Direktor Poka-Yio zur "Athens Biennale"

"Athen ist derzeit Europas Finsternis"

Poka-Yio, Direktor der Athens Biennale und documenta-Kritiker
Poka-Yio, Direktor der Athens Biennale und documenta-Kritiker © Deutschlandradio / Britta Bürger
Poka-Yio im Gespräch mit Britta Bürger |
Wie bewerten griechische Künstler die documenta in Athen? Poka-Yio, Direktor der parallel stattfindenden Athens Biennale, vermisst einen Dialog. Die documenta komme "kraftvoll" daher. Die Kunst auf der Biennale dagegen zeichne ein düstereres, chaotischeres Bild.
Britta Bürger: Sie haben mit der Athener Biennale 2017 als "Jahr des aktiven Wartens" angekündigt - warten worauf?
Poka-Yio: Wir leben in einer ziemlich markanten Zeit. Ich glaube, dass gerade meine Generation diese Zeit als bedeutend in Erinnerung behalten wird. Was gerade in Europa und in Amerika passiert, läutet vielleicht sogar das Ende des Westens ein, so wie wir ihn kannten. Vielleicht auch das Ende der Aufklärung, das Ende Europas und dieses Europas, wie wir es uns immer erträumt haben. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir begreifen müssen, wo wir stehen. Das ist kein Erstarren – wir erstarren nicht –, sondern wir analysieren, was um uns passiert. Und das ist ein aktives Warten. Und die Kunst muss darauf Antworten finden – analysieren und antworten.
Bürger: Mit der Biennale versuchen Sie seit mehreren Jahren auf die immer weiter wachsende Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Was kann Kunst in Krisen-Zeiten bewirken?
Poka-Yio: Kunst scheint in Krisenzeiten aufzuflammen. Und wir sprechen über eine Art von Kunst, die wir unter diesen schwierigen Umständen in denen wir leben, nie erwartet hätten. Vielleicht entsteht auch gerade durch diese Umstände eine neue Kunst. Das ist wie in der Natur. Unter schwierigen, speziellen Bedingungen, wird auch immer etwas Außergewöhnliches geschaffen. Es entsteht also eine wilde, andersartige, intensive, unbändige Kunst, die auch wir, die Künstler, Kuratoren, Denker, Theoretiker, Journalisten erst einmal begreifen müssen.
Bürger: Es gibt dieses Schlagwort "Athen sei das neue Berlin" – Sie haben das allerdings in einem Interview anders dargestellt. Athen sei eine Art dystopisches Zukunftslabor – hier könne man sehen, was in den nächsten Jahren auch auf andere Länder zukomme. Was könnte die documenta also von Athen lernen?

Festhalten an Stereotypen und kitschigen Bildern

Poka-Yio: Was sie hätte lernen können, hat sie gelernt. Ausgehend von ihrem bisher veröffentlichten Programm allerdings, hat sich gar nichts gelernt. Sie hat Athen lediglich als Bezugspunk benutzt, vielleicht auch als Rechtfertigung. Athen ist derzeit Europas Finsternis. Athen ist der Anfang eines Europas, das sich immer mehr dem Chaos nähert. Du musst dieser Finsternis in die Augen blicken und verstehen, was auf uns zukommt. Wenn Du versuchst, Dich an einigen Stereotypen festzuhalten, an kitschigen Bildern, die der Vergangenheit angehören, dann kann nur etwas Verdrehtes bei herauskommen. Du blickst nicht auf die Gegenwart, also vertiefst Du nur das Böse, anstatt es zu hemmen. Man blickt also nur auf die Vergangenheit wirft, die Götter der Meere z.B. als Symbol. Diese ganzen Dinge gibt es aber alle gar nicht. Wenn diejenigen die nach Athen kommen nur auf der Suche nach der Sonne, gutem Essen und einem schönen Leben sind, dann werden sie das finden. Aber Athen ist nicht nur das.

"Lernprozess fand nicht auf Augenhöhe statt"

Bürger: In welcher Weise werden Sie also die documenta befragen?
Poka-Yio: In der Kultur insgesamt und insbesondere in der Kunst, stellst Du Fragen anhand Deiner Konzepte. Es gibt keinen direkten Dialog und wir standen leider auch nicht im direkten Dialog. Dieser Lernprozess fand auch gar nicht auf Augenhöhe statt, er hatte keinerlei Transparenz, oder gar Empathie. Es gab also keinen Dialog. Dialog findet über Konzepte, Entwürfe statt. Was wir von der documenta sehen werden, und ich glaube das ist extrem wichtig, ist ein kraftvoller Entwurf. Was Sie von uns sehen werden wird ein Gegenentwurf sein. Und genau zwischen diesen Entwürfen, findet dann der Dialog statt. Das, was die verschiedenen Gruppen untereinander nicht geschafft haben zu entwickeln, weil dies auch nie beabsichtigt war, wird nun durch die einzelnen Kunstwerke gezeigt.
Bürger: Die Athener Biennale wird die documenta – durchaus kritisch – begleiten. In welcher Weise?
Poka-Yio: Wie ich bereits gesagt habe, findet der Dialog über die Kunst statt, über den Gesamtentwurf. Die documenta wird auch nicht nur mit uns im Austausch sein. Es handelt sich um einen Entwurf, der derzeit von einem großen Team ausgearbeitet wird. Der Dialog wird letztendlich zwischen der documenta und ihrer Zeit stattfinden, zwischen der Biennale und ihrer Zeit. Natürlich gibt es in diesem Jahr zahlreiche parallel laufende Biennales, Venedig, Istanbul, Lyon, Münster und andere. Es gibt viele große Ausstellungen, die versuchen den Zeitgeist aufzugreifen, also findet der Dialog so oder so statt.