Dincer Gücyeter: "Unser Deutschlandmärchen"

Vom Ankommen und Bleiben

12:02 Minuten
Der Autor Dincer Gücyeter im Porträt: Er trägt einen Bart und ist im Profil zu sehen. Sein Kopf wird halb von einer Kapuze verdeckt.
Dincer Gücyeter hat tief in seine eigene Familiengeschichte hineingehorcht. Dabei wuchs vor allem seine Hochachtung vor den Frauen in seiner Familie. © Yavuz Arslan
Dincer Gücyeter im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Dincer Gücyeter ist gebürtiger Rheinländer. Seine Eltern und Großeltern jedoch stammen aus der Türkei. Vor allem den Frauen in seiner Familie hat der Autor nun mit seinem autobiografischen Roman "Unser Deutschlandmärchen" ein Denkmal gesetzt.
Dincer Gücyeter vergleicht seine Arbeit als Schauspieler, Lyriker und Schriftsteller gerne mit einem Forschenden, der Ausgrabungen macht: Er spürt alten Geschichten und Fotografien nach, um mehr über die Vergangenheit und deren Wirkung auf die Gegenwart zu erfahren.
Für seinen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ hat Gücyeter besonders intensiv gegraben. Und so entstand eine – autobiografisch gefärbte – Familiengeschichte in vielen Stimmen und mit vielen Fotos: Frauen mehrerer Generationen und der in Almanya geborene Sohn erinnern sich in poetischen, oft mythischen Bildern: mal als Monolog, mal als Dialog, manchmal in der Beschreibung von Träumen oder in Form von Gebeten.

In Deutschland ein neues Leben beginnen

Gücyeter, der dieses Jahr mit dem Peter-Huchel-Preis für Lyrik ausgezeichnet wurde, erzählt vom Schicksal türkischer Griechen, von archaischer Verwurzelung der Menschen in Anatolien und von der Herausforderung, als Gastarbeiterin und als deren Nachkomme in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.

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Der Autor wurde 1979 im rheinischen Nettetal als Sohn türkischer Eltern geboren und schon als Kind war er von Büchern und Geschichten fasziniert. Aber beruflich ging es für Gücyeter zunächst in eine andere Richtung: Der Mutter zuliebe erlernte er einen handwerklichen Beruf, arbeitete dann als Gabelstaplerfahrer.

Immer noch Gabelstaplerfahrer

Und das tut er noch heute, stundenweise. Auch um den Kontakt zu den anderen Arbeiterinnen und Arbeitern nicht zu verlieren.
„Es ist für mich ein Gewinn, jeden Morgen mit Lkw-Fahrern aus anderen Ländern zusammenzukommen", schwärmt er. Diese Begegnungen seien auch eine wichtige Inspirationsquelle für seine Texte.

Dincer Gücyeter: "Unser Deutschlandmärchen"
Mikrotext Verlag, 2022
216 Seiten, 25 Euro

An „Unser Deutschlandmärchen“ hat Gücyeter zehn Jahre lang geschrieben. Und dabei auch ein neues Bild von seiner Mutter gewonnen. Sie sei eine starke Person, ebenso seine Großmutter, mit der er als Kind das Zimmer teilte.
Und wenn man mal einen Blick in die Geschichte werfe, werde schnell deutlich: „Frauen waren seit jeher diejenigen, die alles zusammengehalten haben und einen starken Überlebenstrieb hatten“, betont der Autor.
(mkn)
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