jetzt muss ich unbedingt eine Haferschleimsuppe essen, damit es mir wieder besser geht?
Hans Heinrich Driftmann: Kein Kommentar.
Hans Heinrich Driftmann: Nein, das hat damit auch gar nichts zu tun. Der Spruch ist platt, aber er trifft eigentlich den Punkt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungsträger in unserer Gesellschaft Anreize bekommen, mehr zu tun, mehr zu arbeiten, mehr für besteuerbare Gewinne zu sorgen. Und auch die Löhne und Gehälter der Facharbeiter, derjenigen, die die Leistung in diesem Lande tragen, müssen wieder zum Anreizsystem werden, damit die Wirtschaft wächst. Ohne Wirtschaftswachstum kommen wir nicht aus dieser Krise raus. Und deswegen muss bei aller Berechtigung des Sparens an allen Ecken und Enden die Leistungsbereitschaft herausgefordert werden, damit das Wirtschaftswachstum in nennenswertem Umfang wieder stattfindet.
Deutschlandradio Kultur: Also, Arbeit muss sich wieder lohnen, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Hans Heinrich Driftmann: Arbeit muss sich ohne Zweifel wieder lohnen. Es gibt eine gewaltige Diskrepanz zwischen den Personalkosten, die die Unternehmen haben, und das, was die Mitarbeiter im Geldbeutel vorfinden. Und diese Lücke muss stärker geschlossen werden.
Deutschlandradio Kultur: Dann ist es ja so, dass der Niedriglohnsektor Ihnen eigentlich ein Dorn im Auge sein muss? Das heißt, Sie könnten ja dann auch flächendeckend Mindestlöhne fordern.
Hans Heinrich Driftmann: Das werden wir ganz sicher nicht tun. Denn das ist eine Hürde, gerade für Berufsanfänger, eine Hürde für Startup-Unternehmen und eine Hürde für Minderqualifizierte. Die müssen wir schließlich auch mitnehmen. Die können nicht alle zu Sozialfällen werden. Die müssen arbeiten dürfen und arbeiten können, ohne dass sie gleich einen Riesenkostenblock verursachen.
Deutschlandradio Kultur: Also bleiben wir noch mal bei mehr Netto vom Brutto, mehr Lohn in der Tüte. Dagegen hat eigentlich niemand was. Stellt sich aber trotzdem die Frage: Wie soll das denn finanziert werden? Sie sagen: mehr Wachstum. Wie groß muss das Wachstum sein, damit tatsächlich die Arbeitnehmer wieder mehr Netto für Brutto haben?
Hans Heinrich Driftmann: Das lässt sich eindimensional gar nicht erklären, weil es von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Tatsache ist nur, dass wir die Leistungsträger entlasten müssen, einfach um sie zu motivieren. Wenn wir das nicht tun, dann wird es eine Bunkerhaltung geben. Dann wird jeder das Notwendige zwar tun, aber er wird nicht angeregt werden, besonders kreativ zu sein, besonders dynamisch zu sein, besonders flexibel zu sein.
Deutschlandradio Kultur: Aber jeder Bundesfinanzminister, auch nach der Bundestagswahl, wird Ihnen sagen: Gut gebrüllt, aber wir können es nicht finanzieren. Und wenn Sie es finanzieren wollen, dann sagen Sie mir mal, wie Sie es machen wollen.
Hans Heinrich Driftmann: Wir sind gerne bereit, hier zu einer Veranstaltung einzuladen und unsere Überlegungen darzulegen. Selbstverständlich gehört Politikberatung auch zu unserem Geschäft. Und ich rege an, dass es ohnehin zu einer Runde kommt, zu einem "Bündnis für Reformen", in dem wir dann diese Fragen besprechen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie ein "Bündnis für Reformen" fordern, ist das dann nicht wieder ein Schritt zurück in die rot-grüne Zeit. Wir hatten damals ein Bündnis für Arbeit. Richtig funktioniert hat das auch nicht.
Hans Heinrich Driftmann: Es kommt darauf an, dass wir unsere Positionen austauschen. Ich sage Ihnen als DIHK-Präsident, dass ja nicht alles, was der DGB vorträgt, falsch ist. Wir müssen aufeinander zugehen. Wir müssen die Informationen zusammentragen. Wir müssen auch Positionen aufeinander zu bewegen. Das kann auch die Politik nicht ganz alleine. Natürlich kann man viele Kompetenzen in Ministerien bündeln, aber nicht alle. Die Dinge müssen zusammengetragen werden. Man muss gegenseitig Verständnis wecken. Dann werden wir sicher einiges in dieser Republik noch bewegen können.
Deutschlandradio Kultur: Aber Rot-Grün hat es doch versucht. Gerhard Schröder hat es versucht mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitgebern. Und Olaf Henkel - damals BDI-Chef - sagte: Am Schluss war eigentlich gar nichts. Wir hätten eher Reformen verschleppt mit diesen Bündnissen, als dass wir was vorangetrieben hätten. Warum dieses Bündnis?
Hans Heinrich Driftmann: Einfach, um die Kräfte in diesem Lande stärker zu bündeln. Ich weise darauf hin, dass ein Misserfolg, wenn man ihn denn konstatieren will, auf Vorgängerveranstaltungen natürlich auch davon abhing, welche Personen damit befasst waren.
Deutschlandradio Kultur: Sind die Personen jetzt kompetenter als damals?
Hans Heinrich Driftmann: Nein, sie sind vor allen Dingen stärker bereit, aufeinander zu hören und miteinander zu arbeiten. Ich habe ja Herrn Schröder auch kennen gelernt als Bundeskanzler. Eine Zusammenarbeit war sehr, sehr schwierig, weil er ja immer mit der Attitüde auftrat, die Dinge besser zu wissen als alle anderen.
Deutschlandradio Kultur: Was müsste denn hinten rauskommen nach so einem Bündnis, das Sie einklagen oder das Sie sich wünschen? Wäre das beispielsweise ein transparentes einfaches Steuersystem? Wäre das ein Ergebnis, was dieser Republik helfen könnte und dem Aufschwung auch?
Hans Heinrich Driftmann: Wir brauchen in der Tat ein transparentes einfacheres Steuersystem. Ich wünsch mir seit vielen Jahren, die Steuererklärung, die ich unterschreiben muss, auch zu verstehen. Möglicherweise könnte ich das sogar, aber dann dürfte ich mich nur noch mit der Steuererklärung befassen und keine Geschäfte mehr abschließen. Hier müssen wir vorankommen.
Aber es gibt auch viele andere Gebiete, auf denen wir etwas bewegen können, wenn wir denn Konsens erzielen. Am Ende einer solchen Veranstaltung muss natürlich eine Strategie stehen, die letztlich von der Bundesregierung zu erarbeiten wäre, in die wir uns aber einbringen können - in der Konstruktion und nachher auch in der Umsetzung. Die ganze Kammerorganisation besteht ja auch nicht zuletzt deshalb, weil wir die Politik nicht nur beraten, sondern das, was dort dann als richtig beschlossen wird, helfen in den Regionen umzusetzen.
Deutschlandradio Kultur: Wir reden über Weltwirtschaftsgipfel. Wir versuchen den Kapitalismus weltweit zu bändigen. Jetzt kommen Sie mit einem Bündnis für Reformen auf nationaler Ebene, das sicherlich Aufgaben hat - aber welche?
Hans Heinrich Driftmann: Vor allen Dingen den Austausch von Informationen, den Austausch von fachlicher Kompetenz und natürlich auch die Abstimmung international. Unsere Auslandshandelskammerorganisation, die wir einzubringen haben, verfügt über eine Vielzahl sehr konkreter Informationen, verfügt über die Möglichkeiten, in die Wirtschaftsentwicklung ganz anderer Volkswirtschaften einzusteigen, sich zu informieren. Das kann in so konkreter Weise etwa der Handelsattaché einer Botschaft nicht.
Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns noch mal zurückkommen zu Ihrer Forderung nach einem einfachen Steuersystem. Wenn Sie sagen, es soll transparent sein und es soll einfach sein, kann es denn auch gerecht sein?
Hans Heinrich Driftmann: Absolute Gerechtigkeit gibt es ebenso wenig, wie absolute Sicherheit. Aber wir können natürlich ein System schaffen, das hinreichend gerecht ist, aber so einfach, dass es der Steuerpflichtige auch noch versteht. Dann ist die Motivation zur Steuergerechtigkeit, aber auch zur Steuerehrlichkeit viel größer. Und das möchten wir erreichen.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt sind Sie ja seit 25 Jahren auch CDU-Mitglied. Bedauern Sie es denn dann, dass Leute, die ein einfaches Steuersystem vorgeschlagen haben, wie zum Beispiel Friedrich Merz oder Paul Kirchhof, dass die jetzt gar keine Rolle mehr spielen?
Hans Heinrich Driftmann: Ich bedaure das lebhaft.
Deutschlandradio Kultur: Eine versteckte Kritik zumindest an der Arbeit der schwarz-roten Regierung, auch an der Kanzlerin?
Hans Heinrich Driftmann: Dass die Wirtschaft sich an der einen oder anderen Stelle mehr gewünscht hätte, liegt auf der Hand. Andererseits sage ich noch mal ausdrücklich: Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist durch das rechtzeitige Engagement der Bundesregierung durchaus entschärft worden. Viele Dinge, die sehr zügig eingeleitet worden sind, weisen auf die Führungskompetenz der Bundeskanzlerin hin. Das will ich nicht klein reden. Ich bin mit dem, was im Zusammenhang mit der Krise eingeleitet worden ist - bis auf zwei Ausnahmen - sehr wohl zufrieden.
Deutschlandradio Kultur: Reden Sie jetzt eigentlich als Privatmann, als CDU-Politiker oder als DIHK-Präsident? Da vertreten Sie 3,6 Millionen Unternehmen, Betriebe, wo man sich die Frage stellt, wie kann man überhaupt da die Interessen bündeln.
Hans Heinrich Driftmann: Das ist eben das große Spezifikum der Kammerorganisation, dass wir für fast alle Branchen und für alle Unternehmensgrößen und Konstruktionen zuständig sind. Man kann das, weil es so große Schnittmengen gibt und auch große Kongruenzen auch an Interessen, dass das mit Kompetenz wahrgenommen werden kann.
Deutschlandradio Kultur: Das müssen Sie noch mal deutlich machen. Nehmen wir mal ein großes Unternehmen wie Siemens und einen kleinen Kiosk-Besitzer. Beide sind in der IHK drin. Beide haben Interessen, möglicherweise sehr unterschiedliche. Wie arbeiten Sie da? Wie können Sie da eine gemeinsame Lösung finden und dann gegenüber der Politik auch die Interessen der Unternehmer vertreten?
Hans Heinrich Driftmann: Grundsätzlich gilt: One company, one vote. Der Kiosk-Besitzer hat den gleichen Anspruch wie der Vorstand eines DAX-Unternehmens, seine Position deutlich zu machen und seine Interessen zu formulieren. Wir können nur das vertreten, was im Gesamtinteresse ist.
Deutschlandradio Kultur: Aber manche Interessen fallen doch dann hintüber, wie zum Beispiel die eines Kiosk-Besitzers.
Hans Heinrich Driftmann: Es ist seltener, dass die Interessen eines Kiosk-Besitzers geschmälert werden, als dass wir Großunternehmen bitten müssen, von bestimmten Standpunkten zurückzutreten oder sie zu mildern.
Deutschlandradio Kultur: Der größte gemeinsame Nenner wäre möglicherweise für alle Unternehmen, dass sie sagen, wir zahlen weniger Steuern. Das hilft Großunternehmen wie kleinen Kiosk-Besitzern. Wenn wir das machen wollen, dann bekommen wir einen zusätzlichen Schuldenberg beim Bund, wie bei den Ländern, den man eigentlich in der Zeit, in der wir uns befinden, überhaupt nicht verkraften kann. Oder können wir uns noch mal ein paar Milliarden mehr Schulden leisten, weil es ohnehin egal ist?
Hans Heinrich Driftmann: Auf den ersten Blick scheint das so zu sein. Es ist aber nicht richtig. Es ist auch volkswirtschaftlich längst nachgewiesen, dass man durch Ankurbelung der Konjunktur, dass man durch deutliches Wirtschaftswachstum, gepaart mit Einsparungen etwa in der öffentlichen Verwaltung dadurch, dass man Aufgaben reduziert, dass man einfachere Gesetze schafft, dass man einen Gesetzes-TÜV einführt, viele Dinge verschlankt, also auf der einen Seite Geld spart, auf der anderen Seite die Konjunktur anreizt, Wirtschaftswachstum fördert. Beides zusammen bringt eine vernünftige Auffüllung der öffentlichen Kassen, führt zu Haushaltskonsolidierung. Wirtschaftswachstum erzielt man nicht durch Steuererhöhungen, sondern dadurch, dass man gezielt und mit aller Vernunft Anreize schafft - auch für die Wirtschaft.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie von Wachstum sprechen und man die Äußerungen des Bundesbankpräsidenten sieht, von Axel Weber, der sagt, "ein selbsttragender Aufschwung ist trotz Konjunkturerholung nicht in Sicht", die EZB erwartet für 2010 ein kleines Wachstum für den Euroraum von sagen wir mal durchschnittlich 0,2 Prozent. Frühestens 2013 werden wir wieder das Niveau von heute erreichen, was sagen Sie dazu?
Hans Heinrich Driftmann: Alle diese Prognosen gehen von unveränderten Rahmenbedingungen aus. Ich plädiere dafür, die Rahmenbedingungen anzupassen und zu verbessern. Dann werden wir sicher vieles schneller erreichen können.
Es geht immer um die Dualität, auf der einen Seite Kosten einzusparen, auf der anderen Seite das Auffüllen der Haushalte zu verbessern und zu beschleunigen. Nur im Doppelpack kann so etwas in vernünftiger Weise gelingen. Ich sage auch nicht, quer durch die Last Steuern reduzieren, sondern sehr genau zu überprüfen, an welcher Stelle müssen wir welche Maßnahme treffen, um eben diese notwendigen Anreize zu liefern.
Deutschlandradio Kultur: So ein kleines bisschen konkreter hätten wir es schon gern. Sie haben ja auch einen Vorschlag gemacht. Sie sagen beispielsweise, die Sozialausgaben bei den Lohnnebenkosten müssen zu einem größeren Teil über Steuern finanziert werden.
Hans Heinrich Driftmann: Es wäre natürlich eine Entlastung, sowohl von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, wenn wir einen Teil der bisherigen Sozialabgaben über Steuern finanzieren würden oder durch Steuern ersetzen würden. Aber auch das muss richtig kalibriert werden.
Deutschlandradio Kultur: Was muss raus aus den Lohnnebenkosten? Was muss über Steuer finanziert werden?
Hans Heinrich Driftmann: Ich weigere mich, vor einer entsprechenden Analyse hier konkreter zu werden. Wir haben sicher eine ganze Reihe von Vorschlägen, die wir da machen können.
Deutschlandradio Kultur: Nennen Sie doch ein Beispiel.
Hans Heinrich Driftmann: Bezogen auf das Gesundheitswesen zum Beispiel, da ist ein Feld, das müssen wir uns sehr genau überlegen, ob es so weitergehen kann. Die Vorschläge der Frau Gesundheitsministerin machen ja nach wie vor Probleme, greifen nicht so richtig. Wir müssen nur – wie gesagt – systemisch denken. Es hat keinen Sinn jetzt zu sagen, wir reduzieren an der einen oder anderen Stelle Abgaben, aber das System, das dahinter steht, ist damit gar nicht kompatibel.
Deutschlandradio Kultur: In der besten aller Welten - wie sähe denn Ihrer Meinung ein gutes Gesundheitssystem dann aus?
Hans Heinrich Driftmann: Wenn ich Ihnen das jetzt in der zur Verfügung stehenden Zeit auch nur skizzieren wollte, wäre ich nobelpreisverdächtig.
Deutschlandradio Kultur: Aber wir können ja ein Beispiel nehmen - Krankenversicherung. Die Opposition, in dem Fall die Grünen, sagt, wir hätten gern ein Bürgergeld. Damit sind die Lohnnebenkosten möglicherweise auch etwas günstiger.
Hans Heinrich Driftmann: Ich bin sehr dafür, den Faktor Arbeit günstiger zu machen. Ich glaube auch, dass wir darum nicht herum kommen. Ob dieses Modell nun trägt, ist gar nicht richtig durchgerechnet. Wir müssen die Dinge schon zu Ende denken. Welche Nebenwirkungen sind da? Wir müssen tatsächlich nach der Wahl einen Kassensturz machen und die Dinge wirklich bis zum tz ausrechnen.
Deutschlandradio Kultur: Ja wir können ein zweites Beispiel nehmen - Arbeitslosenversicherung. Da könnte man auch sagen: Alle versicherungsfremden Leistungen raus, die muss der Steuerzahler insgesamt übernehmen, damit der Faktor Arbeit günstiger wird. Ist das die Position, die Sie vertreten?
Hans Heinrich Driftmann: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, ob ich diese Position vertreten werde. In diese Richtung denken wir sehr wohl. Aber auch hier steht vor der Entscheidung eine Untersuchung.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn Sie es über Steuern finanzieren wollten, dann würde das ja auch wieder Steuererhöhungen bedeuten.
Hans Heinrich Driftmann: Nein, nicht zwangsläufig. Ich habe ja versucht Ihnen deutlich zu machen, was wir tun können, um zu einer Entlastung zu kommen, zu einer Entlastung der Leistungsträger, die dann wiederum zur Verbesserung der Ertragslage des Staates führen würde. Das muss man alles im Kontext sehen. Man muss das im Zusammenhang beurteilen. Wir greifen jetzt hier, was ich verstehen kann, bestimmte Dinge heraus. Nur man darf sie nicht alleine sehen. Man muss sie im Gesamtzusammenhang sehen. Sie sind nur Faktoren eines in sich geschlossenen Systems. Und das müssen wir konstruieren.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt wünschen sich natürlich alle, dass der Aufschwung stattfindet. Es gibt erste Indikatoren, dass das stattfinden könnte. Nur sagen viele, aufgrund der restriktiven Geldpolitik der Banken läuft es nicht so, wie es eigentlich laufen sollte. Erleben Sie das als Unternehmer auch, dass es im Moment schwer ist an Geld zu kommen, um mögliche Engpässe zu überbrücken, obwohl eigentlich genügend Geld da ist?
Hans Heinrich Driftmann: Als Unternehmer spüre ich es nicht. Ich weiß auch von entsprechenden Erhebungen, die wir gemacht haben, dass es eine flächendeckende Kreditklemme zurzeit noch nicht gibt. Ich weiß aber, dass viele Unternehmen - und leider gerade die Mittelständler - das eine oder andere Problem haben an Kredite zu kommen, weil Sicherheiten zum Beispiel anders bewertet, abgewertet werden. Es kommen Spezialitäten hinzu, Sonderprobleme in einzelnen Regionen, zum Beispiel dass bestimmte Unternehmen Geschäftsimmobilien als Sicherheit bieten, die werden dann plötzlich unter Denkmalschutz gestellt und sind als Sicherheiten nichts mehr wert. Ganze Unternehmensfinanzierungen geraten plötzlich ins Rutschen. Aber das sind Marginalien.
Insgesamt besteht die Gefahr, dass die Schwierigkeiten bei der Kreditgewährung zunehmen. Das hat etwas damit zu tun, dass natürlich Basel II in der Welt ist und auch eine Sinnhaftigkeit hat. Es ist ja durchaus ein in sich vernünftiges System. Nur es ist konstruiert worden in Zeiten eines normalen Konjunkturzyklus. Wir sind aber jetzt nicht in einer normalen Zeit, sondern wir stecken in der Krise. Das heißt, die mit Basel II verbundenen Ratingkriterien müssen sinnvoll angepasst werden. Es hilft nicht viel, die letzten paar Jahre zu raten, um dann zu sagen, hier ist Bonität gegeben und hier nicht. Sondern was jetzt zählt, sind vernünftige Zukunftsprojektionen. Stimmt das Geschäftsmodell? Ist das Management in der Lage, dieses Geschäftsmodell zu bewegen, auszubauen? Stimmen die Kapazitäten? Ist die Marktlage so, dass man erfolgreich sein kann? Ich plädiere also mehr für Kopf und weniger für Maschine bei den Banken. Dann, denke ich, werden wir diese Klippen der Kreditgewährung ganz gut umschiffen können.
Deutschlandradio Kultur: Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es mittlerweile Unternehmen, die müssen ihre Bilanzen der letzten Monate vorlegen, die nicht unbedingt schön sind, weil wir in diese Finanzkrise gekommen sind. Und aufgrund dessen bekommen sie nicht die Kredite, die sie haben wollen. Sie fordern eine völlig andere Bewertung bei der Vergabe von Krediten?
Hans Heinrich Driftmann: Also wir müssen ohne Zweifel natürlich auch anschauen, wie ist dieses Unternehmen aufgestellt. Was haben die eigentlich die letzten Jahre gemacht? Aber das darf nicht den besonderen Akzent haben, der ausschlaggebend wird für die weitere Kreditgewährung. Hinzukommen müssen eben Bewertungen von Zukunftsprojektionen. Das ist schwer. Das hört sich einfacher an, als es ist, weil natürlich Banker dann nicht nur über Bankprodukte Bescheid wissen müssen, sondern sich auch in den Märkten auskennen müssen von Unternehmen, denen Sie gegebenenfalls Kredite gewähren müssen. Also, da ist eine Menge Know-how erforderlich. Auch das sind so Felder, an denen wir erst noch arbeiten müssen. Die können wir nicht durch Fingerschnippen von jetzt auf sofort in Ordnung bringen, klären und zum Erfolg führen.
Deutschlandradio Kultur: Wie wollen Sie denn die Banken zu einem anderen Verhalten zwingen dann?
Hans Heinrich Driftmann: Ich will zunächst mal gar nicht zwingen. Die Banken wissen natürlich, wo ihre Zukunft liegt. Cayman Islands ist oder sollte out sein. Bestimmte Produkte, die sowieso früher keiner verstanden hat, aber mit denen gehandelt wurde, sind auch out. Was aber in ist, das sind Firmenfinanzierungen. Die Banken sind darauf angewiesen, dass es die Realwirtschaft weiter gibt. Die Banken brauchen die Realwirtschaft als Partner, also sollten sie sich doch Gedanken darüber machen, wie man den Bestand an Unternehmen, an gesunden Unternehmen auch erhalten kann.
Deutschlandradio Kultur: Wäre das denn auch ein Thema für Ihr Bündnis für Reformen?
Hans Heinrich Driftmann: Das ist in der Tat eines der wesentlichen Themen, um das hinzukriegen. Wobei ich sagen muss, es hat ja auf meine Einladung hin zwei Spitzentreffen auch mit dem Bundesfinanzminister und mit dem Bundeswirtschaftsminister beziehungsweise seinem Staatssekretär gegeben. Hier ist schon einiges an Verständnis geweckt worden. Nur wir müssen das Ganze jetzt auch einfügen in einen etwas größeren Rahmen. Und ich sage Ihnen auch ganz offen: Es ist gut, wenn sich die Finanzwirtschaft und die Realwirtschaft mit der Regierung trifft, aber auch unsere Mitarbeiter wollen sich vertreten sehen. Insofern gehören Gewerkschaften mit dazu. Und die müssen eingebunden werden und auch mit in die Pflicht genommen werden.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt hat die Politik in den letzten Jahren versucht durchaus Unternehmen zu entlasten. Nehmen wir mal das Beispiel Vererbung von firmeneigenem Vermögen, diese Erbschaftssteuerreform. Mit der sind Sie nicht glücklich, obwohl man doch eigentlich sagen könnte: Wer sein Unternehmen hält, und längerfristig hält, wird steuerbefreit, wer es kurz nach dem Erbe verkauft, müsste es eigentlich auch versteuern -- wäre mehr als fair. Trotzdem gefällt Ihnen die ganze Konstruktion nicht so richtig.
Hans Heinrich Driftmann: Weil sie leider realitätsfern ist.
Deutschlandradio Kultur: Warum denn?
Hans Heinrich Driftmann: Wir sind zum Beispiel jetzt in der aktuellen Situation krisenhaften Erscheinungen ausgesetzt. Alle diejenigen, die als Unternehmer ihre Pflicht tun und mit Kurzarbeit umgehen, werden merken, dass die Lohnsumme schon nicht mehr stimmt. Wenn der Erbfall eintritt, werden sie zur Kasse gebeten. Zweite Sache: Wenn der Erbfall eintritt, etwa in einem familiengeführten mittelständischen Unternehmen, das sind die Unternehmen, auf die wir in der Krise jetzt besonders angewiesen sind, dann hat das ja den Effekt, dass nun nicht alle Gesellschafter aus der Familie zur selben Zeit sterben. Das heißt, die Überwachung durch die Finanzbehörde läuft dann nicht nur zehn Jahre, sondern setzt mitten drin unter Umständen, wenn ein weiterer Erbfall eintritt, wieder ein. Das heißt, ein Großteil der Unternehmen, die davon betroffen sind, wird die Überwachung durch irgendeine konstruierte Administration nie wieder los.
Deutschlandradio Kultur: Aber grundsätzlich sind sie doch entlastet worden durch dieses Gesetz - die Unternehmen hier in Deutschland.
Hans Heinrich Driftmann: Die Unternehmen sind durch die Unternehmenssteuerreform auf der einen Seite entlastet worden, auf der andere Seite sind sie aber zusätzlich belastet worden. Wenn Sie nur daran denken, dass zum Beispiel Kosten besteuert werden, was ja von der Steuerlogik her schon völlig abstrus ist. Dann haben wir auf der einen Seite die Situation, dass etwa große Industrieunternehmen durchaus eine Entlastung spüren, dass aber alle die wichtigen Handelsunternehmen, die Ladenmiete bezahlen müssen, die eine Menge von Kosten haben, die entstehen - auch Leasinggebühren und Ähnliches – die entstehen, auch wenn gar keine Gewinne da sind, die haben es da in der Krise mit einem Brandbeschleuniger zu tun.
Deutschlandradio Kultur: Aber da könnte man doch Ausnahmeregelungen finden in der Krise. Deutschlandfond - ein Beispiel. Firmen, die in die Krise geraten sind wegen Finanzierungsschwierigkeiten, die sind dann ausgenommen und können in Ruhe versuchen, wieder in gutes Fahrwasser zu kommen. Oder wollen Sie das ganze Gesetz kippen und sagen, wir wollen einfach als Unternehmen keine Erbschaftssteuer für Unternehmen bezahlen?
Hans Heinrich Driftmann: Das Beste wäre ganz ohne Zweifel, wenn wir uns am österreichischen Beispiel orientieren würden, wir würden die Erbschaftssteuer abschaffen. Das, was sie bringt, wird im weit überwiegenden Teil durch die überbordende Administration längst aufgefressen.
Deutschlandradio Kultur: Der Bundesfinanzminister wird Ihnen wahrscheinlich entgegnen: So richtig stimmt das nicht. Ein paar Milliarden sind das schon.
Hans Heinrich Driftmann: Der Bundesfinanzminister hat da überhaupt keine Interessen. Dies ist eine Ländersteuer. Das interessiert ihn weiter gar nicht. Die Länder sind es eher, die sagen, wir können auf die Steuer nicht verzichten. Da gäbe es aber andere Möglichkeit, die Länder steuerlich zu begünstigen, um das auszugleichen. Es gibt andere Steuerarten, die man da heranziehen könnte.
Deutschlandradio Kultur: Beispiel?
Hans Heinrich Driftmann: Ganz unterschiedliche, ich möchte mich da jetzt nicht festlegen. Es hat keinen Sinn, hier Rosinenpickerei zu betreiben. Das Ganze muss ein Gesamtsystem werden. Und deswegen verbietet es sich, jetzt einzelne Dinge herauszugreifen.
Ich sage nur so viel: Es gibt Entlastungsmöglichkeiten auch für die Länder. Es ist nicht notwendig, eine in sich nicht logische Steuerart zu halten, nur um des Prinzips willen oder, wie ich unterstelle, um ein fiktives Gerechtigkeitsempfinden zu streicheln. Das ist nicht erforderlich.
Deutschlandradio Kultur: Herr Driftmann, jetzt sind Sie ja auch Chef eines mittelständischen Familienunternehmens. In sechster Generation wird das geführt. Sie haben gesagt: Man denkt in Generationen bei Ihnen und nicht in Geschäftsjahren. Wie ist denn bei Ihnen jetzt die Nachfolge geregelt?
Hans Heinrich Driftmann: Die Nachfolge ist natürlich geregelt. Ich habe, wenn Sie nur auf mich zielen, vier Kinder, sechs Enkel. Da ist gar keine Not.
Deutschlandradio Kultur: Ist denn eigentlich dieses Familienunternehmen in sechster Generation, das in Generationen und nicht in Geschäftsjahren denkt, genau das Gegenmodell zu Landesbanken, die in Zweimonatsabständen versuchen Geld zu gewinnen, nicht ne völlig andere Welt?
Hans Heinrich Driftmann: Ja.
Deutschlandradio Kultur: Sie selbst waren aber mal Aufsichtsratsmitglied bei der HSH-Nordbank, die es nicht einfach hat. Wie haben Sie diese zwei Welten zusammengekriegt? Einerseits dieses Traditionsunternehmen Köllnflocken, andererseits diese Bank, die möglicherweise Geschäfte macht, wo Sie sagen, ich müsste eigentlich da raus gehen, das kann man gar nicht so machen.
Hans Heinrich Driftmann: Ich habe das Problem, dass ich nach Recht und Gesetz ich Ihnen über Interna der Bank nichts sagen darf. Und ich halte mich an Recht und Gesetz. Nur ganz unabhängig davon sage ich Ihnen: Es gibt nicht nur eine Spezialisierung auf Seiten des Vorstandes, sondern natürlich auch auf Seiten des Aufsichtsrats. Ich bin gebeten worden von der Landesregierung einen Sitz wahrzunehmen, um dafür zu sorgen, dass die mittelständische Wirtschaft in Schleswig-Holstein keine Probleme hat, an Investitions- und Betriebsmittelkredite heranzukommen.
Deutschlandradio Kultur: Aber genau die Probleme hat sie ja jetzt.
Hans Heinrich Driftmann: Ich habe während meiner ganzen Zeit damit nie Schwierigkeiten gehabt.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben nie Magenkrämpfe bekommen bei irgendwelchen Entscheidungen und gesagt, jetzt muss ich unbedingt eine Haferschleimsuppe essen, damit es mir wieder besser geht?
Hans Heinrich Driftmann: Kein Kommentar.