Wie gut, dass sie nicht aussterben
06:23 Minuten
Dinosaur Jr. schufen ein Krachmonster aus Pop, Punk und Metal. Damit wurde das US-Trio um Gitarrist und Sänger J Mascis Wegbereiter für die Alternative Rock-Welle der 1990er Jahre. Auf ihrem neuen Album klingt die Band wie immer, aber das ist kein Manko.
Eine Adidas-Jacke in Regenbogenfarben, Käppi und eckige Nerd-Brille: So sitzt J Mascis vor dem Bildschirm. Mit seinen langen weißen Haaren wirkt der 55-Jährige wie eine Pop-Version von Gundalf aus "Der Herr der Ringe". Bis heute ist J Mascis für viele ein Held. Einer seiner bekanntesten Fans war Kurt Cobain. Er hatte ihm sogar angeboten, bei Nirvana mitzumachen. Und das zwei Mal:
"Als er mich das erste Mal gefragt hat, weiß ich gar nicht, ob er wollte, dass ich Gitarre oder Schlagzeug spiele. Er wollte einfach, dass ich in die Band komme. Ich habe das aber nicht ernsthaft erwogen. Zu der Zeit war meine Band größer als Nirvana. Die hatten gerade erst ihr erstes Album draußen."
Krachmonster aus Pop, Punk und Metal
Das war 1989. Damals hatten Dinosaur Jr. ihr Krachmonster aus Pop, Punk und Metal schon längst geschaffen und ließen es erfolgreich gegen den Wave Pop und College Rock der 1980er-Jahre antreten. Viele Bands der Alternative-Rock-Welle in den 1990er-Jahren hatten von ihnen gelernt. Oder auch sie kopiert.
Auf dem neuen Album "Sweep It Into Space" fällt der Krach – wie schon auf den Vorgängerplatten – etwas melodiöser aus. Sonst klingen Dinosaur Jr. wie immer. Der typisch träge Gesang von Mascis steht im scharfen Gegensatz zu den seelenvoll gespielten Lärmorgien auf seiner Gitarre. Dazu der hämmernde Bass von Lou Barlow und die donnernden Beats von Schlagzeuger Murph. Als Gast ist der amerikanische Musiker Kurt Vile auf mehreren Songs an der Gitarre zu hören. Er war außerdem an der Produktion beteiligt. Und die klingt ehrlich – nach einer Band, die einen guten Live-Gig spielt. Nicht Perfektion, sondern Ausdruck steht im Vordergrund, so Masics:
"Wir haben es live eingespielt. Immer und immer wieder haben wir die Songs gespielt, bis wir eine gute Aufnahme hatten. Dann kamen noch Overdubs vom Gesang und Gitarren dazu. Die Pandemie begann zum Ende der Platte. Kurt Vile sollte eigentlich noch mal zurück zu uns kommen in der Schlussphase des Albums. Wir dachten dann aber, das sollte er vielleicht lieber nicht tun. Der Lockdown hatte schon begonnen. Ich habe dann quasi allein die Platte abgeschlossen, was die Produktion angeht."
Gegen das Rock-Macho-Klischee
Zehn der zwölf Stücke auf "Sweep It Into Space" stammen aus der Feder von Mascis, zwei von Lou Barlow. Der Bassist und kongeniale Partner von Mascis hat immer schon weniger eigene Songs veröffentlicht. Dafür aber einige der schönsten von Dinosaur Jr. Seine Songs "Garden" und "You Wonder" auf dem aktuellen Album bilden vor diesem Hintergrund keine Ausnahme. In ihrer Ruhe sind die beiden "Fast"-Balladen Kontrapunkte zur aufgepeitschten Energie der übrigen Songs.
Bemerkenswert ist seit den Anfängen der Band außerdem die Verletzlichkeit, die die Songtexte offenlegen. Dem Klischee des Rock-Machos zum Trotz ist von Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten die Rede. Da geht es zum Beispiel um einen Typ, der erkennt, dass er feige war in der Beziehung und sich selbst nicht mehr erträgt.
Keine Kopien, sondern Originale
Es ist bewundernswert, dass das Dreiergespann, das selbst eine bewegte Geschichte mit Trennung und Re-Union hinter sich hat, nach 37 Jahren immer noch zusammensteht und nie ein schlechtes Album veröffentlicht hat. Das mag daran liegen, dass sie Originale sind.
Es ist schön, dass diese Dinosaurier nicht aussterben. Gerade auch, weil sich die Dynamik innerhalb der Band seit den Anfängen verändert hat. Nun endlich scheinen sich die drei gefunden zu haben, meint Masics:
"Zuerst waren Lou und ich total engagiert. Wir haben die Band sehr, sehr ernst genommen. Aber Murph war sich nicht so sicher. Er hat sich nicht so dahintergeklemmt wie wir. 'Mach es oder lass es' – so war er drauf. Und dann kamen wir wieder zusammen. Murph war auf einmal sehr engagiert, aber Lou war sich plötzlich nicht mehr sicher. Sie haben die Rollen quasi getauscht. Aber jetzt leben wir alle gleichermaßen für die Band."