Dino Heicker: "Manet, ein Streit und die Geburt der modernen Malerei"
Ein Lesebuch zum Pariser Salon von 1865
Parthas Verlag, Berlin 2015
200 Seiten, 19,90 Euro
Berühmter Frauenakt und seine Geschichte
Als Édouard Manets "Olympia" erstmals im Pariser Salon ausgestellt wurde, löste es einen Skandal in der Kunstwelt aus. Dino Heicker hat in seinem Buch "Manet, ein Streit und die Geburt der modernen Malerei" das Gemälde in den Mittelpunkt gestellt.
"Wir müssen nicht wiederholen, dass dieses Gemälde grässlich ist, hässlich wie der Teufel."
"Wenn man es erblickt, muss man lachen."
"Sollten sich dergleichen Trends jemals durchsetzen, wäre es nicht von Nachteil, den Louvre und einige andere Museen, die den Fortgang dieser eigenartigen Erscheinungen behindern könnten, in Brand zu stecken."
Die vernichtenden Kritiken galten der Olympia von Édouard Manet. 1865 wurde der Frauenakt des damals 33 Jahre alte Künstlers im Rahmen des Pariser Salon gezeigt. Zwar hatte man dem Maler durchaus manche Zumutung zugetraut, seine merkwürdigen Bilder aus den Vorjahren ließen das Schlimmste erwarten. Dieses Gemälde war dann aber doch zu viel: Eine nackte Frau, die dem Betrachter direkt ins Gesicht blickt, ausgestreckt auf einem Bett, eine Hand im Schoß, zu Füßen eine Katze, im Hintergrund eine schwarze Dienerin mit Blumenstrauß. Und ganz offensichtlich war sie keine Gestalt aus der Antike - die akzeptierte Darstellungsweise des Aktes -, sondern eine Prostituierte.
Einer der größten Skandale der Kunstgeschichte
Manets Gemälde wurde zu einem der größten Skandale der Kunstgeschichte. Um es vor Zerstörung zu retten, hängte man es schließlich - unerreichbar für Schirme und Stöcke - über eine Tür. Mit seinem "Lesebuch zum Pariser Salon von 1865" legt Dino Heicker eine Chronik der tumultartigen Szenen und Diskussionen vor. Sie versammelt über 40 Zeitungsartikel, Karikaturen sowie längere Publikationen aus den Jahren 1865 bis 1912. Verfasst wurden sie von Journalisten, Kunsthistorikern, Künstlern und Literaten, deren Bedeutung Heicker durch Kurzbiografien vermittelt.
Bis auf wenige Ausnahmen - zum Beispiel eine hinreißende und kenntnisreiche Verteidigung des Gemäldes durch Émile Zola und eine Würdigung Max Liebermanns - fallen die Besprechungen negativ aus. Die von vielen Rezensenten lustvoll protokollierten Lachanfälle des Publikums sind noch die harmloseste Variante. Schwerer wiegt der Vorwurf der kalkulierten Provokation und Exzentrik.
Manet habe quasi einen "Pistolenschuss vor den Ohren der Leute" abgefeuert. Seine Olympia sei "affenartig", eine "Hottentotten-Venus" und "Missbildung", ein "groteskes Gummiding". Doch betraf die Kritik nicht nur das Sujet, sondern explizit auch Manets Technik. Er könne weder zeichnen noch malen. Man beklagte "die fahle Färbung" der "schmuddeligen Frau" und die "Dreckkruste, die ihre Konturen überzieht".
Manet hat der Shitstorm getroffen
Tatsächlich waren Manets Farbgebung, sein Einsatz von Schwarz- und Weißtönen und der starke Hell-Dunkel-Kontrast neu, wie Dino Heicker im Nachwort ausführt. Alles, wofür der Maler später gepriesen und weltberühmt wurde - heute gilt die Olympia als Meisterwerk und hängt im Pariser Musée d'Orsay -, stieß den Zeitgenossen auf. Manet übrigens hatte dieser Shitstorm sehr getroffen; auch das ist hier nachzulesen.
Dino Heicker hat eine aufschlussreiche Chronik zusammengestellt. Auch wenn die Kämpfe zur Zeitenwende der Malerei Ende des 19. Jahrhunderts bekannt sind, durch die zeitgenössischen Kritiken werden sie noch einmal höchst lebendig.