Taiwan sollte sich vor China hüten
Viele Taiwaner blicken skeptisch auf den Annäherungskurs mit China. Aus gutem Grund, meint Markus Rimmele. Denn es geht um Demokratie und Freiheit. Der Blick nach Hongkong sollte eine Warnung sein.
China und Taiwan gehen aufeinander zu. Wer könnte sich nicht darüber freuen! Jahrzehntelang herrschte zwischen den beiden chinesischen Kontrahenten ein kalter Krieg, der mehrfach in einen heißen sich zu verwandeln drohte. Ein Taiwan-Krieg könnte am Ende sogar die Großmächte China und USA in den bewaffneten Konflikt stürzen. Ein Alptraum.
Da ist es wohltuend zu sehen, wie sich neue Gesprächskanäle öffnen, wie Chinas Präsident Xi Jinping mit einem Tabu bricht und den Taiwanern auf Augenhöhe begegnet, ja wie fast so etwas wie Herzlichkeit beim Treffen zwischen Xi und seinem Amtskollegen Ma Ying-jeou aus Taiwan zu spüren war. Wer würde sich nicht freuen, wenn sich in dieser derzeit immer friedloseren Welt ein Konflikt mal gütlich lösen würde – durch Händeschütteln, Sprechen, Kooperation?! Eine gute Entwicklung. Oder doch nicht?
Taiwan ist ein demokratischer Musterstaat in der Region
Viele Taiwaner blicken skeptisch auf dieses Treffen und auf den Annäherungskurs mit China ihres Präsidenten Ma Ying-jeou. Mit gutem Grund. Es mag nachvollziehbar sein, dass China seine territorialen Ansprüche verteidigt und auf Wiedervereinigung dringt. Und es stimmt, dass beide Seiten historisch wie kulturell eng zusammengehören. Doch in Taiwan geht es mittlerweile um mehr als Nation und historische Rivalitäten. Es geht um Demokratie und Freiheit. Taiwan ist ein demokratischer Musterstaat in der Region. Eine Insel, welche die von Tschiang Kai-shek errichtete Diktatur abgeschüttelt hat. In Taiwan funktioniert das Spiel der Parteien, die Presse ist frei, die liberale Bürgergesellschaft aktiv und bunt, zur Zeit wird über die Home-Ehe diskutiert.
Die westliche Welt müsste Taiwan lieben für das, was es ist. Stattdessen führt die Insel ein Schattendasein, ist international isoliert, nur von wenigen Staaten anerkannt. Die meisten Menschen im Westen wissen noch nicht einmal, dass die Taiwaner in der vielleicht liberalsten Demokratie in Ostasien leben, dass es ein demokratisches China gibt.
Die Annäherung ist für viele Taiwanesen ein Horror
Den Taiwanern selbst ist das allerdings sehr bewusst, und es bedeutet ihnen viel. Die Annäherung an China, die, so der Wunsch Pekings, eines Tages in einer Wiedervereinigung münden soll, ist für viele ein Horror. Peking wirbt, versucht zu beruhigen, schlägt ein flexibles System vor. Ein Land, zwei Systeme – die Formel, die in Hongkong gilt. Das heißt: Taiwan würde zu China gehören, könnte aber einen hohen Grad an Autonomie behalten, also etwa demokratische Wahlen durchführen und ähnliches.
Doch genau der Blick nach Hongkong sollte eine Warnung sein. In Hongkong zeigt Peking, dass es auf Dauer liberale Systeme und Freiheit auf chinesischem Boden nicht akzeptiert. Seit den Regenschirmprotesten vor einem Jahr ist auch klar, dass die Kommunisten – anders als 1997 versprochen – keine echte Demokratie erlauben werden. Und so sollten sich die Taiwaner gut überlegen, wie sie die freundlichen Worte des starken Mannes aus Peking interpretieren. Ein Narr, der den chinesischen Kommunisten vertraut, wenn es um die Freiheit geht.
Das Beste, was für Taiwan in diesen Zeiten zu erreichen ist, wäre der Erhalt des Status Quo: Frieden und Wirtschaftsaustausch mit dem Festland, ein Verzicht auf die formale Unabhängigkeit, aber auch politische Distanz zu Peking. Taiwan kann nur hoffen, dass sich Xi Jinping damit zufrieden gibt.