Diktatoren-Denkmäler

Abreißen oder erklären?

Lenins Denkmal wurde am heutigen Platz der Vereinten Nationen in Berlin (früher Leninplatz) im Jahr 1991 abgebaut.
Machthaber von einst - zum Beispiel Lenin - und ihre Bauten sollten erklärt und in den Kontext eingeordnet werden, sagt Uwe Bork. © dpa / picture alliance / Bernd Settnik
Von Uwe Bork · 25.01.2016
Stalin, Hitler, Hussein - sie alle haben, um sich selbst zu feiern, öffentliche Bauten und Denkmäler hinterlassen. Es nützt nichts, sich rigoros vom unliebsamen Vermächtnis zu trennen. Uwe Bork wünscht sich, dass wir über einen didaktischen Umgang mit ihm nachdenken.
Ästheten oder besonders feinfühlige Menschen sollten jetzt bitte einmal für ein paar Sekunden weghören, denn die Aktion des Südafrikaners Chumani Maxwele war – nun ja – reichlich anrüchig. Im Frühling 2015 hatte der in einem Township von Kapstadt aufgewachsene Student nämlich einen Eimer menschlicher Exkremente über eine Statue des kolonialen Magnaten Cecil Rhodes gekippt. Die überlebensgroße Figur thronte damals noch an prominenter Stelle auf dem Campus der University of Capetown.
Maxweles Aktion stank damit zwar ganz real zum Himmel, unter dem Hashtag 'Rhodes must fall' – also 'Rhodes muss stürzen' – lenkte sie jedoch weltweite Aufmerksamkeit auf die noch immer nicht erreichte Gleichheit von Weißen und Schwarzen am Kap. Zumindest symbolisch ist sie dadurch vorangekommen: Das bronzene Denkmal wurde mittlerweile von seinem Sockel entfernt.
Trend zur Geschichtsklitterung
Südafrikas erfolgreiche Aktivisten sind damit – bei aller Sympathie für ihre Anliegen – allerdings Teil eines weltweiten Trends kultureller Geschichtsklitterung. Zu ihm gehört die islamistische Zerbombung der riesigen Buddhastatuen im afghanischen Bamiyan ebenso wie der Sturz des Saddam-Denkmals in Baghdad. Der wurde übrigens noch nicht einmal mit der Muskelkraft des zürnenden Volkes selbst erledigt, sondern erst die PS-Power eines amerikanischen Panzers brachte den verhassten Diktator zu Fall.
Doch derlei demonstrativer Denkmalsturz ist keine Domäne ferner Diktaturen. In Leipzig entledigte sich beispielsweise die SED-Stadtverwaltung 1968 der stadtbildprägenden Paulinerkirche, weil ihr ein christliches Symbol weniger gut in ihren realsozialistischen Kram passte, und in Berlin dürfte es 40 Jahre später etlichen Politikern eher entgegengesetzter Couleur ebenfalls nicht ganz unlieb gewesen sein, als der nicht minder stadtbildprägende Palast der Republik wegen Asbestverseuchung dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Mehr oder weniger willkürliche Akte gegen das gesellschaftliche Gedächtnis und seine Symbole haben und hatten unter allen Regimes und Systemen Konjunktur, nicht erst seit die IS-Vandalen von Mossul, Ninive und Palmyra das Band zwischen Religion und Kultur zerschnitten.
Der konstruktive Umgang
Doch wie nun umgehen mit dem ungeliebten Erbe der Vergangenheit?
Es nach Art radikaler Eiferer auf den Müll zu werfen, einzuschmelzen oder zu Staub zu zermahlen, dürfte ebenso wenig eine Lösung darstellen wie scheintolerantes Ignorieren. Letzteres mag noch bei weit zurückliegenden Ereignissen denkbar sein, bei denen der gnädige Schleier einer Mythologisierung die häufig grausame Historie verdeckt, Tausende und Abertausende von Adolf-Hitler-Straßen und -Plätzen zwischen Alpen und Küste wären nach dem Untergang des deutschen Faschismus jedoch mit Sicherheit – und mit Recht – unerträglich.
"Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert", warnt der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana, "wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." 'Mein Kampf' demaskierend zu kommentieren statt das Buch zu verbieten, ist sicher ein Beispiel für einen Schritt zu einer derart prohibitiven Erinnerung.
Es mag banal klingen, aber das einzig wirksame Rezept für einen gesellschaftlich und kulturell verträglichen Umgang mit der Vergangenheit scheint mir die didaktische Auseinandersetzung mit ihr zu sein. Denkmäler sollten folglich nicht mehr geschleift, sondern ergänzt werden, entweder durch erläuternde Tafeln oder auch etwas spektakulärer, indem man ihnen einen Gegenspieler gegenüberstellt. Das könnte einen Dialog herausfordern, wie er nicht nur für Kapstadt permanent nötig ist. Vielleicht hätte sich ja sogar Chumani Maxwele seinen Fäkalienwurf gespart, wenn er vorher nur ein wenig mehr frischen Wind gespürt hätte.
Uwe Bork, Jahrgang 1951, Journalist und seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft? des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander (Väter, Söhne und andere Irre; Endlich Platz im Nest: Wenn Eltern flügge werden) oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf (Wer soll das alles glauben? und andere schlaue Fragen an die Bibel; Die Christen: Expedition zu einem unbekannten Volk).
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Uwe Bork© Deutschlandradio
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