DIHK prognostiziert "positive Wachstumsraten" für deutsche Wirtschaft
Dirk Schlotböller, Experte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) für Wachstum und Konjunktur, ist optimistisch, dass die deutsche Wirtschaft der Euro-Krise trotzen kann.
Marietta Schwarz: Die Börsen sind weiter auf Talfahrt, die Politiker uneins über die Konsequenzen, die Ratingagenturen verleihen ihrem Misstrauen mit Abwertungen Ausdruck. Die Krise des Euro, sie nimmt Tag für Tag an Brisanz zu. Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Ausweitung des Rettungsschirms EFSF ab, der wichtigsten Waffe gegen die Krise, und auch andere Parlamente im Euroraum haben diese umstrittene Ausweitung noch nicht beschlossen.
Hierzulande ist die Kanzlermehrheit in dieser Frage noch nicht gesichert, doch gibt es überhaupt eine Alternative zu diesem Rettungsschirm? Am Telefon ist Dirk Schlotböller, Experte für Konjunktur und Wachstum am Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Guten Morgen!
Dirk Schlotböller: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Schlotböller, hoffen Sie auf eine Kanzlermehrheit am Donnerstag für die Erweiterung des EFSF?
Schlotböller: Ja, die deutsche Wirtschaft hofft sehr, dass die Mehrheit der Abgeordneten zustimmen kann bei der Abstimmung. Der Euro ist ein zu wichtiges Projekt, als dass wir das jetzt gefährden könnten. Er hat viele Vorteile gebracht für die deutsche Wirtschaft, hat Umtauschkosten reduziert im gemeinsamen Währungsraum, der es gerade vielen Mittelständern ermöglicht hat, jetzt auch Märkte in Europa zu erkunden, und deswegen hoffen wir sehr, dass die Währungsunion weiter Bestand haben kann und die Abstimmung erfolgreich ausgeht.
Schwarz: Sie sagen die deutsche Wirtschaft, das trifft ja nicht vollständig zu. Nicht alle Wirtschaftsverbände sehen das so. Die Familienunternehmer etwa sind gegen den erweiterten Rettungsschirm.
Schlotböller: Also, was wir so aus unseren Umfragen wissen – und von unseren Unternehmen ist es ganz eindeutig so –, dass die Unternehmen sich zur Gemeinschaftswährung bekennen und eben auch bereit sind, dass die deutsche Regierung dafür Anstrengungen unternimmt.
Schwarz: 780 Milliarden Notkredite, 210 Milliarden davon aus Deutschland, und wenn die nicht reichen, erweitert man wieder?
Schlotböller: Zunächst mal müssen hier jetzt erst die Beschlüsse vom Juli umgesetzt werden. Die beinhalten tatsächlich einen größeren EFSF, sie beinhalten auch zusätzliche Anstrengungen der betroffenen Schuldenstaaten und auch eine Beteiligung der Gläubiger. Das alles ist ja noch nicht umgesetzt. Und insofern brauchen wir jetzt noch nicht über weitere Maßnahmen zu achten, sondern erst mal müssen sich die Länder darauf konzentrieren, dass die Zusagen vom Juli eingehalten werden, sowohl die Länder mit den Schuldenproblemen als auch die Länder, die das Ganze, die Zeit dafür schaffen wollen.
Schwarz: Sind Sie sicher, dass dieser erweiterte Rettungsschirm uns aus der Krise herausführt beziehungsweise uns vor der ganz großen bewahrt?
Schlotböller: Also, aus der Krise heraus kommen wir nur mit hohen Sparanstrengungen und Reformen, die Wachstumskräfte in den Ländern stärken. Dafür schaffen die Rettungsschirme die nötige Zeit, aber entscheidend sind die Maßnahmen der Regierungen vor Ort – die Staaten haben es selbst in der Hand, von Deutschland angefangen, aber alle Länder sind betroffen.
Schwarz: Finanzminister Schäuble möchte ja den dauerhaften Rettungsschirm ESM vorziehen. Bringt dieser Vorstoß uns weiter?
Schlotböller: Der wichtigste Punkt in dem dauerhaften Rettungsschirm ist ja eine Insolvenzordnung für Staaten, und das hat natürlich dann den Vorteil, dass es geordnet möglich ist, dass ein Staat pleitegehen könnte, wenn keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Diese Möglichkeiten muss es geben, auch dass die Gläubiger entsprechend dem Risiko beteiligt werden. Wenn man also vorher höhere Zinsen bekommen hat, dass das auch dem höheren Risiko entspricht.
Schwarz: Herr Schlotböller, wir sehen seit einigen Wochen, wie die Börsen auf die Unsicherheiten reagieren. Zahlreiche Wirtschaftsinstitute haben ihre Prognosen bereits nach unten korrigiert. Welche Folgen haben diese immer größer werdenden Schulden für die deutsche Konjunktur?
Schlotböller: Wir sehen jetzt in Deutschland eine deutliche Wachstumsverlangsamung. Das ist nicht ungewöhnlich nach zwei so guten Konjunkturjahren mit gut drei und auch in diesem Jahr möglicherweise wieder nochmal drei Prozent Wachstum. Jetzt, durch die aktuellen Turbulenzen, die ja schon seit einigen Wochen anhalten und die große Verunsicherung, stellen wir fest, dass zumindest vereinzelt Unternehmen Investitionen zurückstellen. Alles in allem gehen wir weiter, allerdings von positiven Wachstumsraten aus, die Lage bei den Unternehmen ist gut. Es sind Aufträge da in den Unternehmen, die abgearbeitet werden, die Investitions- und die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ist vorhanden.
Schwarz: Das hört sich alles ganz gut an. Sie machen sich also keine Sorgen?
Schlotböller: Wir machen uns große Sorgen, wir haben eine Krise, die aus Vertrauensverlusten in die Stabilität der öffentlichen Haushalte entstanden ist, die hat zum Beispiel auch beim Konsum schon zumindest bremsend gewirkt, weil die Menschen verunsichert sind, verunsichert die Unternehmen, und deswegen müssen wir jetzt schleunigst dazu kommen, wieder Vertrauen zurückzugewinnen.
Schwarz: Bislang ist Deutschland gerade auch als Exportweltmeister gut durch diese Krise gekommen. Wird der hohe Export jetzt zum Nachteil?
Schlotböller: Die Wachstumskräfte weltweit bleiben grundsätzlich intakt, im nächsten Jahr dürfte die Wirtschaft weiter noch mal mit einer Größenordnung von vier Prozent wachsen, gerade weil die Schwellenländer so dynamisch wachsen, und gerade da ist Deutschland auch gut aufgestellt. Unser wichtigster Kunde, Frankreich, hat nur zehn Prozent unserer Exporte, das zeigt, wie breit die deutsche Wirtschaft aufgestellt ist – breiter als jeder andere Industriestaat –, wie wenig man von einzelnen Märkten abhängig ist. Insofern wird die deutsche Wirtschaft auch von den hohen Wachstumsraten der Schwellenmärkte weiter profitieren können.
Schwarz: Aber Herr Schlotböller, das zeichnet sich doch jetzt ab und ist ja auch relativ einfach: Wenn alle sparen müssen, wer hat dann noch Geld für deutsche Produkte?
Schlotböller: Die Wirtschaft wird sich daran gewöhnen müssen, ohne staatliche Ausgabenimpulse zu wachsen, aber sie wird in der Lage sein, das zu tun. Gerade die deutschen Unternehmen sind sehr stark im Bereich Investitionsgüter, also davon, was die privaten Unternehmen überall auf der Welt investieren, um ihre Unternehmen modernisiert zu bekommen, um zum Beispiel auch auf erneuerbare Energien umzusteigen. Gerade da haben deutsche Unternehmen Vorteile, und diese Grundtendenzen, die bleiben erhalten. Und insofern müssen wir uns keine Sorgen machen, dass die deutschen Exporte nicht weiter wachsen können, auch wenn die hohen Raten erstmal der Vergangenheit angehören dürften.
Schwarz: Dirk Schlotböller, Experte für Konjunktur und Wachstum am Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Herr Schlotböller, danke für das Gespräch!
Schlotböller: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hierzulande ist die Kanzlermehrheit in dieser Frage noch nicht gesichert, doch gibt es überhaupt eine Alternative zu diesem Rettungsschirm? Am Telefon ist Dirk Schlotböller, Experte für Konjunktur und Wachstum am Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Guten Morgen!
Dirk Schlotböller: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Schlotböller, hoffen Sie auf eine Kanzlermehrheit am Donnerstag für die Erweiterung des EFSF?
Schlotböller: Ja, die deutsche Wirtschaft hofft sehr, dass die Mehrheit der Abgeordneten zustimmen kann bei der Abstimmung. Der Euro ist ein zu wichtiges Projekt, als dass wir das jetzt gefährden könnten. Er hat viele Vorteile gebracht für die deutsche Wirtschaft, hat Umtauschkosten reduziert im gemeinsamen Währungsraum, der es gerade vielen Mittelständern ermöglicht hat, jetzt auch Märkte in Europa zu erkunden, und deswegen hoffen wir sehr, dass die Währungsunion weiter Bestand haben kann und die Abstimmung erfolgreich ausgeht.
Schwarz: Sie sagen die deutsche Wirtschaft, das trifft ja nicht vollständig zu. Nicht alle Wirtschaftsverbände sehen das so. Die Familienunternehmer etwa sind gegen den erweiterten Rettungsschirm.
Schlotböller: Also, was wir so aus unseren Umfragen wissen – und von unseren Unternehmen ist es ganz eindeutig so –, dass die Unternehmen sich zur Gemeinschaftswährung bekennen und eben auch bereit sind, dass die deutsche Regierung dafür Anstrengungen unternimmt.
Schwarz: 780 Milliarden Notkredite, 210 Milliarden davon aus Deutschland, und wenn die nicht reichen, erweitert man wieder?
Schlotböller: Zunächst mal müssen hier jetzt erst die Beschlüsse vom Juli umgesetzt werden. Die beinhalten tatsächlich einen größeren EFSF, sie beinhalten auch zusätzliche Anstrengungen der betroffenen Schuldenstaaten und auch eine Beteiligung der Gläubiger. Das alles ist ja noch nicht umgesetzt. Und insofern brauchen wir jetzt noch nicht über weitere Maßnahmen zu achten, sondern erst mal müssen sich die Länder darauf konzentrieren, dass die Zusagen vom Juli eingehalten werden, sowohl die Länder mit den Schuldenproblemen als auch die Länder, die das Ganze, die Zeit dafür schaffen wollen.
Schwarz: Sind Sie sicher, dass dieser erweiterte Rettungsschirm uns aus der Krise herausführt beziehungsweise uns vor der ganz großen bewahrt?
Schlotböller: Also, aus der Krise heraus kommen wir nur mit hohen Sparanstrengungen und Reformen, die Wachstumskräfte in den Ländern stärken. Dafür schaffen die Rettungsschirme die nötige Zeit, aber entscheidend sind die Maßnahmen der Regierungen vor Ort – die Staaten haben es selbst in der Hand, von Deutschland angefangen, aber alle Länder sind betroffen.
Schwarz: Finanzminister Schäuble möchte ja den dauerhaften Rettungsschirm ESM vorziehen. Bringt dieser Vorstoß uns weiter?
Schlotböller: Der wichtigste Punkt in dem dauerhaften Rettungsschirm ist ja eine Insolvenzordnung für Staaten, und das hat natürlich dann den Vorteil, dass es geordnet möglich ist, dass ein Staat pleitegehen könnte, wenn keine andere Möglichkeit mehr bleibt. Diese Möglichkeiten muss es geben, auch dass die Gläubiger entsprechend dem Risiko beteiligt werden. Wenn man also vorher höhere Zinsen bekommen hat, dass das auch dem höheren Risiko entspricht.
Schwarz: Herr Schlotböller, wir sehen seit einigen Wochen, wie die Börsen auf die Unsicherheiten reagieren. Zahlreiche Wirtschaftsinstitute haben ihre Prognosen bereits nach unten korrigiert. Welche Folgen haben diese immer größer werdenden Schulden für die deutsche Konjunktur?
Schlotböller: Wir sehen jetzt in Deutschland eine deutliche Wachstumsverlangsamung. Das ist nicht ungewöhnlich nach zwei so guten Konjunkturjahren mit gut drei und auch in diesem Jahr möglicherweise wieder nochmal drei Prozent Wachstum. Jetzt, durch die aktuellen Turbulenzen, die ja schon seit einigen Wochen anhalten und die große Verunsicherung, stellen wir fest, dass zumindest vereinzelt Unternehmen Investitionen zurückstellen. Alles in allem gehen wir weiter, allerdings von positiven Wachstumsraten aus, die Lage bei den Unternehmen ist gut. Es sind Aufträge da in den Unternehmen, die abgearbeitet werden, die Investitions- und die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ist vorhanden.
Schwarz: Das hört sich alles ganz gut an. Sie machen sich also keine Sorgen?
Schlotböller: Wir machen uns große Sorgen, wir haben eine Krise, die aus Vertrauensverlusten in die Stabilität der öffentlichen Haushalte entstanden ist, die hat zum Beispiel auch beim Konsum schon zumindest bremsend gewirkt, weil die Menschen verunsichert sind, verunsichert die Unternehmen, und deswegen müssen wir jetzt schleunigst dazu kommen, wieder Vertrauen zurückzugewinnen.
Schwarz: Bislang ist Deutschland gerade auch als Exportweltmeister gut durch diese Krise gekommen. Wird der hohe Export jetzt zum Nachteil?
Schlotböller: Die Wachstumskräfte weltweit bleiben grundsätzlich intakt, im nächsten Jahr dürfte die Wirtschaft weiter noch mal mit einer Größenordnung von vier Prozent wachsen, gerade weil die Schwellenländer so dynamisch wachsen, und gerade da ist Deutschland auch gut aufgestellt. Unser wichtigster Kunde, Frankreich, hat nur zehn Prozent unserer Exporte, das zeigt, wie breit die deutsche Wirtschaft aufgestellt ist – breiter als jeder andere Industriestaat –, wie wenig man von einzelnen Märkten abhängig ist. Insofern wird die deutsche Wirtschaft auch von den hohen Wachstumsraten der Schwellenmärkte weiter profitieren können.
Schwarz: Aber Herr Schlotböller, das zeichnet sich doch jetzt ab und ist ja auch relativ einfach: Wenn alle sparen müssen, wer hat dann noch Geld für deutsche Produkte?
Schlotböller: Die Wirtschaft wird sich daran gewöhnen müssen, ohne staatliche Ausgabenimpulse zu wachsen, aber sie wird in der Lage sein, das zu tun. Gerade die deutschen Unternehmen sind sehr stark im Bereich Investitionsgüter, also davon, was die privaten Unternehmen überall auf der Welt investieren, um ihre Unternehmen modernisiert zu bekommen, um zum Beispiel auch auf erneuerbare Energien umzusteigen. Gerade da haben deutsche Unternehmen Vorteile, und diese Grundtendenzen, die bleiben erhalten. Und insofern müssen wir uns keine Sorgen machen, dass die deutschen Exporte nicht weiter wachsen können, auch wenn die hohen Raten erstmal der Vergangenheit angehören dürften.
Schwarz: Dirk Schlotböller, Experte für Konjunktur und Wachstum am Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Herr Schlotböller, danke für das Gespräch!
Schlotböller: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.